Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Gewerbebetrieb, der einzelne Bank- und Sparkassengeschäfte im Sinn des § 1 Abs. 1 Buchst. a bis d KWG zum Gegenstand hat, braucht z. B. dann kein Kreditinstitut im Sinne der §§ 21 GewStDV und 1 Abs. 1 KWG zu sein, wenn ihn die Bankenaufsichtsbehörde wegen der beschränkten Zahl der Kreditgeschäfte und der Einleger und Kreditnehmer nicht als Unternehmung im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG und deshalb nicht als erlaubnispflichtig (ß 3 KWG) behandelt.
Normenkette
GewStG § 8/1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1; GewStDV §§ 21, 19
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Ermittlung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1952 bis 1955 der Bfin. die für Dauerschulden der Kreditinstitute geltende Begünstigung (ß 21 GewStDV 1950) anzuwenden ist.
Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft erhielt in der Zeit vom 1. Juni 1952 bis 31. Dezember 1955 von einem ausländischen Geldgeber Darlehen in Höhe von 800.000 bis 1,7 Mill. DM, die sie seit Oktober 1952 zu den folgenden Kreditgeschäften verwandte. Zu ihren Kunden gehörende Unternehmen bezogen Waren von Lieferanten, die der Bfin. Zweitschriften der Rechnungen übersandten. Die Bfin. bezahlte die Rechnungen unter Abzug eines Skontos von 3 v. H. für ihre Kunden und gewährte ihren Kunden einen Kredit von etwa drei Monaten zu. Ab Mitte Mai 1953 finanzierte die Bfin. in dieser Weise nur noch den Wareneinkauf eines einzigen Unternehmens.
Das Finanzamt behandelte das von der Bfin. aufgenommene Darlehen bei den Festsetzungen der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1952 bis 1955 als Dauerschuld im Sinn der §§ 8 Ziff. 1, 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG, weil es die Bfin. nicht als Kreditinstitut im Sinn des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) vom 25. September 1939, Reichsgesetzblatt 1939 I S. 1955, ansah. Die Bfin. dagegen ist der Auffassung, daß sie durch die Annahme und Abgabe von Geldbeträgen im Sinn des § 1 KWG im Inland Bankgeschäfte betreibe und deshalb ein Kreditinstitut im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG sei. Sie genieße deshalb die Vergünstigung des § 21 GewStDV 1950.
Die sowohl vom Finanzamt als auch von der Bfin. eingeschaltete Bankenaufsichtsbehörde äußerte sich in ihren Schreiben vom 19. November und 27. Dezember 1956 dahin, daß sie dem von der Bfin. am 14. September 1955 gestellten Antrag, ihr nach § 3 KWG die Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinstituts zu erteilen, nicht entsprechen könne, weil der Umfang der von der Bfin. betriebenen Geschäfte die Bezeichnung Kreditinstitut nicht rechtfertige. Es erscheine nicht vertretbar, einem Geschäftsmann die gesetzlich geschützte Bezeichnung "Bankier" zuzuerkennen, wenn er lediglich von einer Stelle ein Darlehen aufnehme und dieses an ein einziges Unternehmen weitergebe. Deshalb könne der Bfin., obwohl ihre Geschäfte unter das KWG fielen, nicht die Erlaubnis zum Betrieb von Bank- oder Sparkassengeschäften erteilt werden.
Die Berufung blieb erfolglos. Die Vorinstanz war der Auffassung, daß ein Kreditinstitut im Sinn des § 21 GewStDV 1950 und damit des KWG nur dann vorliege, wenn sich das Unternehmen zum Abschluß von Geldgeschäften an die öffentlichkeit, also an eine Vielzahl von Geldgebern und Kunden wende.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.
Bei Kreditinstituten im Sinn des KWG gelten hereingenommene Gelder, Darlehen und Anleihen nur insoweit als Dauerschulden im Sinn des § 8 Ziff. 1 und des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet (ß 21 GewStDV 1950). Die Anwendung dieser Begünstigungsvorschrift hängt nur davon ab, ob die Bfin. ein Kreditinstitut im Sinn des bezeichneten Gesetzes ist. § 1 Abs. 1 KWG bezeichnet als Kreditinstitut alle Unternehmungen, die das Bank- oder Sparkassengeschäft im Inland betreiben und führt zur Erläuterung die wichtigsten Geschäfte an, die als Bankgeschäfte anzusehen sind. Dazu gehören die Annahme und die Abgabe von Geldbeträgen. Aus dem KWG ergibt sich aber, daß die Annahme und Abgabe von Geldbeträgen nur dann die Unternehmung zu einem Kreditinstitut macht, wenn sie im Rahmen eines entsprechenden Unternehmens durchgeführt werden. Wenn deshalb die Annahme und die Weitergabe von Geldern in einer Form und in einem Umfang geschehen, bei denen Zweifel darüber entstehen können, ob sie das gelderannehmende und gelderweitergebende Unternehmen zu einem Kreditinstitut machen, so entscheidet die Bankenaufsichtsbehörde in einer die Gerichte und Verwaltungsbehörden bindenden Form darüber, ob das Unternehmen als Kreditinstitut zu gelten hat (ß 1 Abs. 4 KWG).
Aus den Bescheiden der Bankenaufsichtsbehörde vom 19. November und 27. Dezember 1956 ergibt sich eindeutig, daß die Bankenaufsichtsbehörde die Bfin. wegen des Umfangs der von ihr betriebenen Geschäfte nicht als Kreditinstitut ansieht, obwohl diese Geschäfte ihrer Natur nach unter § 1 Abs. 1 Buchst. a KWG fallen. Diese Geschäfte werden nach Auffassung der Bankenaufsichtsbehörde nicht im Rahmen eines Unternehmens betrieben, das als Kreditinstitut bezeichnet werden kann. Wenn die Bankenaufsichtsbehörde die Bfin. als Kreditinstitut im Sinn des § 1 KWG ansehen würde, dann bedürfte die Bfin. grundsätzlich nach § 3 KWG zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis.
Im gleichen Sinn beantwortete die Bankenaufsichtsbehörde am 3. Januar 1961 ein Ersuchen des Senats, durch einen Gerichte und Verwaltungsbehörden bindenden Bescheid nach § 1 Abs. 4 KWG zu entscheiden, ob die Bfin. als Kreditinstitut zu gelten habe. In der Erklärung der Bankenaufsichtsbehörde, daß die Bfin. zwar Bankgeschäfte im Sinn des § 1 Abs. 1 Buchst. a KWG betrieben habe, daß sie aber trotzdem wegen der Besonderheit ihrer Geschäfte und deren Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis nicht als erlaubnispflichtige Unternehmung im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG behandelt werden könne, liegt eine sachlich dahingehende Entscheidung, daß die Bfin. nicht als Kreditinstitut im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG zu gelten habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dieser Auskunft der Bankenaufsichtsbehörde eine das Gericht bindende Entscheidung nach § 1 Abs. 4 KWG deshalb nicht gesehen werden kann, weil die Bankenaufsichtsbehörde eine solche bindende Entscheidung zu treffen ausdrücklich ablehnte. Denn der Senat trägt keine Bedenken, sich sachlich der dahingehenden Auffassung der Bankenaufsichtsbehörde anzuschließen, daß nicht jedes Unternehmen, das im Rahmen seines Geschäftsbetriebs Geschäfte der in § 1 Abs. 1 Buchst. a KWG bezeichneten Art abschließt, dadurch zwangsläufig eine Unternehmung im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG und damit ein Kreditinstitut werde. Die von der Vorinstanz und der Bankenaufsichtsbehörde für bedeutsam gehaltenen Besonderheiten des Geschäftsbetriebs der Bfin. führen dazu, daß die Bfin. nicht als Unternehmung im Sinn des § 1 Abs. 1 KWG und damit nicht als Kreditinstitut anzusehen ist. Sollte die von der Bfin. gegen die Bankenaufsichtsbehörde erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis führen, daß die Bankenaufsichtsbehörde unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 4 KWG erklären muß, daß die Bfin. als Kreditinstitut zu gelten habe, so bestehen keine Bedenken, die angefochtenen Bescheide zu berichtigen (ß 4 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes). Es besteht deshalb keine Veranlassung, die Entscheidung bis zur Erledigung der vor dem Verwaltungsgericht schwebenden Klage auszusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 409944 |
BStBl III 1961, 104 |
BFHE 1961, 278 |
BFHE 72, 278 |