Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitz in der BRD; Aktivitätsklausel DBA-Polen
Leitsatz (redaktionell)
1) Nutzt der Steuerpflichtige die ehemals als Ehewohnung genutzte Wohnung weiterhin derart, dass er in ihr dauernd getrennt vom anderen Ehegatten zumindest zeitweise lebt, so reicht das für einen Wohnsitz in Deutschland aus.
2) Einkünfte eines unbeschränkt steuerpflichtigen Inländers, der außerdem auch in Polen ansässig ist, aus einer polnischen Betriebsstätte unterliegen der deutschen Steuerpflicht. Dies gilt nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA Polen jedenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige zum deutschen Staat die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
3) Die nach Abs. 5 des Zusatzprotokolls zum DBA Polen bestehende Ausnahme, dass eine deutsche Steuerpflicht entfällt, wenn die polnische Betriebsstätte ihre Einnahmen fast ausschließlich aus innerhalb Polens ausgeübten bestimmten Tätigkeiten bezieht, greift dann, wenn etwaige passive sonstige Einkünfte der polnischen Betriebsstätte die Bagatellgrenze von 10 v.H. der Bruttoerträge nicht überschreitet. Hierfür ist der Steuerpflichtige beweispflichtig.
Normenkette
AO 1977 §§ 8-9; DBA Polen Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. b; EStG § 1 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zunächst darüber, ob der Kläger im Streitjahr einen Wohnsitz in der BRD hatte und außerdem darüber, ob die Aktivitätsklausel im DBA Polen es rechtfertigt, Einkünfte aus einem polnischen Betrieb in der BRD zu versteuern.
Der Kläger betreibt im Inland einen Gewerbebetrieb, der den Vertrieb und den Export von Textilien zum Gegenstand hat. Außerdem betreibt er in Polen die Firma „M” in der Form eines Einzelunternehmens (Lohnveredelung/Handel mit Konfektionware). Der Kläger hatte diese Firma als alleiniger Inhaber im Jahr 1988 gegründet. Im Wesentlichen wird dort die Fertigung von Textilien für deutsche Auftraggeber betrieben. Ein weiteres Unternehmen in Polen wird vom Kläger in der Rechtsform einer beschränkt haftenden Gesellschaft betrieben. Mit der polnischen Firma „M” erwirtschaftete der Kläger für das Streitjahr einen Gewinn von umgerechnet 385.527 DM. Ausweislich der für diese Firma eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung betrugen die Handelsumsätze 5.516.290 Zloty. Außerdem waren Finanzerträge von 15.965.027 Zloty und sonstige Erträge von 425.768 Zloty ausgewiesen.
In der Einkommensteuererklärung für 1999 wurde ein gewerblicher Gewinn des Klägers von 143.996 DM aus dem inländischen Unternehmen erklärt, der wie in den Vorjahren durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt worden war. Der Gewinn aus dem polnischen Unternehmen wurde unter Hinweis auf das DBA Polen als steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkunft erklärt. Wegen der Höhe der Finanzerträge erfasste der Beklagte den Gewinn aus der Firma „M” unter Hinweis auf die Aktivitäts- bzw. Produktivitätsklausel im DBA Polen im vorliegend streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid 1999 vom 19. Oktober 2001 als steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, die Finanzerträge beruhten auf einem Sicherungsgeschäft, durch das dem Risiko vorgebeugt werden sollte, bei den Handelsumsätzen durch Kursschwankungen Verluste zu erleiden. Denn die in Polen anfallenden Betriebsausgaben seien in polnischer Währung zu bezahlen, während die Exportumsätze durch die deutschen Auftraggeber in DM bzw. EUR bezahlt würden. Das Sicherungsgeschäft sei daher als bloße Nebentätigkeit des produzierenden Handelsgewerbes in Polen zu werten. Der Kläger habe im August 1998 einen Kredit von über 2 Millionen DM aufgenommen (für die Zeit vom 11. August 1998 bis 10. August 2000, vgl. Kreditvertrag lt. RBSt-Akte), diesen Betrag gegen Zloty eingetauscht und mit diesem Kapital am 13. November 1998 Staatsanleihen des polnischen Staates erworben. Die Staatsanleihen seien für jeweils vier Wochen angelegt worden, so dass der Betrag im Laufe des Jahres mehrfach aus- und wieder eingezahlt worden sei. Die kurzfristige Anlage sollte es ermöglichen, bei Bedarf auf die ausgezahlten Gelder zur Bezahlung von Löhnen und anderer Betriebsausgaben zurückgreifen zu können. Der Kredit sei am 27. September 1999 in voller Höhe zurückgezahlt worden. Da in der Buchhaltung jede Ein- und Auszahlung des angelegten Kapitalbetrags als ein Name/Ausgabe erfasst worden sei, hätte sich der hohe Einnahmebetrag ergeben. Der tatsächliche Ertrag mit Zinsen habe jedoch lediglich 579.188 Zloty betragen und unterschreite damit die Grenze von 10% der Umsätze aus der aktiven Tätigkeit (5.516.290 Zloty).
Aus den im Einspruchsverfahren eingereichten Unterlagen ergab sich ferner, dass „das polnische Unternehmen” für die Zeit vom 5. Oktober 1999 bis zum 4. Oktober 2000 zum Zwecke des Ankaufs von Wertpapieren einen erneuten Kredit von 737.800 EUR aufgenommen ...