Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen das GG, wenn Wertpapiere mit ihrem Steuerkurswert bzw. gemeinen Wert bei der Vermögensteuer zugrunde gelegt werden.

2. Es verstößt ebenso nicht gegen das GG, wenn sowohl die Kapitalgesellschaft mit ihrem Betriebsvermögen als auch die Anteilseigner mit dem Wert der Anteile zur Vermögensteuer herangezogen werden.

 

Normenkette

VStG § 4; BewG a.F. § 13 Abs. 1, § 69 Abs. 1, §§ 70-72; GG Art. 3, 14

 

Tatbestand

Streitig ist die Erfassung von Wertpapierbesitz bei der Vermögensteuer mit den festgesetzten Steuerkurswerten.

Das auf den 1. Januar 1960 ermittelte Gesamtvermögen des Steuerpflichtigen (Revisionskläger) bestand ausschließlich aus Wertpapieren. Sie wurden bei der Veranlagung zur Vermögensteuer mit den Steuerkurswerten vom 31. Dezember 1959 angesetzt.

Der Einspruch wurde damit begründet, daß die Heranziehung der Wertpapiere mit ihrem realen Wert am Bewertungsstichtag einerseits und des Grundbesitzes mit den noch auf den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 beruhenden Einheitswerten andererseits zu einer verfassungswidrigen ungleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen führe (Artikel 3 GG); er wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos. So verschiedene Tatbestände wie der Besitz von Grundvermögen, insbesondere auch von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, und der Besitz von Wertpapieren könnten - wie das FG ausführte - nicht als gleichartig angesehen werden. Die beiden Vermögensarten unterschieden sich nicht nur in ihrem wirtschaftlichem Gehalt, sondern auch nach ihrer Zweckbestimmung und ihrer Verkehrsfähigkeit. In der Heranziehung des Wertpapierbesitzes und des Grundbesitzes mit den nach den Vorschriften des BewG ermittelten Werten liege kein Verstoß gegen Artikel 3 GG. Auch der Einwand, die Erfassung des Wertpapierbesitzes mit den Steuerkurswerten verletze die Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG, sei nicht begründet.

Mit der Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, nimmt der Steuerpflichtige auf sein bisheriges Vorbringen Bezug. Er weist zusätzlich hinsichtlich der Besteuerung des Anteilsbesitzes aus Kapitalgesellschaften auf die doppelte Erfassung des Wirtschaftlich gleichen Vermögens bei der Gesellschaft und beim Anteilseigner sowie auf die Entscheidung des BVerfG 1 BvL 149/52 vom 11. Juni 1958 (BVerfGE 8, 28) hin.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Der erkennende Senat hat durch Urteil III 97/65 vom 29. April 1966 (BFH 86, 4, BStBl III 1966, 360) die Verfassungsmäßigkeit der noch auf den Wertverhältnissen 1935 beruhenden Einheitswerte für den Grundbesitz bejaht. Er hat auch bereits entschieden, daß es nicht gegen das GG verstößt, wenn Aktien unter Zugrundelegung des Kurswertes zur Vermögensteuer herangezogen werden. Im Urteil III 186/64 U vom 30. Juli 1965 (BFH 83, 290, BStBl III 1965, 574) wurde ausgeführt, die Erhebung der Vermögensteuer unter Zugrundelegung der Kurswerte verstoße nicht gegen Artikel 14 GG. Auf die Begründung dieses Urteils wird insoweit Bezug genommen. Der Senat hat in dem Urteil III 186/64 U (a. a. O.) weiter die Auffassung vertreten, daß auch der Einwand unbegründet sei, die Erfassung der Wertpapiere bei der Vermögensbesteuerung mit ihrem Börsenkurs verstoße gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG. Er hat dazu ausgeführt: "Selbst dann, wenn man mit dem Beschwerdeführer in der Erfassung von Grundstücken bei der Vermögensteuerveranlagung mit den Einheitswerten auf der Grundlage der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1935 einen Verstoß gegen Artikel 3 GG annehmen wollte, hätte der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine vom Gesetz abweichende niedrigere Bewertung seiner Wertpapiere bei der Vermögensteuerveranlagung. Enthält nämlich eine Vorschrift unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes eine begünstigende Regelung, so kann die Gleichheit nicht dadurch wiederhergestellt werden, daß anstelle des Gesetzgebers das Gericht die bisher nicht berücksichtigte Gruppe in die Anwendung der Begünstigungsvorschrift einbezieht (Beschluß des BVerfG 1 BvL 19, 21/58 vom 14. April 1959, BVerfGE Bd. 9 S. 250 [255]; vgl. auch Urteil des BFH VI 298/60 U vom 18. Dezember 1964, BStBl 1965 III S. 144 Slg. Bd. 81 S. 401 unter Abschn. IV Ziff. 2 am Ende). "Der Senat hat schließlich in dem Urteil III 186/64 U (a. a. O.) entschieden, daß auch § 69 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in der am 1. Januar 1960 geltenden Fassung nicht gegen das GG verstößt. An diesen Entscheidungen, auf die im einzelnen verwiesen wird, hält der Senat fest.

Auch der Einwand, die Erfassung der Wertpapiere bei der Vermögensteuer natürlicher Personen sei deshalb verfassungswidrig, weil sie im Ergebnis eine doppelte Belastung des Vermögens der Kapitalgesellschaften darstellt, ist unbegründet. Hierzu hat der Senat in der Entscheidung III 197/62 vom 12. November 1965 (HFR 1966 S. 141) folgendes ausgeführt:

"Wie der BFH in der Entscheidung I 141/57 U vom 4. November 1958 (BStBl 1959 III S. 50, Slg. Bd. 68 S. 130) hervorhob, hat die Rechtsprechung bei der Besteuerung der Rechtsform insbesondere für die Abgrenzung der körperschaftsteuerpflichtigen und nicht körperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigung wesentliche Bedeutung zugemessen. In der Entscheidung I 216/43 vom 21. März 1944 (RStBl 1944 S. 396) hat der RFH nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die KSt-Pflicht mit der Rechtsform verknüpft sei. Es sei dabei ohne Bedeutung, ob betriebliche oder persönliche Gründe für die Gründung einer Kapitalgesellschaft maßgebend gewesen seien. Die Anknüpfung der Besteuerung an die bürgerlich-rechtlich gewählte Form entspricht auch dem Wunsche der Stpfl. Es wird auf diese Weise ein größerer Grad von Rechtssicherheit geschaffen. Der Kaufmann kann seine Entschlüsse auf zuverlässigen Grundlagen aufbauen. Die ordentlichen Gerichte, so insbesondere der BGH, haben die Rechtsgestaltung der Kapitalgesellschaft bei Haftungsfragen gleichfalls als entscheidend angesehen, so die Entscheidungen des BGH II ZR 168/54 vom 30. Januar 1956 (BGHZ Bd. 20 S. 4) und II ZB 11/56 vom 9. Oktober 1956 (BGHZ Bd. 21 S. 378). Ebenso wie bei der KSt führt die selbständige Heranziehung der Körperschaften zur VSt zu einer Doppelbesteuerung, weil die Anteilseigner als natürliche Personen mit ihrem anteiligen Vermögenswert ebenfalls selbständig vermögensteuerpflichtig sind. Infolge der weitgehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit der Anteile an Kapitalgesellschaften muß der einzelne Anteil unabhängig von der Kapitalgesellschaft als selbständiges Wirtschaftsgut angesehen werden. Wenn es der Gesetzgeber bei der Erhebung der VSt auf die bürgerlichrechtliche Rechtsform abstellt und deshalb sowohl natürliche Personen mit ihrem Gesamtvermögen einschließlich der Wertpapiere (Aktien) wie auch daneben die Kapitalgesellschaften selbst zur VSt heranzieht, so ist das nicht zu beanstanden. Auch aus der Rechtsprechung des BVerfG ist nichts zu entnehmen, was für eine Unzulässigkeit der Vermögensbesteuerung sowohl z. B. der AG wie auch des Aktionärs mit seinem Anteil spricht. Im Urteil 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BVerfGE Bd. 13 S. 332 [339, 340]), macht das BVerfG folgende Ausführungen:

'Wegen der Eigenart des in erster Linie fiskalischen Zwecken dienenden Steuerrechts braucht der Steuergesetzgeber zwar nicht durchgängig an die bürgerlichrechtliche Ordnung anzuknüpfen. Privat- und Steuerrecht sind aber dort tiefgreifend verbunden, wo das Steuerrecht nicht nur an die gegebenen Lebensverhältnisse und damit auch an ihre zivilrechtliche Ordnung anknüpft, sondern den Steuergegenstand prinzipiell nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Gewiß schließt auch solche qualifizierte Verbindung nicht schlechthin steuerrechtliche Abweichungen von der zivilrechtlichen Gestaltung im einzelnen aus: "sachlich hinreichend gerechtfertigt" im Sinne der Judikatur des BVerfG (BVerfGE Bd. 9 S. 20 [28] und 201 [207] ist eine Abweichung jedoch in einem Falle, in dem das Steuergesetz die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit aufgibt, nur dann, wenn sie von überzeugenden Gründen getragen ist. Wenn es schon bei jeder derartigen Anknüpfung nicht nur im Interesse der Klarheit und Einheit, sondern vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung liegt, die Entsprechung von Privatund Steuerrecht durchgehend zu wahren, also die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu achten, so ist es besonders bedenklich, wenn die benützte zivilrechtliche Ordnung vom Steuerrecht gerade an der Stelle durchbrochen wird, die ihre eigentliche rechtliche Bedeutung ausmacht (vgl. hierzu Bühler Strickrodt, Steuerrecht, 3. Auflage, Bd. 1, insbesondere S. 173, 311 und 649).'

Hieraus ergibt sich, daß das BVerfG eine Besteuerung als verfassungsgemäß ansieht, die an die bürgerlichrechtliche Ordnung anknüpft. Dem schließt sich auch der Senat an."

Auch an dieser Entscheidung hält der Senat fest.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bestand keine Veranlassung, der Anregung des Steuerpflichtigen, das Verfahren auszusetzen, zu entsprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412872

BStBl II 1968, 293

BFHE 1968, 169

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