Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegekind im Erbschaftsteuerrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Pflegekind des Erblassers ist der Steuerklasse III des § 15 ErbStG zuzuordnen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht.

 

Normenkette

ErbStG § 15

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.11.2005; Aktenzeichen II B 27/05)

BFH (Beschluss vom 24.11.2005; Aktenzeichen II B 27/05)

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin als Pflegekind der am x.x.2002 verstorbenen Frau E in Steuerklasse I einzuordnen ist.

Die Klägerin war seit x.x.1965 Dauerpflegekind der am x.x.2002 verstorbenen Erblasserin E und hat bei dieser bis zum 13.09.1999 gewohnt. Die verstorbene Frau E bestellte nach dem Testament vom x. x. 1999 an dem Hausgrundstück H ein Nießbrauchsvermächtnis zugunsten ihres zum Todeszeitpunkt 68-jährigen Lebensgefährten L. Nach dessen Tod sollte die Klägerin den Nießbrauch an dem Hausgrundstück bis zu ihrem Tod erhalten; die Klägerin war zum Todeszeitpunkt der Erblasserin 37 Jahre alt.

Als Erbe wurde der Sohn der Klägerin, S, geb. am x.x.1995, eingesetzt.

Das Finanzamt berechnete den Wert des Nießbrauchs nach § 12 Erbschaftssteuergesetz (ErbStG) i.V.m. §§ 13, 14 Bewertungsgesetz (BewG) und der Anlage 9 zu § 14 BewG.

Unter Berücksichtigung eines weiteren Vermächtnisses ermittelte es zum Zwecke der Besteuerung einen unstreitigen Vermögenswert von € 82.514. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von € 5.200 setzte das Finanzamt unter Annahme der Steuerklasse III eine Erbschaftssteuer von € 17.779 fest.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie müsse aufgrund des ehemaligen Dauerpflegeverhältnisses steuerlich wie ein Stiefkind behandelt werden und somit in Steuerklasse I eingruppiert werden.

Sie ist der Ansicht, es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor. Diese müsse verfassungskonform dahingehend geschlossen werden, dass Dauerpflegekinder der Erbschaftssteuerklasse I zuzuordnen seien. Eine bewusste Ungleichbehandlung des Gesetzgebers zwischen Stiefkindern und Pflegekindern liege nicht vor. Es liege deshalb ein eklatanter Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes vor.

Bei der gebotenen Anwendung der Erbschaftssteuerklasse I würde sich eine Erbschaftssteuerzahllast nicht ergeben.

Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftssteuerbescheid aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

Pflegekinder gehörten nach der Definition des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht zur Steuerklasse I. Das Erbschaftssteuergesetz weiche insoweit von dem früheren Vermögenssteuergesetz (§ 6 Abs. 2 VStG) und dem Einkommensteuergesetz (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) ab. Diese Abweichung sei jedoch vertretbar, da die Vergünstigungen bei der Erbschaftssteuer nicht wie bei der Vermögenssteuer oder Einkommensteuer auf bestehende Pflegschaftskindverhältnisse beschränkt werden könne. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Pflegekinder bewusst nicht in die Steuerklasse I aufgenommen habe; sie seien deshalb der Steuerklasse III zuzuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist als Pflegekind der Erblasserin der Steuerklasse III des § 15 ErbStG zuzuordnen. Diese Zuordnung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

1. Die Einordnung in Erbschaftssteuerklassen erfolgt nach § 15 ErbStG. Das Erbschaftssteuerrecht hat dabei in § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG einen eigenen Begriff des Kindes geprägt, der sich nicht mit dem des Einkommensteuerrechts deckt.

Nach dem Kindesbegriff des § 15 ErbStG sind Kinder die ehelichen Kinder, nichteheliche Kinder und Stiefkinder. Unter den Begriff Kinder fallen dabei leibliche Kinder als auch Adoptivkinder, bei denen das Verwandtschaftsverhältnis per Rechtsakt begründet wird, die der natürlichen Verwandtschaft (§ 1589 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) gleichwertig ist (hierzu auch Wilms, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, § 15 Rz. 84 ff). Gemäß § 1754 Abs. 1 BGB nämlich erlangt das angenommene Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der annehmenden Ehegatten. Mit der Annahme erlöscht gemäß § 1755 Abs. 1 BGB das bisherige Verwandtschaftsverhältnis einschließlich aller Rechte und Pflichten des Kindes zu den bisherigen Verwandten; die Familienangehörigkeit des Adoptivkindes wird umfassend und abgesehen von der Ausnahme des § 1759 BGB unwiderruflich gewechselt.

Nach der Vorschrift des § 15 ErbStG ist Unterscheidungsmerkmal für die Steuerklassen das persönliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erwerber ( Wilms, a.a.O., § 15 Rz.2). Das persönliche Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser, das § 15 Abs. 1 ErbStG zum Bestimmungsgrund der Steuerklasseneinteilung erhebt, wird nach formalen Kriterien des Familienstandes, der Verwandtschaft oder Schwägerschaft abgegrenzt (Meincke, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, § 15 Rz. 2; Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungsst...

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