Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollbefreiungen, nichtkommerzieller Charakter einer Wareneinfuhr, Einfuhrbefreiung, Einfuhrmenge als Abgrenzungskriterium
Leitsatz (amtlich)
1. Ein nationales Gericht, gegen dessen Entscheidungen unter Voraussetzungen, wie sie für die Entscheidungen des vorlegenden Gerichts gelten, Rechtsmittel beim obersten Gericht eingelegt werden können, unterliegt nicht der Verpflichtung des Artikels 234 Absatz 3 EG.
2. Die Prüfung der Frage, ob eine Wareneinfuhr im Sinne von Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 355/94 des Rates vom 14. Februar 1994 geänderten Fassung nichtkommerziellen Charakter hat, ist in jedem Einzelfall auf der Grundlage einer Gesamtbeurteilung der Umstände unter Berücksichtigung der Menge und der Art der Einfuhr sowie der Häufigkeit von Einfuhren der gleichen Waren durch den betreffenden Reisenden, aber gegebenenfalls auch seiner Lebensweise und seiner Gewohnheiten oder seines familiären Umfelds vorzunehmen.
3. Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 in der durch die Verordnung Nr. 355/94 geänderten Fassung steht nationalen Verwaltungsvorschriften oder -praktiken entgegen, mit denen verbindlich mengenmäßige Grenzen für die Zollbefreiung festgesetzt werden oder die zur Folge haben können, dass aufgrund der Menge der eingeführten Waren eine unwiderlegbare Vermutung für den kommerziellen Charakter der Einfuhr begründet wird.
Normenkette
EGVtr Art. 234 Abs. 3; EWGV 918/83 Art. 45 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Verfahrensgang
Hovrätten för Västra Sverige (Schweden) |
Tatbestand
Vorabentscheidungsfragen - Vorlagepflicht - Begriff des Gerichts, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können - Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 - Gemeinschaftliches System der Zollbefreiungen
In der Rechtssache C-99/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hovrätt för Västra Sverige (Schweden) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen
Kenny Roland Lyckeskog
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 234 Absatz 3 EG und des Artikels 45 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 des Rates vom 14. Februar 1994 (ABl. L 46, S. 5)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric und des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), M. Wathelet, V. Skouris, J. N. Cunha Rodrigues und A. Rosas,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: R. Grass
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der schwedischen Regierung, vertreten durch L. Nordling als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hoskins, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Februar 2002,
folgendes
Urteil
1. Das Hovrätt för Västra Sverige hat mit Beschluss vom 10. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 16. März 2000, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung des Artikels 234 Absatz 3 EG und des Artikels 45 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) in der durch dieVerordnung (EG) Nr. 355/94 des Rates vom 14. Februar 1994 (ABl. L 46, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 918/83) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Verfahrens wegen versuchten Warenschmuggels gegen Herrn Lyckeskog, der versucht hatte, 500 kg Reis aus Norwegen nach Schweden einzuführen, ohne diese Einfuhr anzumelden.
Gemeinschaftsvorschriften
3. Zu den Pflichten des vorlegenden Gerichts bestimmt Artikel 234 Absatz 3 EG:
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet.
4. Die auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften sind folgende Artikel 45 bis 47 der Verordnung Nr. 918/83:
Artikel 45
(1) Von den Eingangsabgaben befreit sind vorbehaltlich der Artikel 46 bis 49 die aus einem Drittland eingeführten Waren im persönli...