Leitsatz

1. Die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach Maßgabe von § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verstößt im Hinblick auf das unionsrechtliche Gebot, das subjektive Nettoprinzip vorrangig im Wohnsitzstaat zu verwirklichen, gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs. Der Höchstbetrag ist deswegen "geltungserhaltend" in der Weise zu errechnen, dass der Betrag der Steuer, die auf das in Deutschland zu versteuernde Einkommen – einschließlich der ausländischen Einkünfte – zu entrichten ist, mit dem Quotienten multipliziert wird, der sich aus den ausländischen Einkünften und der Summe der Einkünfte ergibt, wobei der letztgenannte Betrag um alle steuerrechtlich abzugsfähigen personen- und familienbezogenen Positionen, vor allem Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, aber auch den Altersentlastungsbetrag sowie den Grundfreibetrag, zu vermindern ist. Das gilt für Einkünfte aus EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen wie für Einkünfte aus Drittstaaten (Anschluss an EuGH-Urteil vom 28.2.2013, C-168/11, Beker und Beker, DStR 2013, 518, BFH/NV 2013, 889, BFH/PR 2013, 23).

2. Der Sparer-Freibetrag gem. § 20 Abs. 4 EStG (2002 a.F.) ist sowohl bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen als auch bei der Ermittlung der ausländischen Kapitaleinkünfte im Rahmen des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigen (Bestätigung des Senatsurteils vom 16.5.2001, I R 102/00, BStBl II 2001, 710, BFH/NV 2001, 1480, BFH/PR 2001, 368).

3. Die länderbezogene Begrenzung der Anrechnung ausländischer Ertragsteuer auf die deutsche ESt (sog. per country limitation) verstößt nicht gegen Unionsrecht.

 

Normenkette

§ 34c Abs. 1, Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 Nr. 1, § 34d Nr. 6, § 20 Abs. 4; Art. 56, Art. 57 Abs. 1 EG (= AEUV Art. 63, Art. 64 Abs. 1)

 

Sachverhalt

Die Kläger, die Eheleute Beker, wurden zusammen zur ESt veranlagt. Im Streitjahr 2007 erzielten sie Dividendeneinkünfte u.a. aus Beteiligungen (sog. Streubesitz) an Kapitalgesellschaften aus den Niederlanden, aus Frankreich, Luxemburg, den USA, aus Japan sowie der Schweiz.

Die Kläger beanstanden, dass das FA die darauf entfallende anrechenbare ausländische Steuer im Rahmen der Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nur mit rd. 1.300 EUR ermittelte; die Nichtbe­rücksichtigung der "überschießenden" ausländischen Quellensteuern von rd. 1.500 EUR sei jedenfalls insoweit – i.H.v. rd. 1.300 EUR – unions- (und ggf. verfassungs-)rechtswidrig, als sich infolge der entsprechenden ausländischen Einkünfte die deutsche ESt erhöhe.

Ihre Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.7.2010, 1 K 332/09, Haufe-Index 2371953, EFG 2010, 1689).

Der BFH stimmte dem FG de lege lata zu. Er hielt die zugrunde liegende Rechtsfrage aus Sicht des Unionsrechts aber für zumindest zweifelhaft und auslegungsbedürftig und deswegen hatte er den EuGH angerufen (Beschluss vom 9.2.2011, I R 71/10 (BStBl II 2011, 500, BFH/NV 2011, 915, BFH/PR 2011, 263) und diesem die Rechtsfrage vorgelegt, ob die Regelungen in § 34c EStG über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die festgesetzte deutsche ESt in Einklang mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit steht.

 

Entscheidung

Der EuGH hatte diese Frage letzten Endes verneint (Urteil vom 28.2.2013, C-168/11, Beker und Beker, DStR 2013, 518, BFH/NV 2013, 889, BFH/PR 2013, 23): Die Höchstbetragsberechnung sei zumindest in Teilen unionsrechtswidrig, und daran hat der BFH nun in seinem Schlussurteil angeknüpft. Er hat darüber hinaus noch die eine oder die andere weiterführende Aussage zur Berechnungsformel der anzurechnenden Auslandssteuern getroffen. Einzelnes ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1.Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger aus­ländische Einkünfte, dann erlaubt die sog. Anrechnungsme­thode als Regelmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung, die ausländischen Ertragsteuern auf die deutsche ESt anzurechnen, so weit die auf ausländische Einkünfte entfällt. Gleiches gilt regelmäßig dann, wenn sich die Vertragsstaaten eines DBA sich auf die Anrechnung verständigt haben.

2. Die Steueranrechnung ist nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ihrer Höhe nach allerdings beschränkt, und zwar auf einen Anrechnungshöchstbetrag. Dieser Höchstbetrag ist in einer Verhältnisrechnung zu ermitteln:

Die deutsche ESt, die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens einschließlich der ausländischen Einkünfte ergibt, wird im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt: Je geringer der Divisor valutiert, desto höher bemisst sich der Anrechnungshöchstbetrag.

Bei der Ermittlung der tariflichen ESt, also des Dividenden in besagter Verhältnisrechnung, werden privat veranlasste Ausgaben der Lebensführung berücksichtigt, die vom Steuerpflichtigen im Inland steuerlich als Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind. Bei der Ermittlung des Divisors werden diese Positionen hingegen nicht einbezogen. Im Ergebnis hat das zur Folge, dass derartige privat veranlasste Ausgaben teilweise auch auf die auslä...

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