Leitsatz (amtlich)

1. Die Grenze zwischen den Zuschlägen nach § 7 VOL und § 9 Abs. 2 VOL ist fließend. Schwanken an sich regelmäßig erzielte Einnahmen erheblich der Höhe nach, so ist es nicht zu beanstanden, daß ein Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL für jedes einzelne Jahr gemacht wird.

2. Sollen wegen der außergewöhnlichen Höhe von Einnahmen nach § 9 Abs. 2 VOL Zuschläge gemacht werden, so ist wegen jedes einzelnen Vorfalls zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Zuschlag gegeben sind.

 

Normenkette

VOL §§ 7, 9 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Revisonsbeklagten (Steuerpflichtigen) betreiben gemeinschaftlich eine Landwirtschaft. Sie ziehen insbesonders Zuchtbullen und Zuchtrinder auf und verkaufen sie. Da die Steuerpflichtigen im Streitjahr 1963 keine Bücher führten, obschon sie dazu verpflichtet waren, schätzte das FA nach § 217 AO den Gewinn in Anlehnung an die Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL). Dabei machte es wegen der Zuchtviehverkäufe Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL. Es vertrat die Auffassung, daß jedes Veräußerungsgeschäft für sich betrachtet werden müsse. Werde mehr als die Normaleinnahme erzielt, so sei das durch einen Zuschlag zu berücksichtigen. Werde weniger als die Normaleinnahme erzielt, so liege dies im Rahmen des Systems der VOL, die Normalerträge unterstelle und dabei in der Regel (abgesehen von § 9 Abs. 2 VOL) Abweichungen nach unten und oben nicht berücksichtige. Dementsprechend ließ das FA alle diejenigen Verkäufe außer Betracht, bei denen der Verkaufserlös für das einzelne Tier die Normaleinnahme nicht erreicht oder nicht überschritten hatte. Es erfaßte für die Zuschlagsberechnung für das Wirtschaftsjahr 1962/63 nur zwei Verkäufe von Zuchtbullen, bei denen die Steuerpflichtigen 5 000 DM und 3 100 DM erzielt hatten. Nach Abzug erhöhter Verkaufskosten von 150 DM und der Normaleinnahme von 2x 2 500 DM (Normaleinnahme für Zuchtbullen) ergab sich danach ein Zuschlag für das Wirtschaftsjahr 1962/63 in Höhe von 2 950 DM, wovon das FA die Hälfte der Gewinnfeststellung 1963 zugrunde legte. Bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1963/64 erfaßte das FA von insgesamt 9 Verkäufen ebenfalls nur zwei Zuchttierverkäufe und setzte den in gleicher Weise wie für das Wirtschaftsjahr 1962/63 errechneten Zuschlag auf 17 569 DM fest.

Die Sprungberufung führte zur Abänderung des Feststellungsbescheids i. S. der Auffassung der Steuerpflichtigen. Das FG führte aus, auszugehen sei davon, daß nach dem System der VOL der Grundbetrag nach § 2 VOL den fiktiven, im Jahresdurchschnitt erzielbaren Reinertrag des Betriebes darstelle, auf den bestimmte Zuschläge zu machen seien. Während § 7 VOL die nachhaltigen, auf die Dauer erzielbaren Betriebseinnahmen durch einen Zuschlag erfasse, setze § 9 Abs. 2 VOL voraus, daß der Betrieb einen Mehrgewinn von mindestens 300 DM erzielt habe, der auf im Einheitswert des Betriebes nicht oder nicht ausreichend berücksichtigten, nicht nachhaltigen Betriebseinnahmen beruhe. Hier sei die Zuchttierhaltung bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigt worden. § 7 VOL könne nicht angewendet werden, weil die Einnahmen aus Zuchttierverkäufen in den Wirtschaftsjahren ab 1959/60 in ihrer Höhe so wesentlich geschwankt hätten (zwischen rd. 12 000 und 31 000 DM), daß sie nicht als nachhaltig angesehen werden könnten. Nach dem Urteil des BFH IV 552, 556/54 S vom 20. Februar 1958 (BFH 66, 341, BStBl III 1958, 131), dem sich der Senat anschließe, errechneten sich die Zuschläge nach einer Überschußrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG. Das bedeute, daß sämtliche Sondereinnahmen den Normaleinnahmen gegenüberzustellen und dabei etwaige besondere Aufwendungen anläßlich der Verkäufe sowie erhöhte Aufzuchtkosten zu berücksichtigen seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit der Revision. Es hält weiterhin die von ihm gewählte Berechnung für richtig und trägt vor, nach § 9 Abs. 2 VOL sollten nur Betriebseinnahmen erfaßt werden, die nicht mehr zum Durchschnittsgewinn gehörten. Das habe zur Folge, daß Einnahmen, die die Grenze der Normaleinnahmen nicht überschritten und sich damit im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung hielten, bei der Zuschlagsberechnung unberücksichtigt bleiben müßten. Nach dem System der VOL sei es nicht möglich, Mindereinnahmen mit außergewöhnlichen Mehreinnahmen, die zu einem Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL berechtigten, zu verrechnen. Nur der Gewinn aus der Mehreinnahme selbst sei nach Grundsätzen der Einnahmeüberschußrechnung zu errechnen. Die vom FG vorgenommene Saldierung führe hingegen zu einer unzulässigen Gewinnminderung.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist im wesentlichen begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

1. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen, daß hier kein Zuschlag nach § 7 VOL, sondern ein solcher nach § 9 Abs. 2 VOL zu machen ist.

Bedenken bestehen allerdings insoweit, als der Betrieb der Steuerpflichtigen den typischen Charakter eines Sonderbetriebs hat, der in der Regel durch einen Zuschlag nach § 7 VOL zu berücksichtigen sein wird. Der Unterschied zwischen beiden Vorschriften liegt darin, daß sich § 7 VOL nur auf solche außergewöhnlichen Betriebseinnahmen bezieht, die nachhaltig erzielt werden, während § 9 Abs. 2 VOL außergewöhnliche Einnahmen betrifft, die nur gelegentlich oder unregelmäßig anfallen, wobei das Außergewöhnliche dieser Einnahmen darin liegen kann, daß sie ihrer Art oder aber ihrer Höhe nach nur gelegentlich anfallen. Es ist also durchaus denkbar, daß auch innerhalb eines bereits durch einen nach § 7 VOL erfaßten Bereichs wiederum Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL gemacht werden können, und zwar sowohl wegen der außergewöhnlichen Art als auch wegen der außergewöhnlichen Höhe der Einnahmen, wobei allerdings, wie der erkennende Senat in dem unveröffentlichten Urteil IV 474/53 vom 29. Juli 1954 angenommen hat, nicht die Zuschläge auf denselben Tatbestand gestützt werden dürfen, der zu dem Zuschlag nach § 7 VOL geführt hat.

In § 7 VOL ist ausdrücklich gesagt, daß für nachhaltige Betriebseinnahmen, die nach Art oder Höhe bei Feststellung des Einheitswerts nicht oder nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, Zuschläge zu machen sind. Diese Voraussetzung, nämlich die Nichtberücksichtigung oder zu geringe Berücksichtigung beim Einheitswert, gilt dem Sinn und Zweck der VOL-Besteuerung gemäß auch hinsichtlich der Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL, wenn das auch nicht ausdrücklich dort bestimmt ist (BFH-Urteil IV 552, 556/54 S, a. a. O.).

Beiden Zuschlagsvorschriften ist ferner gemeinsam, daß Zuschläge nur gemacht werden dürfen, wenn die aus den besonderen Umständen erwachsenen Gewinne mindestens 300 DM jährlich betragen. Daß es sich dabei um die Nettoeinnahmen, das heißt den Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben für die fraglichen Geschäfte handeln muß, ist zwar nur in § 9 Abs. 2 VOL ausdrücklich gesagt, doch ist bei sinnvoller Auslegung auch für § 7 VOL, der an sich von "Einnahmen" spricht, hiervon auszugehen (BFH-Urteil IV 299/61 U vom 16. Dezember 1965, BFH 84, 530, BStBl III 1966, 193).

Schwierigkeiten ergeben sich bei der Auslegung des Wortes "nachhaltig" und damit der Abgrenzung des § 7 von § 9 Abs. 2 VOL im Einzelfall. In dem BFH-Urteil IV 321/59 U vom 16. Mai 1963 (BFH 77, 223, BStBl III 1963, 401) ist ausgeführt, es müsse sich bei nachhaltigen Einnahmen um solche handeln, "die etwa jährlich in gleicher Höhe wiederkehren"; bei wesentlich schwankenden Einnahmen komme daher nur ein Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL in Betracht. Diese letztere Ansicht hat auch in dem Urteil des I. Senats des BFH I 52/60 U vom 13. März 1962 (BFH 75, 220, BStBl III 1962, 348) ihren Niederschlag gefunden. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Grenzen zwischen den Zuschlägen nach § 7 und § 9 Abs. 2 VOL fließend sind, daß weitgehend auf die einfache Handhabung der Besteuerung Gewicht zu legen ist und deshalb bei starken Schwankungen die Festsetzung eines Zuschlags nach § 7 VOL unterbleiben kann und sofort Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL gemacht werden können, zumal da sich das Ergebnis kaum verändern dürfte. Das FG hat hier mit Recht angenommen, daß die Erträge stark schwanken, so daß ein Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL sinnvoll erscheint.

2. Es kommt mithin auf die Frage an, ob bei der Berechnung der Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL jeder einzelne Vorfall oder ob alle Vorfälle gemeinsam zu betrachten sind.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß bei einem Zuschlag nach § 7 VOL der Natur der Sache nach alle Vorfälle zusammen betrachtet werden müssen. Das ergibt sich schon daraus, daß es in § 7 VOL ausdrücklich heißt, die aus der Besonderheit des Betriebs fließenden Einnahmen müßten "insgesamt" 300 DM oder mehr betragen, und aus dem Umstand, daß die Zuschläge pauschaliert für mehrere Jahre festgesetzt werden. Bei § 9 Abs. 2 VOL ist die Ausgangssituation insofern anders, als das den Zuschlag auslösende Moment nicht - wie bei § 7 VOL - eine außergewöhnliche Betriebsform, sondern ein außergewöhnlicher Vorfall (Einnahmen ungewöhnlicher Art oder in ungewöhnlicher Höhe) ist, so daß es nahe liegt, jeden einzelnen Vorfall für sich zu betrachten (vgl. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 2. Aufl., S. 528).

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem für den Fall gefolgt werden könnte, daß der Grund für den Zuschlag in der ungewöhnlichen Art der Einnahmen (Fuhrleistungen und ähnliches) liegt, oder ob man hier nicht bei einer nicht nur vereinzelten, sondern wiederholten Tätigkeit, die aber noch nicht als nachhaltige Tätigkeit im oben wiedergegebenen Sinne angesehen und daher nicht nach § 7 VOL erfaßt werden kann, die Tätigkeit als Ganzes betrachten muß, weil sie wesentliche Züge der in § 7 VOL angesprochenen Tätigkeit trägt (so im Ergebnis das BFH-Urteil I 52/60 U). Jedenfalls hält der Senat die Einzelbetrachtung für den weiteren in § 9 Abs. 2 VOL angesprochenen und hier vorliegenden Fall für richtig, in dem nämlich der Grund für den Zuschlag in der Höhe der erzielten Erlöse liegt.

Eine solche Einzelbetrachtung bringt allerdings mit sich, daß - entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen - Erlöse, die unter dem Normalerlös liegen, unberücksichtigt bleiben, also nicht zum Ausgleich von Mehrerlösen herangezogen werden können. Das entspricht indessen dem System der VOL, die nur Erhöhungen des Gewinns kennt. Die Nichtberücksichtigung von Mindereinnahmen entspringt der der VOL zugrunde liegenden richtigen Auffassung, daß sich solche Mindereinnahmen im Laufe der Zeit durch Mehreinnahmen ausgleichen, die nicht besonders angesetzt werden. Deshalb sind Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL erst zu machen, wenn der für diesen Ausgleich bereitstehende Schwankungsbereich nach oben (bis 300 DM) überschritten ist.

Dieser Schwankungsbereich darf indessen nicht beseitigt werden, wie es bei dem vom FA angewendeten Verfahren der Fall wäre. Das FA, das an sich davon ausgeht, daß bei der Bemessung des Zuschlags nach § 9 Abs. 2 VOL jeder einzelne Vorgang zu betrachten ist, wendet diesen Grundsatz nämlich nur einseitig dahin an, daß es Minder erlöse aus anderen Verkäufen nicht berücksichtigen will. Hinsichtlich der Mehrerlöse nimmt es jedoch - und insoweit wollen ihm offenbar auch die Steuerpflichtigen (und das FG) folgen - eine Gesamtberechnung vor, während die konsequent durchgeführte Einzelberechnung bedingen würde zu prüfen, ob bei jedem einzelnen Verkauf die Voraussetzungen eines Zuschlags gegeben sind, und dazu führte, daß alle Verkäufe, bei denen eine Nettomehreinnahme unter 300 DM liegt, auch hinsichtlich der Einnahmen unberücksichtigt bliebe.

Daß die Berechnungsmethode der Steuerpflichtigen nicht dem System der VOL entspricht, ist bereits oben ausgeführt. Der Senat hält aber auch die des FA insoweit nicht für richtig, als sie auch geringfügige Überschreitungen des Normalerlöses in die Berechnung einbezieht. Denn dann würde, wie bereits erwähnt, nicht beachtet, daß die VOL davon ausgeht, daß sich Schwankungen nach unten und nach oben auszugleichen vermögen. Würden nämlich alle den Normalerlös - auch nur geringfügig - übersteigenden Verkäufe einbezogen, so wäre nichts mehr vorhanden, was andere, den Normalerlös nicht erreichende Verkäufe ausgleichen könnte.

3. Nach den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich für das Wirtschaftsjahr 1962/63 keine Abweichung gegenüber der Berechnung des FA.

Für das Wirtschaftsjahr 1963/64 ergibt sich die folgende Zuschlagserrechnung:

DM DM

Nettoerlös für eine Kuh 2 104

./. Normalerlös 2 000

Zuschlag 0

Nettoerlös für einen Bullen 17 964

./. Normalerlös 2 500

Zuschlag 15 464

Nachzahlung für einen Bullen 2 000

Gesamtzuschlag 17 464

nach der dem angefochtenen

Bescheid zugrunde liegenden

Berechnung des FA 17 569

Gewinndifferenz ./. 105

 

Fundstellen

Haufe-Index 425959

BStBl II 1972, 934

BFHE 1973, 111

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