Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der "Entschädigung" im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG.
Normenkette
EStG § 24 Ziff. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) war Einkäufer bei der Firma X GmbH. Ein schriftlicher Anstellungsvertrag bestand nicht; das Arbeitsverhältnis lief von Jahr zu Jahr mit der Maßgabe, daß es - nach der Darstellung des Bf. - nur mit Jahresfrist gekündigt werden konnte. Nachdem der Bf. den Vertrag gekündigt hatte, ist am 5. November 1948 mit der Arbeitgeberin ein übereinkommen dahin getroffen worden, daß das Dienstverhältnis mit dem 31. Oktober 1948 aufgehoben wurde. In dem Abkommen heißt es: "Sie und wir sind übereingekommen, daß Sie ab sofort aus unseren Diensten ausscheiden, und daß wir Ihnen einen Betrag von 50 v. H. Ihres Jahreseinkommens = 6.250 DM als Abschlußzahlung leisten." Die Auflösung des Dienstverhältnisses war dadurch veranlaßt, daß der Bf. mit Wirkung vom 1. Dezember 1948 eine Firma Y KG gegründet hatte, an der er mit 49 v. H. beteiligt, und bei der er zugleich geschäftsführender Gesellschafter war; für letztere Tätigkeit erhält er vorab - bei einem Jahresumsatz über 400.000 DM - eine jährliche Entschädigung von 10.000 DM. Im Jahre 1949 betrug der Reingewinn der KG 70.215 DM, im Jahre 1950 rund 80.200 DM.
Der Bf. sieht die Abschlußzahlung (50 v. H. des Jahreseinkommens) als Entschädigung gemäß § 24 Ziff. 1 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Die dafür beantragte Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1, 2 EStG haben die Vorinstanzen abgelehnt. Nach der Auffassung des Finanzamts handelt es sich um eine halbjährliche Gehaltsvorauszahlung und keine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG.
Das Finanzgericht führt aus: Mit Rücksicht auf seine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der KG habe der Bf. ein großes Interesse gehabt, möglichst kurzfristig sein Arbeitsverhältnis bei der Firma X GmbH zu beenden. Das zeige die vom Bf. ausgesprochene Kündigung. Wenn er und seine Arbeitgeberin das später bestritten haben, so sei es nicht überzeugend und nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend. Es erscheine daher wenig glaubwürdig, wenn behauptet werde, die Arbeitgeberin habe ihrerseits gebeten, das Dienstverhältnis vorzeitig zu lösen, womit sich der Bf. schließlich gegen Zahlung einer Abfindungssumme bereit erklärt habe. Angesichts der Tatsache, daß der Bf. nicht in der Lage gewesen sein dürfte, gleichzeitig beide Stellungen auszufüllen (Geschäftsführer bei der KG und Einkäufer bei der GmbH), habe bei den wesentlich besseren Einkünften aus der KG die sofortige Aufhebung des Dienstverhältnisses im besonderen Interesse des Bf. gelegen. Normalerweise könne weder eine rechtliche noch sittliche Verpflichtung der GmbH als vorliegend anerkannt werden, außer dem Entgegenkommen in bezug auf die sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses noch eine Entschädigung zu zahlen. Die Leistung des Halbjahresgehaltes sei auch in dem übereinkommen nicht als "Entschädigung", sondern als "Abschlußzahlung" bezeichnet. Deren Gewährung beruhe nicht auf dem vorzeitigen Ausscheiden des Bf., vielmehr auf Erwägung, die sich auf die bisherigen Leistungen des Bf. bezögen. An dieser Beurteilung könne auch der Umstand nichts ändern, daß die frühere Arbeitgeberin drei Jahre später auf Wunsch des Bf. bescheinige, die Abschlußzahlung stelle eine Abfindung für vorzeitige Aufgabe der Tätigkeit dar, um so weniger, als der Bf. für die in seinem Interesse liegende vorzeitige Entlassung nach Treu und Glauben eine "Entschädigung" nicht erwarten konnte.
Die Darlegung der Vorentscheidung lassen eine unrichtige Auslegung des Begriffs der "Entschädigung" im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG nicht erkennen.
Entscheidungsgründe
Wenn die Rechtsbeschwerde (Rb.) die Würdigung des Tatbestandes in der Vorentscheidung insofern beanstandet, als es der drei Jahre später abgegebenen Erklärung der Firma X GmbH keine maßgebliche Bedeutung beimißt, so kann daraus ein Aufhebungsgrund nicht hergeleitet werden. Bei den in bezug auf die Kündigung widersprechenden Angaben des Bf. und seiner früheren Arbeitgeberin mußte das Finanzgericht prüfen, welche Darstellung der gegebenen Sachlage mehr entspricht. Diese rechtfertigt aber die in der Vorentscheidung zum Ausdruck gebrachte Beurteilung. An der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses konnte angesichts der vom Bf. neu mitbegründeten KG und der ihm in dieser zugewiesenen Stellung nur er Interesse haben. Es ist kein Grund ersichtlich und auch nicht vorgetragen, weshalb die GmbH kündigen sollte. Eine objektive Betrachtung läßt es vielmehr mehr als wahrscheinlich erscheinen, daß der Bf. gekündigt hat. Ein solches Vorgehen entspricht dem natürlichen Ablauf der Geschehnisse. Wenn daher das Finanzgericht von dieser überzeugung ausgegangen ist, so folgte es damit der vom Bf. ursprünglich selbst, von dem weiteren Verfahren noch unbeeinflußten und nunmehr auch wieder in der Rechtsbeschwerdebegründung zugegebenen Darstellung, und konnte das um so mehr, als diese mit der allgemeinen Lebenserfahrung mehr in Einklang steht als eine gegenteilige Annahme. Abgesehen hiervon kann es nicht maßgebend sein, als was die frühere Arbeitgeberin die Zahlung ansah; die rechtliche Beurteilung steht allein den darüber zur Entscheidung berufenen Stellen zu. Diese kann nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, daß in der - übrigens verspätet eingegangenen - Rechtsbeschwerdebegründung ein abgeänderter Tatbestand vorgetragen wird. Danach habe die frühere Arbeitgeberin auf die Dienste verzichtet, und der Bf. eine "Entschädigung" verlangt, bezüglich derer dann in der festgesetzten Höhe eine Einigung erzielt sei.
Gibt hiernach bereits der äußerliche Ablauf der Vorgänge zu Zweifeln für die Annahme einer "Entschädigung" Anlaß, so führt eine rechtliche Würdigung zu einer Verneinung. Wenn auch mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs der Begriff "Entschädigung" im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG weit zu fassen und als gegeben anzusehen ist, wenn kein Rechtsanspruch auf Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen besteht, so kann doch von einer "Entschädigung" nur dann gesprochen werden, wenn wirtschaftlich ein Ersatz für den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen geleistet wird, d. h., wenn der zu einer bei dem Empfänger einkommensteuerpflichtigen Leistung Verpflichtete sich von seiner Verpflichtung durch Gewährung einer Entschädigung befreit, und der Berechtigte dadurch den Schaden, der ihm durch den Verlust der steuerpflichtigen Einkünfte entsteht, als abgegolten ansehen muß. Stets wird eine Rechts- und Billigkeitsgrundlage dafür zu fordern sein, daß etwas "entschädigt" wird, das entgangen ist oder entgeht. Wird dagegen nur die Tatsache, daß ein Arbeitnehmer seine bisherige Stellung aufgibt, als äußerer Anlaß genommen, diesem für längere erfolgreiche Dienste eine Geldzahlung zu bewilligen, ohne daß die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers nach dem Ausscheiden oder andere Gründe eine Unterstützung geboten erscheinen lassen, so liegt nur eine Anerkennung geleisteter Dienste und nicht eine "Entschädigung" für entgehende Einnahmen vor. Bleibt die wirtschaftliche Lage nach dem Ausscheiden aus dem Dienst etwa gleich oder wird sie gar besser, so besteht zur Gewährung einer Abfindung oder "Entschädigung" weder ein rechtlicher noch ein sittlicher Zwang. Die "Entschädigung" muß unmittelbar durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen bedingt sein, sie darf nicht auf anderen Umständen beruhen und muß an die Stelle von einkommensteuerpflichtigen Einkünften treten; sie soll einen Schaden ausgleichen, der entstünde, wenn die bisherigen Einnahmen ersatzlos wegfielen, mit denen zunächst zu rechnen war. Nach dem vom Finanzgericht ohne Verstoß gegen den Akteninhalt und ohne Verfahrensmängel festgestellten und daher für den Senat bindenden Sachverhalt hatte die frühere Arbeitgeberin, nachdem sie sich bereit erklärt hatte, auf Grund der Kündigung das Arbeitsverhältnis zu lösen, weder rechtlich noch sittlich eine Verpflichtung, zusätzlich zu ihren Entgegenkommen noch eine "Entschädigung" oder eine Abfindung zu leisten. Der Bf. hat zudem keinen Schaden erlitten, er hat im Gegenteil für den gleichen Zeitraum (31. Oktober 1948 bis 31. Oktober 1949) seine wirtschaftliche Lage erheblich verbessert. Es ist hierbei nicht nur, wie die Rb. irrtümlich meint, die für die geschäftsführende Tätigkeit bei der KG vorab gezahlte Vergütung von 10.000 DM zu berücksichtigen, sondern auch die übrigen bei der KG erzielten Gewinne, d. h. es muß die gesamte wirtschaftliche Lage berücksichtigt werden, wie sie sich nach dem Ausscheiden gestaltet hat. Diese Gewinne werden nicht zuletzt auch auf der Betätigung des Bf. in der KG beruhen; sie würden zumindesten in dieser Höhe nicht erreicht worden sein. Es lagen sonach keinerlei ethische oder Billigkeitsgründe vor, dem Bf. etwa zur überbrückung eine Zuwendung zuteil werden zu lassen, um so weniger, als er seine Stellung von sich aus aufgeben wollte und daran interessiert war, möglichst frühzeitig sein Anstellungsverhältnis beendet zu sehen. Weder die besonderen Arbeitsbeziehungen noch der gegebene Sachverhalt bieten einen ausreichenden Anhalt dafür, daß eine "Entschädigung" mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden könnte. Der Bf. hat mit den erhaltenen Halbjahresbezügen nicht etwas an Stelle von einkommensteuerpflichtigen Einkünften erhalten, was einen Schaden für ersatzlos weggefallene Einnahmen ausgleichen soll, die "Entschädigung" ist nicht unmittelbar durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen bedingt - ein solcher ist überhaupt nicht eingetreten -, er hat vielmehr durch die von ihm veranlaßte Auflösung des Arbeitsverhältnisses seine wirtschaftliche Lage um ein Mehrfaches verbessert und zusätzlich noch eine Zahlung erhalten, die er weder rechtlich, sittlich, nach Treu und Glauben und nach dem Urteil billig Denkender erwarten durfte. Es muß daher der vom Finanzgericht gezogenen Folgerung beigetreten werden, daß die "Abschlußzahlung" mit Rücksicht auf die bisher geleisteten Dienste zugebilligt worden ist. Liegt danach eine "Entschädigung" nach § 24 Ziff. 1 EStG nicht vor, so kommt bereits aus diesem Grunde die Anwendung des § 34 EStG nicht in Betracht, so daß nicht untersucht zu werden braucht, ob es sich um außerordentliche Einkünfte handelt, da nur bei Vorliegen solcher die Tarifermäßigungsvorschrift zum Zuge kommen kann. Die Rb. war vielmehr bereits deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 24 Ziff. 1 EStG nicht gegeben sind.
Fundstellen
Haufe-Index 407550 |
BStBl III 1953, 57 |
BFHE 1954, 144 |
BFHE 57, 144 |