Entscheidungsstichwort (Thema)

Gutachter für Grundstückswerte und Mietpreisfragen als Freiberufler

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtsfragen, ob die Tätigkeit eines Gutachters für Grundstückswerte und Mietpreisfragen der Tätigkeit eines Steuerberaters oder eines beratenden Volkswirtes ähnlich ist oder ob sie Bestandteil der Berufstätigkeit dieser Katalogberufe sein kann, wenn der Gutachter über diese Qualifikation verfügt, sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt und deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist, soweit die Qualifizierung der Gutachtertätigkeit als freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit für die angefochtenen Steuerfestsetzungen von Bedeutung sein kann, jedenfalls unbegründet.

1. Grundsätzliche Bedeutung

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob die Tätigkeit als Gutachter (Sachverständiger) für unbebaute und bebaute Grundstücke sowie Mietpreisfragen eine der Tätigkeit als Steuerberater oder beratender Volkswirt ähnliche Tätigkeit darstellt, läßt sich anhand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um einen "ähnlichen Beruf" i.S. des §18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) annehmen zu können, beantworten.

a) Ein ähnlicher Beruf muß einem der Katalogberufe in seinen wesentlichen Punkten vergleichbar sein. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit. Es genügt nicht, wenn der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt, die auch von Angehörigen der Katalogberufe ausgeübt wird. Wer die für einen Katalogberuf vorgeschriebene Ausbildung nicht besitzt, kann zwar die für diesen erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise, insbesondere auch anhand von Arbeiten in seiner praktischen Berufstätigkeit, nachweisen. Die so qualifizierte Arbeit muß aber den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben. Auch darf die ausgeübte Tätigkeit nicht bloß einen kleinen Ausschnitt aus dem Katalogberuf erfassen. Nur derjenige, der entsprechend umfangreiche Kenntnisse bereits nachgewiesen hat, kann sich -- wie dies mancher Angehörige eines Katalogberufs getan hat -- auf einen Teilbereich spezialisieren (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 IV R 19/97, BFHE 184, 456, BStBl II 1998, 139, m.w.N.).

Diese Anforderungen gelten auch für einen Gutachter für Grundstückswerte und Mietpreisfragen. Der BFH hat bezüglich vergleichbarer gutachterlicher Tätigkeiten einen ähnlichen Beruf angenommen, wenn der Gutachter seine Tätigkeit auf der Grundlage von Disziplinen ausübt, die an Hochschulen gelehrt werden, und die Tätigkeit nach sachlichen und objektiven Gesichtspunkten eine qualifizierte Tätigkeit darstellt, die der Lösung schwieriger Streitfragen dient, d.h., wenn er die Gutachten auf der Grundlage von Kenntnissen eines Architekten erstellt (vgl. Senatsurteile vom 4. Februar 1954 IV 6/53 U, BFHE 58, 618, BStBl III 1954, 147; vom 30. April 1959 IV 45/58 U, BFHE 69, 16, BStBl III 1959, 267, und vom 10. Juli 1986 IV R 244/84, BFHE 147, 328, BStBl II 1986, 843). Er hat die Annahme eines ähnlichen Berufs dagegen abgelehnt, wenn der Gutachter -- wie z.B. ein Zimmermann, der weder über eine Ausbildung verfügt, die der für den Beruf des Architekten erforderlichen Ausbildung vergleichbar ist, noch in vergleichbarer Weise beruflich tätig ist -- bei der Erstellung der Gutachten an Marktkenntnisse oder gewerbliche bzw. handwerkliche Erfahrungen anknüpft (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 26/82, BFH/NV 1986, 81).

b) Das Vorbringen des Klägers dürfte auch eher dahin zu verstehen sein, daß es ihm weniger um die Klärung der Frage geht, ob die Tätigkeit eines Gutachters für Grundstückswerte und Mietpreisfragen der eines Steuerberaters oder beratenden Volkswirts ähnlich ist, sondern vielmehr um die Klärung der Frage, ob jene Tätigkeit nicht als Bestandteil der Berufstätigkeit eines Steuerberaters oder beratenden Volkswirts beurteilt werden kann, wenn der Gutachter (auch) über diese Qualifikation verfügt. Auch diese Frage ist jedoch durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.

So hat der Senat im Urteil vom 29. Oktober 1987 IV R 79/84 (BFH/NV 1988, 492) ausgeführt, daß eine Gutachtertätigkeit sich zwar vielfach nur als Ausschnitt aus einer Berufstätigkeit darstelle, sich jedoch in manchen Bereichen auch zu einem eigenständigen Berufsbild verdichten könne. Demgemäß seien z.B. Architekten, die als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Gebäude, Brandschadenregulierungen und Schätzungen oder als vereidigte Bauschätzer einer Brandversicherungskammer tätig seien, als Angehörige eines eigenständigen (freien) Berufs angesehen worden (Senatsurteile in BFHE 58, 618, BStBl III 1954, 147, und in BFHE 69, 16, BStBl III 1959, 267). Auch in seiner neueren Rechtsprechung habe der BFH ausgesprochen, daß Architekten und Ingenieure, die hauptberuflich als gerichtliche Sachverständige für Hochbau, Tiefbau und Maschinenbau tätig seien, eine Berufstätigkeit i.S. des §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübten (Senatsurteil in BFHE 147, 328, BStBl II 1986, 843). In der letztgenannten Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß es für die Qualifizierung einer Gutachtertätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger für Baufragen nicht darauf ankomme, ob sie als Hauptberuf oder laufend als Nebentätigkeit neben einer freiberuflichen oder nichtselbständigen Haupttätigkeit (als Architekt) betrieben werde. Auch als Nebentätigkeit stelle die Tätigkeit als Sachverständiger für Baufragen die Ausübung des Katalogberufs eines Architekten oder eines Ingenieurs i.S. des §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar.

Ob die Tätigkeit eines Gutachters für Grundstückswerte und Mietpreisfragen nicht nur eine hinreichende Vergleichbarkeit mit dem Beruf des Architekten oder des Ingenieurs aufweist, sondern auch mit einem anderen Katalogberuf, insbesondere dem des Steuerberaters oder des beratenden Volkswirts, ist eine vorwiegend auf tatsächlichem Gebiet liegende, weil von den jeweiligen Voraussetzungen für die Bestellung als Sachverständiger und dem Berufsbild des Vergleichsberufs abhängende Frage, die in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Hinzuweisen ist insoweit lediglich darauf, daß die während der Betriebsprüfung vorgelegten Bestellungsvoraussetzungen sowohl für das Sachgebiet "Mieten für Grundstücke und Gebäude" als auch für das Sachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken" weder an eine Vorbildung als Volkswirt noch an eine Tätigkeit als Steuerberater anknüpfen.

Um als Sachverständiger für Mietpreisfragen bestellt werden zu können, bedarf es vielmehr in erster Linie einer praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. In den Erläuterungen dazu wird ergänzend darauf abgestellt, daß die Feststellung der "besonderen Sachkunde" i.S. des §36 der Gewerbeordnung nicht bei einem bestimmten Beruf ansetzen könne, sondern an eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit anknüpfen müsse, die ihrer Art nach geeignet sei, zumindest einige der in den Bestellungsvoraussetzungen geforderten Kenntnisse zu vermitteln. Hierfür komme in erster Linie eine langjährige praktische Tätigkeit in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft in Betracht. Weder das Studium der Volkswirtschaft noch die Tätigkeit als Steuerberater stellen daher insoweit eine einschlägige Vorbildung oder einen sonst geeigneten Anknüpfungspunkt dar. Als sachgebietsbezogene Kenntnisse vermittelnde Studiengänge sind in den Erläuterungen zu den Bestellungsvoraussetzungen vielmehr beispielhaft ausdrücklich nur das Studium der Architektur oder der Betriebswirtschaft oder eine abgeschlossene Ausbildung als Grundstücks- und Wohnungswirt genannt.

Hinsichtlich der Vorbildung für das Sachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken" kommt zwar (auch) ein abgeschlossenes Studium in Betracht, wobei die Anknüpfung an die Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen und Vermessungswesen oder an eine andere einschlägige Fachrichtung jedoch zeigt, daß es sich um ein Studium mit vorwiegend technischem Inhalt handeln muß (entsprechend enthält auch nur die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in §34 einen Honorartatbestand für die Wertermittlung von Immobilien, nicht aber die Steuerberatergebührenverordnung). Angesichts dieser Anforderungen ist ohne Bedeutung, daß die Immobilienbewertung und andere wohnungswirtschaftliche Fragestellungen teilweise auch im Rahmen wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge als Wahlpflichtfach, Schwerpunktfach oder Vertiefungsrichtung angeboten werden (vgl. Kleiber in Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 3. Aufl., Teil XIII, Anhang 12.8, S. 2240 f.). Der Kläger muß folglich, weil er nicht über ein Studium der Fachrichtung Architektur, Bauingenieurwesen, Vermessungswesen oder einer anderen einschlägigen Fachrichtung verfügt, seine Vorbildung für die Bestellung als Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken durch eine mindestens zehnjährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Grundstückswirtschaft nachgewiesen haben. Das Finanzgericht (FG) konnte daraus den Schluß ziehen, daß diese Tätigkeit nicht Bestandteil seiner Tätigkeit als Steuerberater (zu den Prüfungsgebieten der Steuerberaterprüfung vgl. §37a des Steuerberatungsgesetzes) oder Gegenstand einer Tätigkeit als beratender Volkswirt (zum Berufsbild des beratenden Volkswirts vgl. Senatsurteil vom 18. Juli 1985 IV R 59/83, BFHE 144, 233, BStBl II 1985, 655) ist.

c) Die Aufnahme der hauptberuflichen Sachverständigen in den Katalog der freien Berufe i.S. von §1 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes vom 25. Juli 1994 (BGBl I 1994, 1744, BStBl I 1994, 739) begründet ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob ein Gutachter für Grundstückswerte und Mietpreisfragen eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die Aufnahme der hauptberuflichen Sachverständigen nur in den Katalog der freien Berufe im Sinne dieser Vorschrift, nicht aber in den des §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zeigt, ohne daß dies einer Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, daß dadurch die steuerliche Behandlung der Sachverständigen nicht präjudiziert werden sollte (so auch der Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/7642, 12).

2. Divergenz

Das FG hat seiner Entscheidung die unter 1. wiedergegebene Rechtsprechung zugrunde gelegt. Es ist deshalb insbesondere nicht von den BFH-Urteilen vom 12. Oktober 1989 IV R 118-119/87 (BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64) und vom 21. März 1996 XI R 82/94 (BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518) abgewichen. Die vom Kläger als von der Rechtsprechung des BFH abweichender Rechtssatz bezeichnete Darlegung des FG, wonach die Tätigkeit auf einer vergleichbar breiten Vorbildung beruhen und sich auf einen vergleichbar breiten beruflichen Bereich erstrecken muß, gibt vielmehr nur den Grundsatz wieder, der in der Rechtsprechung aufgestellt worden ist, um beurteilen zu können, ob ein Beruf einen einem Katalogberuf ähnlichen Beruf darstellt. Dieser Grundsatz hat durch das Urteil in BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64 keine Änderung erfahren, sondern ist nur für den Fall weiterentwickelt worden, daß der Steuerpflichtige bereits vor einer Spezialisierung auf einen Teilbereich eines Katalogberufs die dafür erforderlichen umfassenden theoretischen Kenntnisse nachgewiesen hat. Lediglich für diesen Fall ist die (spätere) Spezialisierung für unschädlich gehalten worden.

Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor. Da die Tätigkeit als Gutachter für Grundstückswerte und Mietpreisfragen nicht als zum Berufsbild des Steuerberaters oder des beratenden Volkswirts gezählt werden kann, weshalb sie für die Angehörigen dieser Berufe eine davon zu trennende weitere Tätigkeit darstellt, hätte der Kläger den Nachweis erbringen müssen, daß er auch ohne Hochschulstudium -- etwa aufgrund von Kursen, Selbststudium oder praktischer Arbeit -- über die notwendigen theoretischen Kenntnisse eines Architekten oder Ingenieurs verfügt. Diesen Nachweis hat er jedoch nicht geführt. Nur für diesen Fall wären die im Urteil in BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64 entwickelten weiterführenden Grundsätze anzuwenden gewesen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1206

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