Leitsatz (amtlich)

Erzeuger, deren Milcherzeugung 1983 von außergewöhnlichen Ereignissen nachhaltig betroffen war und die deswegen die Berücksichtigung der Erzeugung 1981 beantragt haben, haben einen Rechtsanspruch auf Festsetzung einer Referenzmenge (Milchquote) auf der Basis der Erzeugung 1981 zuzüglich 1 %.

 

Normenkette

EWGV 857/84 Art. 2, 3 Nr. 3; MilchGarMV §§ 4, 6, 9 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Milcherzeuger. An das Milchwerk N (im folgenden: Molkerei) lieferte er 1981: 171 905 kg, 1982: 161 067 kg und 1983: 158 810 kg Milch. Nach § 4 der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) berechnete die Molkerei für den Kläger im Mai 1984 eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 153 700 kg; dabei ging sie von der Anlieferungsmenge 1983 aus. Mit Bescheid vom 17.Oktober 1984 bescheinigte das Landwirtschaftsamt dem Kläger, daß die Milcherzeugung in seinem Betrieb nachhaltig durch einen Teilverlust des Milchviehbestandes in Folge von sonstigen Schadensfällen betroffen worden sei; es könne daher nach Art.3 Nr.3 der Verordnung (EWG) Nr.857/84 (VO Nr.857/84) des Rates vom 31.März 1984 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 90/13) die Anlieferungsmenge des Klägers des Jahres 1981 berücksichtigt werden. Dementsprechend berechnete die Molkerei die Referenzmenge des Klägers neu (Schreiben vom 25.Oktober 1984); ausgehend von der Anlieferung 1981 nahm sie einen Basisabzug von 4 % (vgl. § 4 Abs.2 Satz 1 MGVO) sowie einen Zusatzabzug von 1,1 % (vgl. § 4 Abs.2 Satz 3 MGVO) vor und setzte dementsprechend die Referenzmenge (aufgerundet) auf 163 200 kg fest.

Mit Schreiben vom 7.November 1984 an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) beantragte der Kläger die Neufestsetzung der Referenzmenge nach § 10 Abs.3 MGVO auf 173 624 kg. Durch Einspruchsentscheidung vom 28.März 1985 wies das HZA den --als Einspruch gedeuteten-- Antrag des Klägers als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage beantragte der Kläger, das HZA unter Aufhebung der Referenzmengenfeststellung des HZA und der Einspruchsentscheidung zu verurteilen, die Referenzmenge für ihn auf 173 624 kg festzusetzen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Referenzmengen-Feststellung des HZA in der Fassung der Einspruchsentscheidung sowie zur Verpflichtung des HZA, die Anlieferungs-Referenzmenge für den Kläger auf 173 624 kg festzusetzen.

I. Gegenstand des Verfahrens ist eine Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Anfechtungsklage betrifft den Referenzmengen-Feststellungsbescheid des HZA, der in der stillschweigenden Entgegennahme der Mitteilung der Molkerei über die Referenzmengenberechnung laut Schreiben vom 25.Oktober 1984 liegt (vgl. Beschluß des Senats vom 25.März 1986 VII B 164-165/85, BFHE 146, 188), dieser Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28.März 1985. Bei dieser Rechtslage ist der Antrag des Klägers dahin zu verstehen, daß er neben der Aufhebung der Vorentscheidung die Aufhebung des genannten Feststellungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung und die Verpflichtung des HZA begehrt, einen Feststellungsbescheid zu erlassen, in dem die Referenzmenge auf 173 624 kg festgestellt wird.

II. Der angefochtene Feststellungsbescheid verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Referenzmenge hätte auf der Basis der Anlieferungsmenge 1981 zuzüglich 1 % festgesetzt werden müssen.

1. Nach Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 können Erzeuger, deren Milcherzeugung in dem nach Art.2 gewählten Referenzjahr von außergewöhnlichen Ereignissen nachhaltig betroffen wurde, die vor oder während des betreffenden Jahres eingetreten sind, auf Antrag erwirken, daß ein anderes Referenzjahr innerhalb des Zeitraums 1981 bis 1983 berücksichtigt wird. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger gestellt. Den nach § 9 Abs.2 Nr.1 MGVO erforderlichen Nachweis hat er durch Vorlage der Bescheinigung des Landwirtschaftsamtes vom 17.Oktober 1984 geführt. Er hat daher nach unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht Anspruch darauf, daß für ihn seine Milcherzeugung des Jahres 1981 "berücksichtigt wird".

Das Gemeinschaftsrecht überläßt es den Mitgliedstaaten, im einzelnen zu regeln, wie die "Berücksichtigung" i.S. des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 erfolgen soll. Art.2 VO Nr.857/84 (im folgenden in der ursprünglich geltenden Fassung zitiert) enthält eine solche Regelung nicht. Dort ist lediglich der Grundsatz festgelegt, daß die in Art.5c Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.804/68 (VO Nr.804/68) des Rates vom 27.Juni 1968 (ABlEG L 148/13) genannte Referenzmenge der Menge entspricht, die vom Erzeuger im Kalenderjahr 1981 geliefert wurde, zuzüglich 1 % (Absatz 1), daß aber die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, statt dessen die Milcherzeugung 1982 oder 1983 unter Anwendung eines Prozentsatzes zugrunde zu legen, der so festgesetzt wird, daß die in Art.5c VO Nr.804/68 definierte Garantiemenge nicht überschritten wird (Absatz 2). Dieser Regelung können unmittelbar keine Einzelheiten über die Art und Weise der Referenzmengen-Feststellung in Härtefällen wie dem des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 entnommen werden. Diese Auffassung wird bestätigt durch den relativ weiten Entscheidungsspielraum, den Art.2 Abs.2 VO Nr.857/84 den Mitgliedstaaten einräumt; bei Wahl der Jahre 1982 bis 1983 ist den Mitgliedstaaten die Festsetzung der Höhe des Korrekturprozentsatzes ganz überlassen worden. Im Rahmen der Grundsatzregelung des Art.2 Abs.1 VO Nr.857/84 ist zwar der insoweit geltende Korrekturprozentsatz ursprünglich genau festgelegt worden (1 %), später aber den Mitgliedstaaten auch insoweit eine Entscheidungsfreiheit eingeräumt worden (vgl. Art.2 VO Nr.857/84 in der gegenwärtig geltenden Fassung). Wenn das Gemeinschaftsrecht schon den Mitgliedstaaten bei der Gestaltung der grundsätzlichen Regelung einen weiten Freiraum gelassen hat, muß dies erst recht für den in Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 geregelten Härtefall gelten. Andernfalls hätte sich auch der gemeinschaftliche Verordnungsgeber nicht damit begnügt, den relativ farblosen Ausdruck "berücksichtigt" zu verwenden.

2. Der deutsche Verordnungsgeber hat es unterlassen, eine entsprechende ausfüllende Regelung zu treffen. Die grundsätzliche Regelung für die Berechnung der Referenzmenge für Erzeuger, die Milch an Käufer geliefert haben, in § 4 MGVO gilt "unbeschadet" u.a. des § 6 MGVO. Nach § 6 Abs.1 Satz 1 MGVO kann der Milcherzeuger u.a. in den Fällen, die in der gemeinschaftsrechtlichen Garantiemengenregelung bestimmt sind, eine abweichende Referenzmenge geltend machen. Wie aber im Fall der "besonderen Situation" des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 diese Referenzmenge zu berechnen ist, läßt die MGVO nicht erkennen. Auch Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 führt, wie ausgeführt, nicht weiter, weil diese Vorschrift sich auf die Anordnung beschränkt, daß in diesem Fall die Erzeugung des entsprechenden Jahres zu "berücksichtigen" ist.

Die Anwendung des § 4 Abs.2 MGVO in der Weise, wie sie das FG in Übereinstimmung mit dem HZA für richtig gehalten hat, ist nicht möglich. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet schon deswegen aus, weil sie nach ihrem Wortlaut nur gilt, wenn 1983 als Referenzjahr zugrunde gelegt wird. Eine entsprechende Anwendung kommt aber ebenfalls nicht in Betracht. Sie würde zu einem nicht sinnvollen Ergebnis führen.

Art.2 VO Nr.857/84 stellt den Mitgliedstaaten frei, die Milcherzeugung 1981 zuzüglich 1 % oder die Milcherzeugung 1982 oder 1983 "unter Anwendung eines Prozentsatzes, mit dem das gleiche Ergebnis erreicht werden kann, zugrunde zu legen" (vgl. Absatz 2 der Erwägungsgründe der VO Nr.857/84). Beide zur Disposition der Mitgliedstaaten gestellten Regelungen führen also nach Auffassung des Gemeinschaftsgesetzgebers zum (ungefähr) gleichen Ergebnis. Das bedeutet im Hinblick auf die in den Jahren 1981 bis 1983 jeweils gestiegene gemeinschaftliche Milcherzeugung, daß die Erzeugung 1981 plus 1 % mengenmäßig ungefähr z.B. der Erzeugung 1983 abzüglich eines Prozentsatzes entspricht, der in seiner Höhe durch die in Art.5c VO Nr.804/68 definierte Garantiemenge begrenzt ist. Gäbe es keine solche Entsprechung, so begegnete die alternative Regelung des Art.2 VO Nr.857/84 unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch Bedenken.

Es kann also davon ausgegangen werden, daß die Regelung des § 4 Abs.2 MGVO (Referenzmenge = Milcherzeugung 1983 abzüglich bestimmter Beträge) in etwa zu gleichen Referenzmengen führt, wie wenn die Milcherzeugung 1981 zuzüglich 1 % zugrunde gelegt worden wäre. Es ist daher systemwidrig, im Fall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84, in dem als Referenzjahr das Jahr 1981 zu berücksichtigen ist, die Milcherzeugung dieses Jahres, wie es das HZA für richtig hält, den Abzügen zu unterwerfen, die nach § 4 Abs.2 MGVO für die Milcherzeugung 1983 vorgesehen sind. Ist 1981 das Basisjahr, dann muß auch berücksichtigt werden, daß in diesem Jahr insgesamt wesentlich weniger erzeugt worden ist als 1983, daß es also nicht gerechtfertigt ist, den ausnahmsweise auf dieses Basisjahr verwiesenen Erzeuger mit den für 1983 vorgesehenen Abzügen zu belasten. Der Milcherzeuger, der vom Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 betroffen ist, soll bei der Feststellung der Referenzmenge so gestellt werden, als ob der Härtefall nicht eingetreten wäre. Wäre das der Fall gewesen, so hätte er --ebenso wie durchschnittlich gesehen alle anderen Milcherzeuger in der Gemeinschaft-- 1983 so viel mehr Milch erzeugen können als 1981, daß er auch bei Anwendung der für 1983 bestimmten Abzugsbeträge so stünde, wie wenn die Referenzmenge unter Berücksichtigung der Milchproduktion des Jahres 1981 zuzüglich 1 % festgestellt worden wäre.

3. Der Umstand, daß eine --auch nur entsprechende-- Anwendung des § 4 Abs.2 MGVO ausscheidet, somit eine Rechtsnorm zur Ausfüllung der Referenzmengen-Feststellung im Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 fehlt, kann nicht zur Rechtlosigkeit des Klägers führen. Der Senat hat vielmehr die Aufgabe und die Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung" (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14.Februar 1973 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 287; vom 12.März 1985 1 BvR 571/81, 494/82 und 47/83, BVerfGE 69, 188, 203). Die für die Anwendung im vorliegenden Fall erst zu erarbeitende Rechtsnorm läßt sich unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und der Interessen der Beteiligten insbesondere aus der Regelung des Art.2 Abs.1 VO Nr.857/84 ableiten.

a) Es ist, wie sich aus den Ausführungen unter Buchst.b ergibt, grundsätzlich von einer Gleichwertigkeit der beiden Regelungen auszugehen, die nach Art.2 VO Nr.857/84 zur Disposition der nationalen Gesetzgeber stehen. Eine Referenzmenge aufgrund der Erzeugung des Jahres 1981 zuzüglich 1 % ist also im großen und ganzen gleichwertig einer Referenzmenge aufgrund der Erzeugung von 1983 abzüglich dem Prozentsatz, der erforderlich ist, damit die Garantiemenge nach Art.5c Abs.3 VO Nr.804/68 nicht überschritten wird. Da wegen des Härtefalls i.S. des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 als Referenzjahr nur 1981 in Betracht kommt, ist es richtig, die Referenzmenge des Klägers also auf der Basis seiner Milchanlieferung von 1981 zuzüglich 1 % zu berechnen. Das ergibt eine Referenzmenge von 173 624 kg.

b) Dem Milcherzeuger soll beim Vorliegen eines Härtefalls i.S. des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 zwar ein Ausgleich für die Ereignisse gewährt werden, die ihn im Bezugsjahr 1983 nachteilig betroffen haben. Er soll aber nicht besser gestellt werden, als der normale Milcherzeuger, der im Einklang mit Gemeinschaftsrecht der Regelung des § 4 MGVO unterworfen ist. Er darf daher von den Abzügen des § 4 Abs.2 MGVO nicht ausgenommen werden, die nicht in erster Linie dem Zweck dienen, diese Regelung (Referenzjahr 1983) der Regelung des Art.2 Abs.1 VO Nr.857/84 (Referenzjahr 1981) gleichzustellen, und die der Verordnungsgeber, hätte er den Fall bedacht, voraussichtlich auch für den Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 vorgesehen hätte. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich jedoch, daß alle Kürzungssätze des § 4 Abs.2 MGVO außer Betracht bleiben müssen.

aa) Daß der Basisabzug des § 4 Abs.2 Satz 1 MGVO nicht anwendbar ist, ergibt sich aus den Ausführungen unter Buchst.a.

bb) Auch der "Steigerungsabzug" des § 4 Abs.2 Satz 2 MGVO hat außer Betracht zu bleiben. Danach erhöht sich der Basisabzug von 4 % nach einer bestimmten Formel, falls die Anlieferungsmenge 1983 höher war als die des Jahres 1981. Die Anwendung dieser Regelung auf einen Fall wie den des Klägers scheidet nicht deswegen von vornherein aus, weil der Kläger 1983 weniger als 1981 erzeugt hat. Denkbar wäre es vielmehr, unter Berücksichtigung des globalen Steigerungssatzes sämtlicher Milcherzeuger in der Bundesrepublik von 1981 bis 1983 (1981: 24 857 000 t, 1983: 26 913 000 t, Steigerungssatz 8,2 %; Quelle: Statistische Jahrbücher 1982 und 1984) theoretisch die Milchmenge zu errechnen, die der Kläger unter normalen Umständen (d.h. ohne den Härtefall) 1983 erreicht hätte (im vorliegenden Fall 186 001 kg), was einen Steigerungsabzug von 2,7 Prozentpunkten ergeben würde. Ein solches Vorgehen scheidet aber deswegen aus, weil die Erhöhung des Steigerungsabzugs nach § 4 Abs.2 Satz 2 MGVO im wesentlichen mit dem Basisabzug des § 4 Abs.2 Satz 1 MGVO zusammenhängt. Bei der erheblichen Steigerung der Gesamtmilcherzeugung in der Bundesrepublik von 1981 bis 1983 um 8,2 % war nämlich mit dem Basisabzug von 4 % allein die angestrebte Menge nicht zu erreichen.

cc) Am ehesten wäre es vertretbar, den "Zusatzabzug" des § 4 Abs.2 Satz 3 MGVO auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden. Dieser Zusatzabzug enthält eine Betriebsgrößenkomponente, die sicherstellen soll, daß Betriebe mit geringerer Erzeugung einem relativ geringeren Kürzungssatz unterworfen werden als größere Betriebe. Vom gedanklichen Ansatz her besteht kein Anlaß, den Milcherzeuger, der vom Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 betroffen ist, von dieser strukturpolitischen Regelung auszunehmen, die mit diesem Härtefall in keinem Zusammenhang steht.

Der Senat ist aber der Auffassung, daß die Berücksichtigung des Zusatzabzugs des § 4 Abs.2 Satz 3 MGVO bei der Feststellung der Referenzmenge im Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 den Rahmen richterlicher Rechtsfindung sprengen würde. Es kann schon nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Verordnungsgeber, hätte er den Fall bedacht, die Regelung des § 4 Abs.2 Satz 3 MGVO auf die --wohl ohnehin seltenen-- Härtefälle ausgedehnt hätte. Überdies ist der Zusatzabzug detailliert auf die Verhältnisse des Jahres 1983 abgestellt, so daß zweifelhaft ist, ob seine Übertragung auf das Referenzjahr 1981 ohne Änderung möglich ist. Unter diesen Umständen könnte allenfalls der Verordnungsgeber eine entsprechende Regelung für Härtefälle der vorliegenden Art treffen. Das Fehlen einer solchen Regelung darf sich nicht zu Lasten des Klägers auswirken.

4. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht mittelbar, daß, wie das HZA vorträgt, in der Bundesrepublik für Direktverkäufer die Referenzmenge auf der Basis des Jahres 1981 zuzüglich 1 % berechnet wird, da die MGVO insoweit keine Regelung enthält, also unmittelbar die Grundsatzregelung des Art.2 Abs.1 VO Nr.857/84 gilt. Diese Behandlung von Direktverkäufern in der Bundesrepublik belegt die grundsätzliche Vergleichbarkeit dieser Regelung mit der Regelung des § 4 Abs.2 MGVO; andererseits ergäben sich auch Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes. Direktverkäufer unterliegen auch nicht der Kürzung des § 4 Abs.2 Satz 3 MGVO.

Nach den obigen Ausführungen wird bei der Referenzmengen-Feststellung für einen Härtefall nach Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 nicht nur die gegenüber 1983 höhere Anlieferung des Jahres 1981 berücksichtigt, sondern der Betroffene hat auch noch den zusätzlichen Vorteil, daß diese Menge um 1 % erhöht und nicht, wie in § 4 Abs.2 Sätze 1 und 2 MGVO vorgesehen, gekürzt wird. Das FG hält dies jedoch zu Unrecht für ungereimt. Es besteht bei der Zugrundelegung von 1981 als Referenzjahr deswegen kein Anlaß, die genannten Kürzungssätze anzuwenden, weil diese ihren Grund in der global eingetretenen Mehrproduktion in den Folgejahren haben. Ohne den Härtefall hätte auch der Kläger voraussichtlich 1983 mehr produziert als 1981.

Richtig ist der Hinweis des FG, daß bei Zugrundelegung der Auffassung des Senats für den Fall, daß ein von einem Härtefall des Art.3 Nr.3 VO Nr.857/84 betroffener Milcherzeuger 1982 als Referenzjahr gewählt haben sollte, überhaupt keine Vorschriften für die Berechnung der Referenzmenge vorliegen. Das FG hat aber verkannt, daß das für das Referenzjahr 1981 nicht wesentlich anders ist (wenn auch hier die Grundsatzregelung des Art.2 Abs.1 VO Nr.857/84 weiterhilft). Überdies darf das Fehlen einschlägiger Regelungen nicht zu Nachteilen für den Kläger führen.

5. Diese Rechtslage hat das HZA in den angefochtenen Bescheiden verkannt. Diese waren daher aufzuheben. Entsprechend dem Antrag des Klägers war das HZA zu verpflichten, einen neuen Feststellungsbescheid zu erlassen, in dem für den Kläger eine Anlieferungs-Referenzmenge von 173 624 kg festgestellt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61587

BFHE 148, 564

BFHE 1987, 564

HFR 1987, 362-363 (ST)

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