Leitsatz (amtlich)

1. Eine AG, die als Angehöriger der Vereinten Nationen (AVN) zu behandeln ist, und die im Jahre 1956 die Vergünstigungen nach Art. 6 des Zehnten Teils des Überleitungsvertrags in Anspruch nimmt, hat rückwirkend auf die Stichtage 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 einen dadurch entstehenden Soforthilfeabgabe- und Vermögensabgabe-Erstattungsanspruch bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Besitzposten anzusetzen, und zwar mit dem Nennwert.

2. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer auf die genannten Veranlagungszeitpunkte darf nur der Zeitwert der Vermögensabgabe abgezogen werden, der sich nach den um die AVN-Vergünstigungen des Überleitungsvertrags geminderten Vierteljahrsbeträgen errechnet.

 

Normenkette

LAG §§ 47a, 56a, 77 Abs. 1 Nr. 2, § 206 Nr. 2, § 207 Nr. 1, § 209 Nrn. 1, 3; Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) Teil 10 Art. 6; BewG (i. d. F. vor Inkrafttreten des BewG 1965) § 14 Abs. 1; BewG (i. d. F. vor Inkrafttreten des BewG 1965) § 14 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Revisionsklägerin) ist eine nach deutschem Recht gegründete. AG, deren Anteile am 8. Mai 1945 und am 21. Juni 1948 unstreitig zu mehr als 85 v. H. in Händen von Staatsangehörigen der Vereinten Nationen (AVN) waren. Sie übte das ihr nach § 56a LAG zustehende Wahlrecht im Jahre 1956 dahin aus, daß ihr die Abgabevergünstigungen nach Art. 6 Abs. 2 des Zehnten Teils des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen in der Fassung des Protokolls vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl II 1955, 301 [405, 447 f.]) - im folgenden: Überleitungsvertrag - zu gewähren sind.

Das FA (Revisionsbeklagter und Anschlußrevisionskläger) setzte hierauf den ursprünglichen Vierteljahrsbetrag der Vermögensabgabe und den Minderungsbetrag für die Zeit vom 1. April 1952 bis 31. März 1955, ferner einen Soforthilfeabgabe(SHA)-Soll-Minderungsbetrag unanfechtbar fest. Es setzte die Ansprüche auf Erstattung entrichteter SHA und Vermögensabgabe, die sich aus der Sollminderung ergaben, bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 als Besitzposten an. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens zog das FA als Zeitwert der Schuld an Vermögensabgabe die Beträge ab, die sich unter Berücksichtigung der Minderung wegen der Beteiligung von AVN errechneten. Außerdem erkannte das FA die ertragsteuerliche Rückflußbelastung bei den Darlehen nach § 7c EStG a. F. nicht als wertmindernd an.

Nachdem zwischenzeitlich eine Betriebsprüfung durchgeführt worden war, erhöhte das FA auf die Einsprüche gegen die Einheitswert- und Vermögensteuerbescheide die Einheitswerte zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1954. Den Einheitswert- und den Vermögensteuerbescheid zum 1. Januar 1955 hob es auf, weil die Wertgrenzen des § 22 BewG a. F. und des § 13 Abs. 1 VStG auf diesen Stichtag nicht erreicht seien.

Die Berufung hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Der SHA-Erstattungsanspruch habe am 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 bereits bestanden, obwohl der Überleitungsvertrag damals noch nicht innerstaatliches Recht gewesen sei. Der Anspruch sei deshalb dem Betriebsvermögen auf die genannten Stichtage zuzurechnen. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 20. August 1955 (BGBl I 1955, 529, BStBl I 1955, 408), durch das § 56a LAG eingefügt worden sei, sei nämlich nach seinem Art. 3 rückwirkend ab 1. September 1952 in Kraft getreten. Demnach seien die SHA und Vermögensabgabe ab 1. September 1952 nur nach Maßgabe des § 56a LAG und des Überleitungsvertrages geschuldet worden. Der Gesetzgeber habe hier das Stichtagsprinzip modifiziert. Obwohl das LAG erst am 1. September 1952 in Kraft getreten sei, sehe das LAG auch die Abzugsfähigkeit der Lastenausgleichsabgaben bei der Einheitswertfeststellung auf den 21. Juni 1948 und die folgenden Zeitpunkte sowie bei der Vermögensteuerveranlagung 1949 und die folgenden Zeitpunkte vor. Daß es zur Anwendung der Vergünstigungen des Überleitungsvertrags noch einer Erklärung der Steuerpflichtigen bedurft hätte, ändere hieran nichts. Der SHA- und Vermögensabgabeerstattungsanspruch sei jedoch nicht mit dem Nennwert, sondern mit dem abgezinsten Betrag anzusetzen. Er sei zwar nicht ausdrücklich befristet gewesen. Seine Befristung ergebe sich jedoch daraus, daß der Erstattungsanspruch erst nach der Verkündung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes habe realisiert werden können. Im übrigen schreibe auch § 14 Abs. 1 BewG a. F. die Berücksichtigung besonderer Umstände vor.

Das FG ermittelte sodann im einzelnen die abgezinsten Werte der SHA- und Vermögensabgabe-Erstattungsansprüche. Entsprechend verminderte es die vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellten Einheitswerte zum 1. Januar 1953 und 1. Januar 1954. Zum 1. Januar 1955 hielt es eine Wertfortschreibung für unzulässig. Die Rückflußbelastung bei 7c-Darlehen erkannte das FG nicht als wertmindernd an. Es verwies insoweit auf sein Urteil in der Einheitswertsache 1956 und 1957 der Steuerpflichtigen. Hinsichtlich der Vermögensteuerveranlagung bestätigte das FG, daß das FA die Zeitwerte der noch nicht fälligen Vierteljahrsbeträge - nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 des Zehnten Teils des Überleitungsvertrags - zutreffend ermittelt habe. Es setzte danach die Vermögensteuer unter Zugrundelegung der von ihm geänderten Einheitswerte fest. Eine Neuveranlagung zum 1. Januar 1955 hielt es für unzulässig.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, macht die Steuerpflichtige im wesentlichen geltend: Der Feststellung des Einheitswerts eines Betriebsvermögens seien die Verhältnisse am Bewertungsstichtag zugrunde zu legen. Da die teilweise Befreiung von der SHA und Vermögensabgabe jedoch erst ab 20. August 1955 eingetreten sei, habe an den hier maßgeblichen Stichtagen ein Erstattungsanspruch noch nicht bestanden. Das nach Ergehen des FG-Urteils bekanntgewordene Urteil III 57/61 U vom 30. April 1964 (BFH 79, 650, BStBl III 1964, 470), in dem der BFH wie das FG entschieden habe, sei - wie das FG-Urteil selbst - verfassungsrechtlich bedenklich. Der BFH habe entgegen dem Wortlaut des Gesetzes entschieden; denn der Gesetzgeber habe wohl rückwirkend angeordnet, daß die SHA und Vermögensabgabe von Anfang an in bestimmtem Umfang und in bestimmten, hier einschlägigen Fällen nicht erhoben werden dürfe. Er habe ausdrücklich jedoch nicht zugleich das Stichtagsprinzip bei der Einheitsbewertung und der Vermögensbesteuerung dahingehend durchbrochen, daß Erstattungsansprüche rückwirkend entstanden seien. Selbst wenn der Gesetzgeber eine solche Absicht gehabt haben sollte, dürften die Gerichte sie nicht berücksichtigen, da nur der im Gesetz zum Ausdruck gekommene Wille für die Gerichte beachtlich sei. Der BFH habe hier gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung verstoßen. Wenn das Stichtagsprinzip, wie möglicherweise hier, nicht zu einem gerechten Ergebnis führe, so sei das in der Natur dieses Prinzips begründet. Der BFH habe auch aus dem Stichtagsprinzip sich ergebende, für die Steuerpflichtige ungünstige Ergebnisse als dem Gesetz entsprechend anerkannt. Der Gesetzgeber habe in Einzelfällen das Stichtagsprinzip ausdrücklich durchbrochen. Daraus sei zu entnehmen, daß die Durchbrechung dieses Prinzips einer gesetzlichen Regelung bedürfe, die für die hier streitige Frage nicht vorliege. Wenn man aber einen Erstattungsanspruch bejahe, sei § 14 Abs. 1 BewG a. F. anzuwenden. Es seien nämlich besondere Umstände gegeben, die eine niedrigere Bewertung rechtfertigten; denn die Rechtslage sei an den maßgeblichen Stichtagen sehr zweifelhaft gewesen.

Bezüglich der Berücksichtigung der ertragsteuerlichen Rückflußbelastung bei 7c-Darlehen verwies die Steuerpflichtige auf ihre Revisionsbegründung in dem beim Senat anhängigen Verfahren III 181/64.

Das FA legte Anschlußbeschwerde ein, die nunmehr als Anschlußrevision zu behandeln ist. Es trägt vor, besondere Umstände im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. lägen nicht vor. Auf unverzinsliche und befristete Forderungen sei zwar § 14 Abs. 3 BewG a. F. anwendbar. Im Streitfall fehle es aber an der Befristung der Erstattungsansprüche, weil ein fester Rückzahlungstermin nicht vereinbart gewesen sei. Die Erstattungsansprüche seien deshalb mit dem Nennwert anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Die Revision ist nicht begründet.

1. Ertragsteuerliche Rückflußbelastung der 7c-Darlehen

Wegen der Nichtberücksichtigung der ertragsteuerlichen Rückflußbelastung der Darlehen nach § 7c EStG a. F. auf die hier streitigen Stichtage wird auf die Ausführungen des Senats in dem Urteil III 181/64 vom 12. Juli 1968 (BStBl II 1968, 794) verwiesen.

2. SHA- und Vermögensabgabe-Erstattungsanspruch

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, Ansprüche auf Erstattung von überzahlter SHA und Vermögensabgabe, die einer Kapitalgesellschaft zustehen, gehörten - wie Steuererstattungsansprüche - zum Betriebsvermögen. Die Vorschriften der §§ 207 Nr. 1, 209 Nr. 1 und Nr. 3 LAG können auf Erstattungsansprüche nicht ausgedehnt werden. Der weitere Ausgangspunkt des FG, Erstattungsansprüche könnten dem Betriebsvermögen nur zugerechnet werden, wenn sie im Feststellungszeitpunkt bereits entstanden waren, ist ebensowenig zu beanstanden. Schließlich folgt der Senat dem FG darin, daß die hier streitigen Erstattungsansprüche der Steuerpflichtigen an den Stichtagen 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 bereits bestanden haben.

a) Der Überleitungsvertrag wurde zusammen mit anderen Zusatzverträgen zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den 3 Mächten am 26. Mai 1952 unterzeichnet. Das Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag wurde am 28. März 1954 im BGBl II 1954, 57 verkündet. Das Gesetz betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, das die Regelung über die AVN-Vergünstigungen unverändert übernahm, ist im März 1955 verkündet worden (BGBl II 1955, 213). Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden ist das Protokoll vom 23. Oktober 1954 am 5. Mai 1955 in Kraft getreten (BGBl II 1955, 628). Der Überleitungsvertrag war also schon lange vor den hier maßgebenden Stichtagen unterzeichnet, ist aber erst nach ihnen in Kraft getreten. Die Regelung der AVN-Vergünstigung beim Lastenausgleich, die in Art. 6 des Zehnten Teils des Überleitungsvertrags enthalten ist, wirkt jedoch auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG zurück. Nach Art. 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes tritt dieses Gesetz, mit dem § 56a in das LAG eingefügt wurde, rückwirkend ab 1. September 1952 in Kraft. Die nach § 56a LAG Berechtigten haben ein Wahlrecht, ob sie die Vergünstigungen nach dem Überleitungsvertrag oder nach dem LAG in Anspruch nehmen wollen. Entscheiden sie sich - wie im Streitfall - für die Vergünstigungen nach dem Überleitungsvertrag, so schulden sie rückwirkend - vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG an - nur die verminderte SHA und Vermögensabgabe. Diese rückwirkende Regelung ist begünstigender Art. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht. Es werden auch keine von der Steuerpflichtigen geltend gemacht.

b) Als § 56a LAG in das LAG eingefügt wurde, hat der Gesetzgeber zwar nicht zugleich eine entsprechende Vorschrift für das Bewertungsrecht mit dem Inhalt geschaffen, die Rückwirkung im Lastenausgleichsrecht habe auch die Rückwirkung im Bewertungsrecht zur Folge. Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß die in Art. 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ausgesprochene Rückwirkungsregelung eine Rückwirkung auch für das Bewertungsrecht einschließt; denn die Rückwirkung nach § 56a LAG kann nicht isoliert gesehen werden. Das hat zur Folge, daß bereits an den Stichtagen 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1955 ein SHA- und Vermögensabgabe-Erstattungsanspruch bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anzusetzen ist, da durch die rückwirkende Verringerung der gezahlten SHA und Vermögensabgabe in Höhe der Minderung ein Erstattungsanspruch entsteht.

Die Rückwirkung ist auch für das Bewertungsrecht mit dem Gesetz zu vereinbaren. Für die Auslegung einer Vorschrift ist die Wortfassung allein nicht maßgebend, sondern der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Dieser Wille ist zwar in erster Linie aus dem Wortlaut der Norm, daneben aber auch aus ihrem Zusammenhang, aus ihrem Zweck und aus den Materialien sowie der Entstehungsgeschichte zu ermitteln (Beschluß des BVerfG 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, BVerfGE Bd. 11 S. 126 [130 f.]; BFH-Urteil III 112/63 vom 10. Februar 1967, BFH 88, 470, BStBl III 1967, 474). Die Rückwirkung der verminderten SHA- und Vermögensabgabe-Schuld bei der Einheitsbewertung und Vermögensteuer kann sich demnach auch aus dem Zusammenhang mit den Vorschriften des LAG ergeben. Zweck des § 56a LAG war es, die Berechtigten vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG an in den Genuß der Vergünstigung dieser Vorschrift kommen zu lassen, obwohl sie erst im Jahre 1955 in das LAG eingefügt wurde. Wäre aber § 56a LAG von vornherein im LAG enthalten gewesen, hätten die nach ihm Berechtigten keine zu hohen Vierteljahrsbeträge entrichtet. In ihrem Vermögen wären an den hier maßgeblichen Stichtagen entsprechende Geldbestände oder Bankguthaben vorhanden gewesen, die zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens heranzuziehen gewesen wären. Dieser Zusammenhang besteht auch, wenn die SHA- und die Vermögensabgabe-Schulden rückwirkend vermindert werden. Diese Reflexwirkung tritt dann auch rückwirkend ein. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile III 167/57 U vom 17. Januar 1958, BFH 66, 334, BStBl III 1958, 127 - rückwirkende Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabe wirkt sich auf das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen aus -; III 258/57 U vom 7. März 1958, BFH 67, 101, BStBl III 1958, 311 - rückwirkende Verminderung von Ertragsteuern wirkt sich bei der Einheitsbewertung und Vermögensteuer aus -; III 12/59 U vom 7. Dezember 1961, BFH 74, 413, BStBl III 1962, 154 - rückwirkende Verminderung der Hypothekengewinnabgabe wirkt sich auf die Vermögensteuer aus -; III 57/61 U vom 30. April 1964, a. a. O. - rückwirkende Herabsetzung der Vermögensabgabe wirkt sich auf die Vermögensteuer aus -; III 127/62 U vom 5. Februar 1965, BFH 82, 170, BStBl III 1965, 308 - rückwirkende Verminderung der Hypothekengewinnabgabe wirkt sich bei der Vermögensteuer aus -; ebenso Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, Bd. II, § 4 VStG, Anm. 38; Steinhardt, Bewertungsgesetz, 4. Aufl. § 105 Anm. 15). Hieran hält er auch für den Streitfall fest. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insbesondere deshalb nicht dagegen, weil § 56a LAG im wesentlichen begünstigender Art ist. Die Vorteile der Begünstigung - Verringerung der SHA- und Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge - führen zu einem Erstattungsanspruch, dessen steuerliche Erfassung nur zu einer geringen Steuerbelastung führt, nämlich zu 1 v. H. Vermögensteuer und durchschnittlich 0,5 v. H. Gewerbesteuer. Diese geringen Nachteile müssen im Interesse der Steuergerechtigkeit in Kauf genommen werden. Es wäre nicht sachgerecht, die Minderung der SHA- und Vermögensabgabe-Schuld rückwirkend zuzulassen und die dadurch entstehenden Ersattungsansprüche nicht als ebenfalls rückwirkend entstanden anzuerkennen.

c) Die von der Steuerpflichtigen behauptete Verletzung des Rechtsstaatsprinzips liegt nicht vor. Sie käme in Betracht, wenn der BFH unter Mißachtung der verfassungsmäßig garantierten Gewaltenteilung gegen den Wortlaut und Sinn eines Gesetzes neue Rechtssätze geschaffen hätte und sie im Einzelfall anwenden würde (vgl. Beschluß des BVerfG 2 BvR 91, 271/64 vom 4. November 1965, BStBl I 1966, 412 unter B). Sinn und Zweck des § 56a LAG und die Abhängigkeit der Einheitsbewertung und der Vermögensbesteuerung von den Lastenausgleichsabgaben rechtfertigen jedoch die getroffene Auslegung.

d) Das Stichtagsprinzip wird durch diese Auslegung gleichfalls nicht verletzt. Denn wenn der Gesetzgeber für eine bestimmte Abgabe eine nicht zu beanstandende Rückwirkung angeordnet hat, wird, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, das Stichtagsprinzip nach dem Willen des Gesetzgebers auf Grund der Vorschriften über die Abzugsfähigkeit dieser Abgabe mittelbar undzwangsläufig betroffen (BFH-Urteil III 57/61 U, a. a. O.; Gürsching-Stenger, a. a. O.); es wird insoweit modifiziert (BFH-Urteil III 12/59 U, a. a. O.). Einer ausdrücklichen Durchbrechung des Stichtagsprinzips bedurfte es deshalb hier nicht. Soweit der Gesetzgeber in bestimmten Fällen das Stichtagsprinzip ausdrücklich durchbrochen hat, kann daraus folglich nichts für den Streitfall entnommen werden.

Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen spricht das Urteil des FG Nürnberg vom 30. November 1965 (EFG 1966, 350) nicht für ihre Ansicht; denn in jenem Rechtsstreit berücksichtigte das FG die vom 1. April 1957 an zulässige Minderung der Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge nach § 47a LAG bei der Vermögensteuerveranlagung für die vor diesem Stichtag liegenden Jahre 1953, 1955 und 1956 nicht. Im Streitfall dagegen ist die Minderung vom Inkrafttreten des LAG an zulässig, weshalb auch von diesem Zeitpunkt an der Erstattungsanspruch berücksichtigt werden kann.

e) Die Ausübung des Wahlrechts gemäß § 56a LAG nach den hier maßgeblichen Stichtagen steht einem Ansatz der Ansprüche an den Stichtagen ebensowenig entgegen. Aus § 56a Abs. 5 Satz 3 LAG ergibt sich, daß den Steuerpflichtigen auf jeden Fall, selbst wenn sie das Wahlrecht nicht ausdrücklich ausüben, eine der möglichen Vergünstigungen eingeräumt wird. Die Abgabe der Erklärung stellt deshalb nur mehr eine Klarstellung dar, die auf den Stichtag zurückwirkt.

f) Es ist gerichtsbekannt, daß in Fällen wie dem vorliegenden an den hier maßgeblichen Stichtagen die SHA-und Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge regelmäßig in Höhe der durch den Überleitungsvertrag zu erwartenden Vergünstigung gestundet wurden. In diesen Fällen wurde später bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die infolge der Stundung an sich entstandene Schuld wegen des rückwirkenden Wegfalls der Schuldverpflichtung nicht angesetzt. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens wurde folglich in der Mehrzahl der Fälle der rückwirkende (teilweise) Wegfall der SHA- und Vermögensabgabe-Schuld berücksichtigt. Der Senat ist nicht zuletzt auch aus diesem Grund der Auffassung, daß die Erstattungsansprüche im Streitfall angesetzt werden müssen; denn sonst würde die Steuerpflichtige gegenüber der überwiegenden Mehrzahl der anderen Steuerpflichtigen, die die SHA- und Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge infolge der Stundung nicht zahlten, aber auch keine entsprechende Schuld berücksichtigen konnten, bevorzugt werden. Es würde folglich eine nicht zu billigende ungleiche Behandlung in der Besteuerung eintreten.

g) Erstattungsansprüche sind als Kapitalforderungen grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen, und zwar auch, wenn sie zum Betriebsvermögen gehören (vgl. auch BFH-Urteile III 343/57 U vom 3. Februar 1961, BFH 72, 551, BStBl III 1961, 202; III 358/61 U vom 30. März 1962, BFH 74, 624, BStBl III 1962, 232 unter I.). Besondere Umstände, die nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. einen Ansatz unter dem vom FG festgesetzten Wert begründen, liegen nicht vor. Geht man, wie vorstehend dargelegt, davon aus, daß die Erstattungsansprüche an den hier maßgeblichen Stichtagen bereits bestanden, so ist die Rechtslage nicht zweifelhaft. Die gegen den Staat gerichteten Ansprüche waren auch weder der Höhe nach bestritten, noch waren sie uneinbringlich.

3. Der Zeitwert der noch nicht fälligen Vermögensabgabe-Vierteljahrs-beträge

Der Abzug der Vermögensabgabe-Schuld erfolgt, weil die Vermögensabgabe eine persönliche Steuer ist, nicht beim Betriebsvermögen, was § 207 Nr. 1 LAG klarstellt. Nach § 209 Nr. 1 LAG ist die Vermögensabgabe vielmehr an den hier maßgeblichen Stichtagen mit ihrem jeweiligen Zeitwert nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 LAG beim Gesamtvermögen abzuziehen. Wie bereits unter 2. ausgeführt, wurde die Vermögensabgabe wegen der Rückwirkung des § 56a LAG vom Inkrafttreten des LAG an nur nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 des Zehnten Teils des Überleitungsvertrags geschuldet. Bei der Ermittlung des Zeitwerts der an den maßgeblichen Stichtagen noch nicht fälligen Vierteljahrsbeträge sind deshalb die Minderungsbeträge zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil III 57/61 U, a. a. O.). Gegen die vom FA vorgenommene Berechnung hat das FG zutreffend keine Bedenken erhoben.

II.

Die Anschlußrevision des FA ist begründet.

Die Erstattungsansprüche sind nicht nach § 14 Abs. 3 BewG a. F. zu bewerten. Nach dieser Vorschrift ist eine Kapitalforderung dann nicht mit dem Nennwert, sondern mit dem nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibenden Betrag anzusetzen, wenn sie unverzinslich und befristet ist. Der Erstattungsanspruch der Steuerpflichtigen war unverzinslich (§ 4 StAnpG), jedoch - entgegen der Auffassung des FG - unbefristet. Denn wenn, wie hier, ein fester Rückzahlungstermin nicht vereinbart ist, ist eine Befristung nicht gegeben und § 14 Abs. 3 BewG a. F. nicht anwendbar (BFH-Urteil II 175/60 U vom 22. November 1962, BFH 76, 127, BStBl III 1963, 46; vgl. auch Gürsching-Stenger, a. a. O., § 14 BewG, Anm. 58; Steinhardt, a. a. O., § 12 Anm. 23).

Das Herabgehen auf den abgezinsten Betrag ist im Streitfall auch nicht nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. gerechtfertigt. Es ist zwar anerkannt, daß in der Unverzinslichkeit oder geringen Verzinslichkeit einer Forderung besondere Umstände im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. erblickt werden können (Urteil des RFH III A 444/29 vom 27. März 1930, RStBl 1930, 297; BFH-Urteil III 109/54 U vom 2. Dezember 1955, BFH 62, 130, BStBl III 1956, 49; ebenso Gürsching-Stenger, a. a. O., § 14 Anm. 18; Steinhardt, a. a. O., § 12 Anm. 18). Besondere Umstände im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG a. F. liegen aber nur dann vor, wenn zu der Unverzinslichkeit oder niedrigen Verzinslichkeit noch weitere Umstände hinzukommen, wie z. B. Unkündbarkeit der Forderung oder weitgehender Kündigungsausschluß. Derartige weiter zu fordernde Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.

Da das FG insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung auf die Anschlußrevision des FA aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FA ist in der Einspruchsentscheidung zutreffend von dem Nennwert der Erstattungsansprüche ausgegangen. Deshalb ist auf die Anschlußrevision die Berufung (jetzt Klage) gegen die Einspruchsentscheidung in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68226

BStBl II 1968, 837

BFHE 1968, 332

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