Leitsatz (amtlich)

Der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG unterliegt der Börsenumsatzsteuer.

 

Normenkette

KVStG 1972 § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Tatbestand

I.

Die H-Gesellschaft mbH sowie die Klägerin und Revisionsbeklagte, eine KG, waren Komplementäre der N-KG (im folgenden GmbH & Co. KG). Am 6. Dezember 1972 faßten die Gesellschafter der Klägerin und der GmbH & Co. KG einen Beschluß, wonach der Komplementäranteil der Klägerin in Höhe von 2 900 000 DM Kommanditeinlage aufgeteilt und auf die Gesellschafter der Klägerin übertragen werden sollte. Auf Frau P sollte eine Kommanditbeteiligung von 300 000 DM entfallen. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils an sie erfolgte gegen Kürzung ihres Guthabens an der Klägerin.

Das beklagte FA setzte wegen dieses Rechtsgeschäfts 750 DM Börsenumsatzsteuer fest; der Bescheid erging vorläufig nach § 100 Abs. 2 AO.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG war der Ansicht, der übertragene Anteil an der GmbH & Co. KG sei kein Wertpapier im Sinne des § 19 KVStG, da die GmbH & Co. KG aufgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG nur für die Gesellschaftsteuer, nicht aber für die Börsenumsatzsteuer als Kapitalgesellschaft gelte.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 KVStG gelte nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht nur für den die Gesellschaftsteuer betreffenden Teil I des Kapitalverkehrsteuergesetzes, sondern für das gesamte Gesetz; für eine einengende Auslegung der Vorschrift bestehe kein Grund.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Revision des FA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

Der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere unterliegt der Börsenumsatzsteuer (vgl. § 17 Abs. 1 KVStG 1972). Anschaffungsgeschäfte sind entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind (§ 18 Abs. 1 KVStG 1972). Als Wertpapiere gelten gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 auch Dividendenwerte; als solche gelten u. a. Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften (§ 19 Abs. 2 KVStG 1972). Der von Frau P erworbene Kommanditanteil an der GmbH & Co. KG ist ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KVStG 1972.

Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG gilt die GmbH & Co. KG als Kapitalgesellschaft. Die Vorschrift ist -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- aber keine auf Teil I des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1972 beschränkte Fiktion, sondern enthält eine für das gesamte Kapitalverkehrsteuergesetz geltende Begriffsbestimmung, ähnlich wie der Begriff "Schuldverschreibung" in § 12 KVStG nicht nur mit Geltung für die einstige Wertpapiersteuer, sondern mit Geltung für das gesamte Kapitalverkehrsteuergesetz definiert worden war. § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 ist zwar in dem die Gesellschaftsteuer betreffenden Teil I des Gesetzes enthalten und nicht in Teil IV. Die im Kapitalverkehrsteuergesetz geregelten verschiedenen Steuern (§ 1 KVStG) hängen jedoch insofern sachlich zusammen, als sie Rechtsvorgänge des Kapitalverkehrs betreffen. Das erfordert ein gewisses Mindestmaß an einheitlicher Begriffsbestimmung. Deshalb ist davon auszugehen, daß die im Kapitalverkehrsteuergesetz enthaltenen Begriffsbestimmungen jeweils für das ganze Gesetz gelten, soweit die jeweilige Begriffsbestimmung nicht eine Begrenzung ihres Geltungsbereichs ausspricht oder in den einzelnen Teilen des Gesetzes ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben ist. Der formale sich historisch erklärende Gesetzesaufbau ist kein hinreichender Grund, die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen. Auch aus dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ergibt sich nicht, daß für die Auslegung der Steuervorschriften etwa dieselben Grundsätze wie für Strafvorschriften gelten (vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl., S. 167). Es besteht keine Regel, daß ein Steuergesetz im Zweifel pro fisco oder contra fiscum ausgelegt werden müsse (vgl. Beisse in Handwörterbuch des Steuerrechts, Stichwort Auslegung S. 91, dort B 2 a S. 95).

Es ist zwar richtig, daß es Kern des gesetzlichen Regelungsinhalts der Börsenumsatzsteuer ist, den Abschluß von Anschaffungsgeschäften über leicht übertragbare Anteile an Kapitalgesellschaften zu besteuern, und daß regelmäßig Kommanditanteile nicht dazu gehören. Das Gesetz beschränkt sich jedoch nicht darauf, nur Fälle dieser Art zu erfassen, sondern besteuert auch Anschaffungsgeschäfte über Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht das Merkmal der leichten Übertragbarkeit aufweisen. So bedarf es z. B. zur Abtretung eines GmbH-Anteils eines notariellen Vertrags (§ 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz); darüber hinaus kann die Übertragbarkeit durch Gesellschaftsvertrag beschränkt, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschafter abhängig gemacht werden, u. U. sogar ganz ausgeschlossen werden; bei der GmbH & Co. KG kann dagegen der Gesellschaftsvertrag dahin ausgestaltet sein, daß der Gesellschaftsanteil formfrei übertragbar ist. Dem Einwand, der Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG sei kein Wertpapier, an dem gemäß § 18 Abs. 1 KVStG Eigentum erworben werden könne, ist entgegenzuhalten, daß -- wäre diese Auffassung zutreffend -- dann auch Anschaffungsgeschäfte über GmbH-Anteile von der Börsenumsatzsteuer ausgenommen sein müßten. Diese Ansicht ist jedoch mit dem Gesetz nicht vereinbar. Der GmbH-Anteil wie der Kommanditanteil an der GmbH & Co. KG sind kraft Definition andere Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 und damit Dividendenwerte (§ 19 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972).

Der Umstand, daß der Erwerb eines Kommanditanteils einer GmbH & Co. KG früher nicht der Börsenumsatzsteuer unterlag, beantwortet nicht die Frage, welche Auswirkungen die Änderung des Begriffs der Kapitalgesellschaft in § 5 KVStG durch das Gesetz zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 1971 -- KVStÄndG -- (BGBl I 1971, 2134, BStBl I 1972, 13) auf die Rechtslage hat. Das Gesetz vom 23. Dezember 1971 ist zwar im Hinblick auf die Gesellschaftsteuer ergangen (vgl. Bundestags-Drucksache VI/2769 S. 5); daraus ergibt sich aber nicht, daß § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 insofern einen Redaktionsfehler enthalte, als es die Begriffsbestimmung nicht auf Kapitalgesellschaften im Sinne des Teils I des Kapitalverkehrsteuergesetzes beschränkt habe. Die Richtlinie des Rats der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335 EWG; Amtsblatt vom 3. Oktober 1969 Nr. L 249/25) trifft für die Gesellschaftsteuer, nicht für die Börsenumsatzsteuer die inhaltliche Regelung. Das beruht darauf, daß nach Art. 11 der Richtlinie die Mitgliedsstaaten grundsätzlich keine Börsenumsatzsteuer erheben sollen. Wollte der deutsche Gesetzgeber einerseits der Richtlinie des Rats durch Änderung des Gesellschaftsteuerrechts entsprechen, andererseits aber von der in Art. 12 der Richtlinie offengehaltenen Möglichkeit, die Börsenumsatzsteuer zu erheben, Gebrauch machen, so besagt die Beschränkung der EWG-Richtlinie auf das Gesellschaftsteuerrecht nichts darüber, inwieweit die Änderung des Gesellschaftsteuerrechts sich auf das Börsenumsatzsteuerrecht auswirkte.

Mag der Begründung zum KVStÄndG 1971 (a. a. O.) auch zu entnehmen sein, daß die Änderung der §§ 5 und 6 KVStG nur für die Gesellschaftsteuer gelten sollte, so ist die Begründung aber jedenfalls nicht Inhalt des Gesetzes geworden. Hätte der Gesetzgeber die Fiktion auf das Gebiet der Gesellschaftsteuer beschränken wollen, so hätte er das erreichen können, wenn er das Gesetz entsprechend gefaßt hätte. Die in der Begründung des Gesetzes zum Ausdruck gekommene Einschränkung reicht jedoch nicht aus, um das Kapitalverkehrsteuergesetz entgegen seinem Wortlaut auszulegen.

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 7

BFHE 1976, 106

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