Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH für rückständige Ansprüche der GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Leitet der Geschäftsführer einer GmbH eine (aufgrund eines Eingabefehlers) offensichtlich fehlerhafte Steuererstattung an die Gesellschafter weiter, obwohl sich die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abzeichnet, rechtfertigt die Uneinbringlichkeit der 6 Monate später fällig gestellten Rückforderung seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner aufgrund eines vorsätzlichen Pflichtverstoßes.
  2. Die Haftung für die infolge der Pflichtverletzung verwirkten Säumniszuschläge beschränkt sich auf die diejenigen Beträge, die bis zum Zeitpunkt der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners verwirkt sind. Im Übrigen besteht ein – auch dem Haftungsschuldner zugute kommender – Anspruch auf Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen.
 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, §§ 69, 191 Abs. 1; GmbHG § 43 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2002, 2003, 2004

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.03.2008; Aktenzeichen VII B 214/06)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Inanspruchnahme aufgrund eines Haftungsbescheids.

Der Kläger war Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der „"E-GmbH"” (ehemals „"I-GmbH"”), „F-Straße 1, XXXXX „S-Stadt”. Die Gesellschaft wurde am 04.07.2001 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags „das Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die Verwaltung von eigenem Vermögen und die Beratung von anderen Unternehmen”. Das Stammkapital betrug 30.000,00 EUR. Gesellschafter waren neben dem Kläger der Rechtsanwalt Dr. „G”, „Y-Straße 2, XXXXY S-Stadt” und der Rechtsanwalt „L”, „B-Straße 3, XXXXZ S-Stadt”. Die Gesellschafter übten ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte gemeinschaftlich in der Rechtsanwaltssozietät Dres. „G” & „I”, „F-Straße 1, XXXXX „S-Stadt” aus. Der Mitgesellschafter „L” schied im Juli 2002 aus der Gesellschaft aus.

Das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft lief vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres. Im ersten Geschäftsjahr ihrer Tätigkeit erwirtschaftete die Gesellschaft einen Gewinn von 137.544,46 EUR. Dieser wurde in der Bilanz zum 30.06.2002 vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt. Die Bilanz auf den 30.06.2003 wies einen Fehlbetrag in Höhe von ./. 156.614,38 EUR auf. Über sonstiges, werthaltiges Vermögen verfügte die Gesellschaft nicht.

Vom 10.12.2002 bis zum 12.12.2002 führte der Beklagte – das Finanzamt „S-Stadt” – bei der GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung durch (PrüfLNr. XXX/02). Im Rahmen dieser Betriebsprüfung wurde ein Mehrumsatz in Höhe von 38.500,00 EUR festgestellt, so dass sich die Gesamtumsätze der Gesellschaft im III. Quartal 2002 statt auf 200.000,00 EUR auf 238.500,00 EUR beliefen (vgl. Tz. 14 des Prüfungsberichts). Das Mehrergebnis betrug 6.160,00 EUR. Die Umsatzsteuersonderprüfung wurde vom Kläger als Geschäftsführer der Gesellschaft begleitet. Noch vor Auswertung des Berichts wurde dieser dem Kläger zur Stellungnahme zugeleitet.

Anlässlich der Auswertung des Berichts kam es beim Beklagten bei der Erstellung des geänderten Vorauszahlungsbescheids für das III. Quartal 2002 vom 30.01.2003 zu einem Eingabefehler. Statt des Umsatzes in Höhe von 238.500,00 EUR wurde dieser Betrag als „Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) und aus innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (§ 25b Abs. 5 UStG)” eingegeben. Dies führte zu einer Erstattung zugunsten der Gesellschaft in Höhe von 210.247,56 EUR. Aufgrund des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids vom 30.01.2003 wurde der Gesellschaft der ausgewiesene Betrag am 05.02.2003 auf deren Konto „111” bei der „E-Bank” erstattet. In Kenntnis, dass diese Erstattung zu Unrecht erfolgte, veranlasste der Kläger zwei Tage später am 07.02.2003 die sofortige Umbuchung des Gesamtbetrags auf das Konto „222” der GmbH bei der „W-Bank”. Am 10.02.2003 sind dann auf telefonischen Auftrag des Klägers drei Überweisungen über 160.000,00 EUR, 20.000,00 EUR und 30.000,00 EUR getätigt worden. Der Mitgesellschafter des Klägers tätigte am 11.02.2003 eine Bareinzahlung über 20.000,00 EUR und überwies anschließend den Betrag von 27.237,03 EUR an die „C-Bank” für den Erwerb eines Kraftfahrzeugs. Die Überweisung über 160.000,00 EUR wurde zunächst storniert. Der Betrag wurde dann jedoch unter dem Wertstellungsdatum 10.02.2003 in drei Teilbeträgen von 35.469,94 EUR, 10.796,26 EUR sowie 113.733,80 EUR an die Gesellschafter überwiesen. Der Zahlungseingang vom 05.02.2003 ist in der auf den 30.06.2003 aufgestellten Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht enthalten. Die Bilanz auf den 30.06.2003 weist einen Verlust in Höhe von./. 159.764, 61 EUR aus.

Im Juni 2003 bemerkte der Beklagte den Erfassungsfehler. Am 23.06.2003 erließ er einen nach § 129 AbgabenordnungAO – geänderten Vorauszahlungsbescheid für das III. Quartal 2002, was zur Rückforderung des zu Unrecht erstatteten Betrags führte. Neun Tage nach Zugang ...

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