Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Unterhält ein Elektrizitätswerk räumlich getrennt von seinen Anlagen zur Erzeugung und Lieferung von Strom eine Kohlenzeche, so bildet die Zeche eine vom übrigen Unternehmen getrennte selbständige Betriebstätte.

 

Normenkette

StAnpG § 16; GewStG §§ 28-30, 33

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine AG, deren Aktien sich sämtlich in der Hand von Gebietskörperschaften befinden, betreibt die Versorgung der Bevölkerung mit elektrischem Strom, Gas und Wasser in einem regional begrenzten Bereich. Sie verwendet seit Jahren die von einer Zeche in der Gemeinde A. geförderte Kohle zur Stromerzeugung in ihrem Elektrizitätswerk. Nachdem sie zunächst das Bergwerk von einer Gewerkschaft gepachtet hatte, erwarb sie deren sämtliche Kuxe im Jahre 1950 und löste schließlich die Gewerkschaft zum 1. Mai 1955 auf. Die Gewerkschaft wurde als Organ der AG im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG angesehen. Die Gemeinde A. gehört nicht zu dem eigentlichen Versorgungsgebiet der Stpfl., die dort nur die zu ihrem Unternehmen gehörige Zeche mit Strom und Wasser sowie auf Grund einer besonderen Vereinbarung noch einige weitere Grundstücke ausschließlich mit Wasser versorgt. Im übrigen wird diese Gemeinde mit elektrischem Strom durch ein anderes Unternehmen versorgt.

Die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge der Stpfl. hatte das Finanzamt seit längerem nach einem mit den beteiligten Gemeinden vereinbarten Schlüssel zerlegt. Dabei wurden sämtliche Betriebsstellen der Stpfl. einschließlich des Kohlenbergwerks als eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebstätte angesehen.

Gegen die in diesem Sinne für die Streitjahre ergangenen Zerlegungsbescheide legte die Gemeinde A. Beschwerde ein. Sie ist der Auffassung, daß die Zeche nicht zu der einheitlichen mehrgemeindlichen Betriebstätte gehöre, die von den durch betriebseigene Leitungen untereinander verbundenen Betriebsstellen der Stpfl. gebildet werde, vielmehr im Rahmen des Unternehmens der Stpfl. eine von der mehrgemeindlichen Betriebstätte getrennte Betriebstätte sei. Sie hat daher beantragt, die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge der Stpfl. zwischen der mehrgemeindlichen Betriebstätte und der Betriebstätte in A nach dem Maßstab der Arbeitslöhne zu zerlegen. Während der Anteil der Gemeinde A. an den Gewerbesteuermeßbeträgen der Stpfl. nach dem bisherigen Verfahren 11 bis 12 v. H. ausgemacht hat, stellt er sich nach den Anträgen der Gemeinde A. auf 35 bis 37 v. H. Die Stadt B. (Bfin.) und die Mehrzahl der übrigen beteiligten Gemeinden wandten sich gegen den Vorschlag der Gemeinde A. und verlangten, es bei dem bisherigen Verfahren zu belassen. Im gleichen Sinne sprachen sich auch die Stpfl. selbst und das Finanzamt aus.

Die Oberfinanzdirektion wies das Finanzamt an, der Beschwerde der Gemeinde A. abzuhelfen. Daraufhin teilte das Finanzamt die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge der Stpfl. zwischen den Gemeinden der mehrgemeindlichen Betriebstätte und der Gemeinde A. nach dem Maßstab der Arbeitslöhne auf.

Gegen diese Zerlegungsbescheide legte die Stadt B. wiederum Beschwerde ein und beantragte, die ursprünglichen Zerlegungsbescheide wiederherzustellen, hilfsweise bei Anerkennung der Zeche als einer selbständigen Betriebstätte die Zerlegung statt nach § 29 Abs. 1 Ziff. 2 GewStG nach einem die Verhältnisse besser berücksichtigenden Maßstab gemäß § 33 GewStG vorzunehmen. Da der Ertrag der Stpfl. ausschließlich auf dem Versorgungsgeschäft beruhe, während die Zeche keinen Ertrag aufzuweisen habe, führe eine Zerlegung nach dem Maßstab der Arbeitslöhne für die Stadt B. und die übrigen Gemeinden zu einem offenbar unbilligen Ergebnis.

Die Oberfinanzdirektion hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Stadt B. erneut, die ursprünglichen Zerlegungsbescheide wiederherzustellen, gegebenenfalls § 33 GewStG anzuwenden. Neben den sozialen Lasten, die allerdings bei der Gemeinde A. wegen der an der Zeche beschäftigten Arbeitnehmer besonders ins Gewicht fielen, müßten auch die erheblichen Belastungen der anderen Gemeinden als Folge der Anlagen des Versorgungsbetriebes berücksichtigt werden, zumal die Zeche für den Ertrag der Stpfl. nicht von wesentlicher Bedeutung sei.

 

Entscheidungsgründe

Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.

Eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebstätte im Sinne des § 30 GewStG liegt vor, wenn in verschiedenen Gemeinden befindliche Betriebsanlagen eines Unternehmens in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Beziehung ein einheitliches Ganzes bilden. Verwaltung und Rechtsprechung haben die durch Leitungen verbundenen Teile eines Elektrizitätswerkes und ebenso die durch einen Kanal verbundenen Teile eines Wasserwerkes als eine Einheit betrachtet. Berührten sie verschiedene Gemeinden, so liege eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebstätte vor. Siehe Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts VIII GSt 119-120/36 vom 29. Oktober 1937 (Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 3 zu § 30 des Gewerbesteuergesetzes 1936), des Reichsfinanzhofs I 328/39 vom 7. Mai 1940 (RStBl 1940 S. 714, Slg. Bd. 48 S. 317) und des Bundesfinanzhofs I B 186/53 U vom 13. Juli und 26. Oktober 1954 (BStBl 1954 III S. 372, Slg. Bd. 59 S. 421). Dies bedeutet aber nicht, daß ein Wasserwerk oder Elektrizitätswerk stets in allen seinen Teilen eine einheitliche Betriebstätte bildet. Es muß zwischen den Betriebsteilen in organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Beziehung ein enger Zusammenhang bestehen. Bei räumlich nicht verbundenen Anlagen ist dies nicht der Fall, wenn dieser enge Zusammenhang nicht notwendige Voraussetzung für die Durchführung der Aufgabe des Versorgungsunternehmens ist. Ein Versorgungsunternehmen ist für den Bezug der zur Erzeugung elektrischer Energie erforderlichen Kohle nicht auf eigene Zechen angewiesen. Für die Einbeziehung der Zeche in A. in die durch andere Betriebsanlagen gebildete mehrgemeindliche Betriebstätte der Stpfl. genügt es nicht, daß die Zeche durch Kabelleitungen mit dem Versorgungsnetz der Stpfl. verbunden ist. Die Oberfinanzdirektion hat zu Recht angenommen, daß die Stpfl. mit der Zeche in der Gemeinde A. eine von ihrer mehrgemeindlichen Betriebstätte zu unterscheidende weitere Betriebstätte unterhält. Der Umstand, daß die Stpfl. auf Grund einer besonderen Rechtslage zur Versorgung einzelner Grundstücke in dieser Gemeinde mit Wasser verpflichtet ist, ändert das Ergebnis der Vorinstanz nicht. Es mag zweifelhaft sein, ob die Gemeinde A. durch die Zuleitung von Elektrizität an die Zeche und insbesondere von Wasser an Dritte (Abnehmer) auch an der mehrgemeindlichen Betriebstätte des Versorgungsunternehmens beteiligt ist (siehe § 16 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes). Es erscheint aber nicht gerechtfertigt, der Gemeinde hierfür zusätzlich zu dem Anteil auf Grund der Anerkennung der Zeche als einer selbständigen Betriebstätte weitere Beträge zuzuweisen, zumal ihr durch die Zuleitung von Elektrizität und Wasser keine erkennbaren Lasten erwachsen. Die Gemeinde hat auch keinen entsprechenden Antrag gestellt. Es müssen also die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge der Stpfl. zwischen der mehrgemeindlichen Betriebstätte und der Betriebstätte in der Gemeinde A. zerlegt werden.

Auch mit ihrem Hilfsantrag, diese Zerlegung statt nach dem in § 29 Abs. 1 Ziff. 2 GewStG für den Regelfall vorgesehenen Maßstab der Arbeitslöhne nach einem anderen, die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigenden Maßstab gemäß § 33 GewStG vorzunehmen, vermag die Stadt B. nicht durchzudringen. § 33 GewStG ist eng auszulegen und nur in Ausnahmefällen anzuwenden (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I B 49/58 U vom 13. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 379, Slg. Bd. 67 S. 275). Der Oberfinanzdirektion ist darin beizupflichten, daß die von der Stadt B. geltend gemachten Umstände - Verschiedenheit in der wirtschaftlichen Struktur, mangelnde Rentabilität der Kohlenzeche, Sonderbelastungen durch die in ihrem Bereich befindlichen Anlagen neben den Lasten durch das Wohnen von Arbeitnehmern - nicht ausreichen, um darzutun, daß die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Ziff. 2 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409853

BStBl III 1961, 8

BFHE 1961, 17

BFHE 72, 17

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