Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtrechtsnachfolge einer Kapitalgesellschaft nach einer GbR

 

Leitsatz (NV)

1. Die Gesamtrechtsnachfolge einer Kapitalgesellschaft nach einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) kann eintreten, wenn die Gesellschaftsanteile der GbR auf die Kapitalgesellschaft übertragen und bei dieser in einer Hand vereinigt werden. Ein nach Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge an die GbR gerichteter Bescheid über Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer ist unwirksam.

2. Die ehemaligen Gesellschafter der GbR sind befugt, die Rechtsscheinwirkung des unwirksamen Bescheides an die erloschene GbR anzufechten. Ein darüber hinausgehender Verpflichtungsantrag auf Erlaß der nicht entstandenen Nachzahlungszinsen geht ins Leere.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 1; AO 1977 §§ 227, 233a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Nach der Sachverhaltsschilderung des Finanzgerichts (FG) wurde die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren, zum 1. Januar 1990 "im Wege einer sog. übertragenden Umwandlung (Änderung der Nämlichkeit des Steuersubjekts)" in eine GmbH umgewandelt. Das Betriebsvermögen der GbR wurde in die GmbH eingebracht.

Der Einbringungsvorgang wurde seitens der GbR umsatzsteuerlich nicht erfaßt. Lediglich in der im Juni 1991 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung der GmbH wurde folgender Hinweis angebracht: "Aus Vereinfachungsgründen wurden die umsatzsteuerlichen Konsequenzen aus der Sachgründung nicht gezogen."

1993 fand eine Außenprüfung für den Besteuerungszeitraum 1989 der GbR statt. Die Prüfungsanordnung vom 2. März 1993 erging an die "Mitunternehmer der am 31. 12. 1989 aufgegebenen GbR ... ". Der Prüfer stellte fest, daß die Einbringung des Betriebsvermögens durch die GbR in die GmbH nicht der Umsatzsteuer unterworfen worden war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte daraufhin mit Bescheid vom 9. November 1993 die Umsatzsteuer 1990 der GbR mit ... DM fest. Gleichzeitig setzte er gemäß §233 a der Abgabenordnung (AO 1977) für die Zeit vom 1. April 1992 bis 13. Dezember 1993 (= 20 Monate zu 0,5 v. H. = 10 v. H.) Nachzahlungszinsen aus ... DM in Höhe von ... DM gegen die GbR fest.

Der Steuerbescheid und der mit ihm verbundene Zinsbescheid wurden von der GbR nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.

Sie beantragte vielmehr mit Schreiben vom 10. November 1993 den Erlaß der Zinsen gemäß §227 AO 1977 wegen Unbilligkeit. Das FA erließ mit Verfügung vom 9. Dezember 1993 die Nachzahlungszinsen für einen Monat in Höhe von ... DM. Im übrigen lehnte es den Erlaß ab.

Das FG wies die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die den Erlaß ablehnenden Erwägungen der Verwaltung seien nicht zu beanstanden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die "GbR" unter Vorlage der Prozeßvollmachten ihrer früheren Gesellschafter Verletzung insbesondere der §§227, 233 a AO 1977 und beantragt sinngemäß, das erst instanzliche Urteil, die Beschwerdeentscheidung und den Ablehnungsbescheid aufzuheben und das FA zu verpflichten, dem Erlaßantrag stattzugeben bzw. über den Erlaßantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hilfsweise beantragt sie die Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Der Senat kann in der Sache anhand der bisher vorliegenden Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit hängt zunächst davon ab, ob die GmbH aufgrund der vereinbarten "Umwandlung" Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR geworden ist. Zwar sieht das Umwandlungsgesetz i. d. F. vom 6. November 1969 (BGBl I 1969, 2081, BStBl I 1969, 806) -- worauf das FA in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat -- die Umwandlung einer GbR in eine GmbH nicht vor. Gleichwohl ist die Gesamtrechtsnachfolge einer Kapitalgesellschaft nach einer GbR nicht ausgeschlossen; sie kann eintreten, wenn die Gesellschaftsanteile der GbR auf die Kapitalgesellschaft übertragen und bei dieser in einer Hand vereinigt werden.

Wenn im Streitfall die GmbH Rechtsnachfolgerin der GbR geworden sein sollte, so wäre für den Besteuerungszeitraum 1990 nicht die GbR Adressat für Steuerbescheide, sondern die GmbH. Der Bescheid vom 9. November 1993 über Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1990 wäre unwirksam, weil er an die GbR statt an die GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin gerichtet wurde (vgl. Urteil des Senats vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279). Dies hätte zur Folge, daß die ehemaligen Gesellschafter der GbR befugt wären, die Rechtsscheinwirkung des (unwirksamen) Bescheides an die erloschene GbR anzufechten und sich gegen den Rechtsschein zu wenden, der von der Ablehnung des Erlaßantrags hinsichtlich der Nachzahlungszinsen und der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion ausginge. Dieses Aufhebungsbegehren wäre von der Verpflichtungsklage umfaßt (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §40 Rz. 18 ff.). Der darüber hinaus auf Erlaß der (nicht entstandenen) Nachzahlungszinsen gerichtete Verpflichtungsantrag ginge ins Leere.

Die Sachverhaltsschilderung des FG ("sog. übertragende Umwandlung -- Änderung der Nämlichkeit des Steuersubjekts --") ist insoweit unklar und kann die notwendigen Feststellungen tatsächlicher Art nicht ersetzen. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, wie der Wechsel des Betriebs der Kläger von der GbR zur GmbH erfolgt ist. Aus den Akten, soweit sie als in bezug genommen angesehen werden können, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 232

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