Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

War bei der Bestellung eines Erbbaurechts schon ein Gebäude vorhanden und wurde das Gebäude wirtschaftlich (ß 1 Abs. 2 GrEStG) nicht vom Erbbauberechtigten erworben, erwirbt aber der Erbbauberechtigte später unter Aufhebung des Erbbaurechts den Grund und Boden sowie das Gebäude sowohl zu Eigentum als auch wirtschaftlich, so ist der Vorgang auch insoweit zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, als der Erbbauberechtigte das Gebäude wirtschaftlich erwirbt. Die Steuervergünstigung des § 17 Abs. 2 GrEStG ist insoweit nicht anwendbar.

GrEStG § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 3, ErbbauVO vom 15. Januar 1919 § 12 Abs. 1

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; ErbbauVO 12/1/2

 

Tatbestand

Die Bfin. erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. Juni 1952 von der Bundesrepublik Deutschland das Erbbaurecht an einem Kasernengelände, auf dem bereits zwei Kasernengebäude standen. Dabei wurde unter anderem bestimmt, daß sich das Erbbaurecht auf diese Gebäude erstrecken (ß 2 des Vertrages) und daß der Wert der Gebäude bei Bemessung der bei etwaigem Heimfall oder Erlöschen des Erbbaurechts zu gewährenden Entschädigung nicht berücksichtigt werden sollte (ß 11 Abs. 1 des Vertrages). Darüber, daß die Bfin. sofort das Gebäudeeigentum erwerben sollte, ist im Vertrage nichts vereinbart; eine Gegenleistung wurde insoweit nicht verabredet. Auch der Erbbauzins war, wie das Finanzgericht in der angefochtenen Entscheidung unwidersprochen tatsächlich festgestellt hat, nur so hoch bemessen, daß darin lediglich eine Nutzungsentschädigung für ein bebautes Grundstück erblickt werden kann.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. September 1955 kaufte die Bfin. von der Bundesrepublik Deutschland unter Aufhebung des vorerwähnten Erbbaurechts das in Betracht kommende Gelände, und zwar einschließlich der darauf befindlichen Kasernengebäude. Der Eigentumsübergang auf die Bfin. und die Löschung des Erbbaurechts wurden am 10. September 1955 in das Grundbuch eingetragen.

Der Kaufpreis betrug ... DM und wurde wie folgt aufgeteilt: Grund und Boden .......................... a, - DM Wirtschaftsgebäude, das nicht Gegenstand des Erbbaurechts war ..................... b, - DM Kasernengebäude .......................... c, - DM.Der Streit geht darum, ob auch der Erwerb der Kasernengebäude der Grunderwerbsteuer unterliegt, ob also auch der hierauf entfallende Teil des Kaufpreises (c, - DM) der Gegenleistung zuzurechnen ist. Die Bfin. macht geltend, die Gebäude seien auf Grund des Vertrages vom 11. Juni 1952 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO) vom 15. Januar 1919 wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts und damit Eigentum der Bfin., jedoch auf Grund des Vertrages vom 2. September 1955 gemäß § 12 Abs. 3 ErbbauVO mit dem Erlöschen des Erbbaurechts wieder Bestandteile des Grundstücks und damit erneut Eigentum der Bundesrepublik Deutschland geworden; sie seien aber gleichzeitig von ihr, der Bfin., zurückerworben worden, so daß gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG für beide Vorgänge (Vertrag vom 2. September 1955) keine Steuer zu erheben sei.

Das Finanzamt hat die Bfin. unter Zugrundelegung der vollen Gegenleistung von ... DM zur Steuer herangezogen.

Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. ist unbegründet.

Das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 70/43 S vom 8. September 1947 (Slg. Bd. 54 S. 213) sowie das des Senats II 14/53 U vom 17. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 99, Slg. Bd. 58 S. 491) betreffen anders gelagerte Tatbestände; diese Urteile sind somit auf den Streitfall nicht unmittelbar anwendbar. Beide Urteile ergingen zu Fällen, in denen von den Erbbauberechtigten nach der Bestellung des Erbbaurechts Gebäude errichtet worden waren. Im Streitfall dagegen sind die in Betracht kommenden Gebäude von dem Voreigentümer vor der Bestellung des Erbbaurechts erbaut worden.

Soweit das Gebäude vom Erbbauberechtigten auf Grund des Erbbaurechts errichtet wird, gilt es nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts; das Eigentum wird zivilrechtlich dem Erbbauberechtigten zugerechnet. Soweit das Gebäude bei Bestellung des Erbbaurechts schon vorhanden war, gilt es nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO gleichfalls als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts. Streitig ist jedoch zivilrechtlich, wem das Eigentum an derartigen Gebäuden zusteht. Eine Entscheidung des Reichsgerichts oder des Bundesgerichtshofs liegt bisher nicht vor. Im Schrifttum zur ErbbauVO ist die Auffassung herrschend, daß auch das Eigentum an schon vorhandenen Gebäuden auf den Erbbauberechtigten übergeht; so: Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., 1956, III. Bd., 1. Teil, § 12 ErbbauVO Anm. 12 b, S. 938; Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., 1957, § 104 II 1, S. 422; Palandt, BGB, 18. Aufl., 1959, Anm. 1 zu § 12 ErbbauVO, S. 914; Güthe-Triebel, Grundbuchordnung, 6. Aufl., 1937, S. 1825 N I; anderer Ansicht: Kommentar der Reichsgerichtsräte zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., 1954, III. Bd., Anm. 2 zu § 12 ErbbauVO, S. 411.

Welche Meinung zivilrechtlich zutrifft, kann grunderwerbsteuerlich unerörtert bleiben. Der Steueranspruch ist auch dann gerechtfertigt, wenn das Eigentum, wie die Bfin. geltend macht, bei Bestellung des Erbbaurechts zivilrechtlich auf sie überging.

Im Streitfall kommt es grunderwerbsteuerlich nicht darauf an, ob das vorhandene Gebäude bei Bestellung des Erbbaurechts zivilrechtlich auf den Erbbauberechtigten überging, sondern darauf, ob das vorhandene Gebäude auch im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG vom Erbbauberechtigten erworben wurde. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Grunderwerbsteuer "auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten". Das Finanzgericht hat diese Rechtslage nicht verkannt. Es hat ohne Rechtsverletzung und ohne Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten (ß 288 Nr. 1, § 296 Abs. 1 AO) festgestellt, daß die Kasernengebäude im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG trotz der Bestellung des Erbbaurechts nach wie vor der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen waren und daß hierin erst durch den Vertrag vom 2. September 1955 eine änderung eintrat. Hätte die Bfin. bei Bestellung des Erbbaurechts (11. Juni 1952) auch die Verwertungsmacht im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG erworben, so wäre nicht verständlich, daß statt einer angemessenen Gegenleistung lediglich die Zahlung einer Nutzungsentschädigung vereinbart wurde. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, welche Gründe im Zeitpunkt der Bestellung des Erbbaurechts für die Bundesrepublik Deutschland bestanden, wertvolle Kasernengebäude ohne angemessenen Gegenwert der Bfin. wirtschaftlich derart zu überlassen, daß sie ihr nach § 1 Abs. 2 GrEStG zugerechnet werden konnten. Damit steht auch im Einklang, daß die Bundesrepublik Deutschland beim Heimfall oder beim Erlöschen des Erbbaurechts für die in Betracht kommenden Gebäude eine Entschädigung nicht zahlen sollte. Diese Vertragsbestimmung ist offensichtlich darauf zurückzuführen, daß die Gebäude wirtschaftlich nach wie vor der Bundesrepublik Deutschland gehörten, so daß für die Zahlung einer Entschädigung ein Grund nicht vorhanden war. Auch die Bfin. hat Umstände, aus denen zu folgern wäre, daß schon auf Grund des Vertrages vom 11. Juni 1952 die Verwertungsmacht im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG auf sie überging, nicht angeführt. Die Bestimmung in § 2 des Vertrages, wonach sich das Erbbaurecht auch auf die in Betracht kommenden Gebäude erstreckte, reicht allein nicht aus, um bereits einen übergang der Verwertungsmacht bejahen zu können. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Wiederholung der Regelung im § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO; daraus folgt aber nur, daß die bei Bestellung des Erbbaurechts schon vorhandenen Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts anzusehen sind.

Gehörte hiernach die Verwertungsmacht im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG unverändert der Bundesrepublik Deutschland und ging sie erstmalig auf Grund des Vertrages vom 2. September 1955 auf die Bfin. über, so ist es auch nicht möglich, in dem Vertrag vom 2. September 1955, soweit die Gebäude in Betracht kommen, Vorgänge im Sinn des § 17 Abs. 2 GrEStG zu erblicken. Solche Vorgänge hätten darin bestehen müssen, daß die Verwertungsmacht im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG von der Bundesrepublik Deutschland zurückerworben und sodann durch einen neuen Erwerbsvorgang wiederum auf die Bfin. übertragen worden wäre. Voraussetzung wäre also gewesen, daß die Gebäude wirtschaftlich der Bfin. im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG zuzurechnen gewesen wären. Ein solcher Sachverhalt ist aber im Streitfall, wie im einzelnen dargelegt wurde, nicht gegeben.

Auch in dem Urteil des Senats II 14/53 U vom 17. Februar 1954 wird eine abweichende Rechtsauffassung nicht vertreten, zumal diesem Urteil, wie schon eingangs ausgeführt wurde, ein abweichender Sachverhalt zugrunde liegt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann unerörtert bleiben, ob der Vorgang, durch den die Bfin. auf Grund des Vertrages vom 11. Juni 1952 entsprechend der im Schrifttum vertretenen herrschenden Meinung das zivilrechtliche Eigentum erwarb, gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG der Steuer unterlag; die Besteuerung des im § 1 Abs. 2 GrEStG bezeichneten Rechtsvorgangs wird dadurch nicht gehindert; siehe dazu § 1 Abs. 5 Satz 2 GrEStG sowie das Urteil des Senats II 60/56 U vom 24. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433).

Nach alledem ist der für die Kasernengebäude entrichtete Kaufpreisteil der Gegenleistung im Sinn des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG zuzurechnen.

Die Rechtsbeschwerde war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 234

BFHE 1960, 630

BFHE 70, 630

StRK, GrEStG:1 R 62

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