Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Befangenheit wegen Mitteilung eines ausführlichen Tatbestandes

 

Leitsatz (NV)

1. Das Verfahren nach §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 ff. ZPO darf nicht zu einem Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache umfunktioniert werden. Es ist nicht sein Sinn, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, Einfluß auf die Besetzung der Richterbank nur wegen einer von ihnen befürchteten fehlerhaften Entscheidung zu nehmen.

2. Es ist nicht der Sinn des Verfahrens nach §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 ff. ZPO, daß das Revisionsgericht schon im Vorbereitungsstadium eines Urteils die Überzeugungsbildung des FG rechtlich überprüft und im Beschwerdeverfahren darüber entscheidet, welcher Sachverhalt dem Urteil zugrunde zu legen ist.

3. Die Erfassung eines Sachverhaltes in einem vorbereitenden "Tatbestand" gibt keine Veranlassung zur Voreingenommenheit der betroffenen Richter.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 ff.

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) klagt vor dem Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) wegen Körperschaft steuer 1983. Der Rechtsstreit betrifft zwei vom FA angenommene verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin gegenüber dem Alleingesellschafter der Klägerin, A, in Höhe von ... DM bzw. in Höhe von ... DM. Die erste verdeckte Gewinnausschüttung soll der B-GmbH von der Klägerin zugeflossen sein. Alleinige Gesellschafterin der B-GmbH war die Ehefrau des A. A hatte einen zivilrechtlichen Anspruch gegen seine Ehefrau auf Abtretung der Gesellschaftsanteile an der B-GmbH. Die zweite verdeckte Gewinnausschüttung soll in der Vereinnahmung eines Grundstückskaufpreises in Höhe von ... DM durch A liegen, der der Klägerin zugestanden haben soll.

In dem Rechtsstreit anberaumte der zuständige Vorsitzende Richter am FG C einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Januar 1994. Die entsprechende Ladung datiert vom 20. Dezember 1993. Sie wurde der Klägerin am 22. Dezember 1993 zugestellt. Der Ladung waren einige Foto kopien und außerdem folgender Zusatz beigefügt:"

Als Anlage zur Ladung werden Unterlagen zur Kenntnisnahme aus dem Zivilprozeß beim LG/OLG D übersandt. Ferner wird darauf hingewiesen, daß dem Gericht die der Forderungsberechnung (Anlage 5 zur Klagebegründung vom 5. 5. 1992) zugrundeliegenden Einzelbelege und Sachkonten trotz Anforderung vom 26. 8. 1993 und der Zusage im Erörterungstermin nicht vorgelegt wurden. Der Prozeßbevollmächtigte wird aufgefordert, diese Unterlagen sowie Buchhaltungs-, Vertrags- und andere Unterlagen für das im Erörterungstermin vom 27. 8. 1993 vorgetragene Darlehen vom 25./31. 10. 1983 über DM ... spätestens bis zum 10. 1. 1994 dem Gericht vorzulegen. Die Beteiligten werden ferner gebeten, den beigefügten Tatbestand durchzuarbeiten. Sollten aus ihrer Sicht noch Ergänzungen oder Änderungen erforderlich sein, so wird gebeten, diese bis 21. 1. 1994 -- hier eingehend -- mitzuteilen.

Da sämtliche Akten zur Vorbereitung des Gerichts auf die mündliche Verhandlung benötigt werden, kommt deren Versendung nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 8. 5. 1992 III B 138/92, BFH/NV 1993, 206 und Schreiben des Berichterstatters vom 15. 9. 1993 sowie S. 10 der Niederschrift vom 27. 08. 1993). Soweit die Akten bei der Geschäftsstelle des Senats eingesehen werden sollen, wird um Terminsvereinbarung mit dem Beamten E gebeten."

Außerdem war der Ladung ein mit "Tatbestand" bezeichnetes 63seitiges Schriftstück beigefügt.

Mit Schreiben vom 14. Januar 1994 beantragte die Klägerin, den Termin vom 27. Januar 1994 aufzuheben. Mit Schreiben vom 15. Januar 1994 machte die Klägerin ihre Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des ... Senats des FG, Vorsitzender Richter am FG C und des Berichterstatters, Richter am FG R, geltend. Der entsprechende Antrag wurde im wesentlichen darauf gestützt, daß

-- der Berichterstatter überflüssigerweise und ausufernd Gerichtsakten bei sachfremden Vorgängen beigezogen habe,

-- in dem mit der Ladung übersandten Tatbestand die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Klägerin in Verbindung mit denjenigen der B-GmbH einerseits in unnötiger Breite und andererseits lückenhaft dargestellt worden seien,

-- der Sachverhalt bezüglich einer Bauherrengemeinschaft und eines Erwerbs der F- GmbH aus dem Projekt G-Straße verwirrend und unrichtig aufbereitet worden sei,

-- Sachverhalte auf eine Art und Weise wiedergegeben würden, daß ein unrichtiger Eindruck erweckt werde.

Die Klägerin sah in diesen Umständen eine bis zur Rechtsbeugung gehende Tendenz, welche keine unbefangene Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache mehr zulasse. Der Vorsitzende des ... Senats des FG habe bei der Verfügung über die Ladung der Beteiligten zum Termin vom 27. Januar 1994 Kenntnis von dem als "Tatbestand" bezeichneten Schriftstück gehabt und diesen gebilligt. Daraus ergebe sich die Besorgnis der Klägerin seiner Befangenheit.

Die beiden abgelehnten Richter äußerten sich dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch. Sie erklärten, sich nicht befangen zu fühlen.

Das FG lehnte den Antrag durch Beschluß vom 2. März 1994 ab. An dem Beschluß wirkten die Richter am FG G, H und J mit. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. März 1994 zugestellt. Sie legte am 14. März 1994 Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung weist die Klägerin darauf hin, daß das mit "Tatbestand" bezeichnete und zusammen mit der Ladung übersandte Schriftstück in Wirklichkeit der Teil eines bereits vorbereiteten Urteils gewesen sei, das die Bezeichnung des Gerichts, die Formulierung "Im Namen des Volkes", die Bezeichnung "Urteil", die Bezeichnung der Beteiligten, ihres Prozeßbevollmächtigten und die Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Die Klägerin listet sodann folgende 43 Fehler auf, die der sog. Tatbestand enthalten soll:

1. Das FG behaupte unzutreffenderweise, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung zwischen zwei Schwestergesellschaften streitig sei. Tatsächlich seien die Gesellschafter der Klägerin und der Fa. B Eheleute.

2. Das FG führe unzutreffenderweise aus, die Eheleute A seien Gesellschafter der Klägerin. Tatsächlich besitze A zwei Geschäftsanteile über nominal 19 500 DM und 500 DM.

3. Das FG führe unzutreffenderweise aus, daß A als Rechtsanwalt in D tätig gewesen sei. Tatsächlich sei er noch heute als Rechtsanwalt in D tätig.

4. Das FG führe unzutreffenderweise aus, A sei alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Firma K-GmbH. Die GmbH habe ein Stammkapital, das am 31. Dezember 1984 noch nicht eingezahlt worden sei. Tatsächlich laute der Firmennamen der GmbH " ... ". Das Stammkapital betrage 50 000 DM. Es sei eingezahlt. Die K- GmbH stehe mit den streitgegenständlichen Rechtsfragen in keinerlei Zusammenhang.

5. Das FG beklage sich, daß der Vertrag vom 13. Dezember 1977 (Ur. Nr. ... /1977) erst durch Schreiben vom 3. August 1993 offengelegt wurde. Es bemerkte, daß Frau A alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der B gewesen sei. Tatsächlich sei Frau A noch heute alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin.

Bereits mit Schreiben vom 2. Februar 1993 habe die Klägerin die Gerichtsakten in Sachen ... vorgelegt. Bei diesen Gerichtsakten hätten sich die Verträge befunden. Es sei deshalb unverständlich, wieso das FG die mangelnde Kenntnis des Inhalts der Verträge beklage. Es sei dem FG ein leichtes gewesen, die Gerichtsakten durchzulesen.

6. Das FG behaupte, seit Mitte 1982 lebten die Eheleute A zumindest zweitweise getrennt. Dies habe mit dem Streitgegenstand des Rechtsstreits nichts zu tun.

7. Das FG führe unzutreffenderweise aus, daß wegen familienrechtlicher Ansprüche ein Prozeß vor dem Landgericht D stattgefunden habe. Tatsächlich hätten die Eheleute A nie einen solchen Prozeß geführt.

8. Das FG behaupte unzutreffenderweise, daß die Firma B-GmbH hauptsächlich von den Beschäftigten der Klägerin betrieben und auch von dort bezahlt werde. Tatsächlich sei Klägerin des Rechtsstreits die Firma L-GmbH. Die Klägerin betreibe kein Rechtsanwaltsbüro. Die Durchführung des Bauvorhabens in D sei von A und nicht von den Kanzleiangestellten des A betrieben worden.

9. Das FG behaupte unzutreffenderweise, die B-GmbH habe überhaupt keine kaufmännischen Angestellten gehabt. Tatsächlich habe die B-GmbH ausweislich der Bilanzen Personalkosten in Höhe zwischen jährlich 14 562,05 DM und 63 973,90 DM. Darüber hinaus sei eine Reihe von Mit arbeitern über Vertriebskosten bezahlt worden.

10. Das FG verkenne, daß ein Strohmann aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet werde.

11. Das FG führe aus, daß A im Streitjahr juristischer Eigentümer der Anteile an der B-GmbH gewesen sei. Dies könne rechtlich nicht eingeordnet werden. Es gebe keinen juristischen Eigentümer. Das deutsche Recht kenne nur das Eigentum an Sachen und die Inhaberschaft von Forderungen.

12. Das FG führe aus, daß die Klägerin als Verkäuferin der Grundstücke auftreten sollte, während die B-GmbH als Generalunternehmer für die Erstellung der Gebäude zuständig gewesen sei. Diese Aufteilung solle vorgenommen worden sein, um die Grunderwerbsteuer aus den Herstellungskosten zu sparen. Diese Ausführungen seien falsch. Die Aufteilung sei vorgenommen worden, um den Erwerbern die Grunderwerbsteuer aus den Gesamtgestehungskosten (Kaufpreis für das Grundstück und Werklohn für den Bauvertrag) zu ersparen.

13. Das FG führe zutreffend aus, daß die Klägerin mit der Firma F-GmbH am 1. April 1978 eine Gewinnverteilungsvereinbarung geschlossen habe. Es verschweige jedoch, daß diese Vereinbarung am 16. Dezember 1980 aufgehoben worden sei. Es sei völlig unverständlich, wieso das FG auf fast einer Seite des Tatbestandes Ausführungen über den Inhalt eines später einvernehmlich aufgehobenen Vertrages mache.

14. Zum Inhalt des Vertrages zwischen der Klägerin und der B-GmbH gehörten die Urkunden vom 15. Januar 1978, vom September 1978, vom 15. März 1980, vom 20. März 1980, vom 14. April 1980 und vom 20. April 1980. Diese Urkunden müßten im Zusammenhang erwähnt und erläutert werden.

15. Das FG führe aus:"

Nach einem Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 28. 4. 1981 an das Finanzamt (FA) M, auf dessen Inhalt verwiesen wird, und dem Vortrag im Klageverfahren hat die Klin 12 Bauplätze ohne Bauten an einzelne Bauherren verkauft."

Diese Ausführungen seien unverständlich. Dazu verweist die Klägerin auf ein Schreiben der B-GmbH an sie vom 15. März 1980.

16. Das FG erwähne in seinem Tatbestand die rechtserhebliche Tatsache nicht, daß die Klägerin dem Verlangen der B-GmbH im Schreiben vom 15. März 1980 durch schriftliche Erklärung vom 20. März 1980 zugestimmt habe.

17. Das FG führe unzutreffenderweise aus, daß es bezüglich der weiteren Einzelheiten auf das Muster des Bauvertrages vom 20. März 1980 zwischen L-GmbH/B- GmbH und den Eheleuten N verweise. Tatsächlich hätten die Eheleute N am 20. April 1979 mit der Klägerin einen Grundstückskaufvertrag und mit der B-GmbH einen Bauvertrag abgeschlossen.

18. Die Klägerin hält den Hinweis des FG auf das Schreiben der Klägerin vom 29. Juli 1981 für ergänzungsbedürftig.

19. Die Ausführungen des FG auf Seiten 15--24 des Tatbestandes seien unrichtig und rechtsunerheblich. Allein richtig sei, daß die B-GmbH einen Rechtsstreit gegen die Firma F-GmbH geführt habe. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) sei ein Vergleich abgeschlossen worden. Die F-GmbH habe sich verpflichtet, an die B-GmbH ... DM zzgl. 14 v. H. Umsatzsteuer zu bezahlen.

20. Das FG führe auf Seite 16 aus:"

Ende 1979/Anfang 1980 kamen die beherrschenden Gesellschafter und Geschäftsführer der genannten Gesellschaften A und O überein, sich gegenseitig aus den Bauvorhaben ihrer Firmen wechselseitig -- möglichst steuerfreie -- Vorteile im Wert von rd. ... DM zuzuwenden.

Nach später in verschiedenen Verträgen vom 22. 8. 1980 schriftlich festgehaltenen Absprachen sollte jedem der beiden Gesellschafter zu Lasten der von ihnen vertretenen Gesellschaften (F-GmbH einerseits und B-GmbH, L-GmbH andererseits) eine ,steuerfreie' Gewinnchance von ... DM eingeräumt werden."

Diese Ausführungen zeigten, daß das FG den ganzen Sachverhalt objektiv wahrheitswidrig wiedergebe.

Das FG verschweige den Erwerb von Miteigentumsanteilen an zwei Grundstücken durch A von den Eheleuten P. A habe die Kaufpreise bezahlt. Auf den erworbenen Grundstücksmiteigentumsanteilen sollten Eigentumswohnungen erstellt werden. Dazu seien Verträge mit der F-GmbH & Co. KG zu marktüblichen Preisen abgeschlossen worden. Dem A sei überhaupt nichts zugeflossen. Insbesondere sei ihm nichts zu Lasten der Klägerin zugeflossen. Das FG stelle seine Behauptungen ins Blaue hinein auf. Es gebe keinen Vertrag vom 22. August 1980, durch den dem A ein steuerfreier Vorteil zugeflossen sei.

Tatsächlich hätten sich die Herren O und A entschlossen, von der Klägerin jeweils eine Grundstücksfläche zur Bebauung mit einem 5-Familien-Haus zu erwerben, nachdem die ursprünglich geplanten Reihenhäuser wegen Lochfraßes in den Kupfer rohren nicht hätten gebaut werden können. O habe damals mit einem Gewinn in Höhe von ... DM aus dem Verkauf des 5-Familien-Hauses gerechnet. A habe lediglich verlangt, mit O gewinnmäßig gleichgestellt zu werden.

Das FG habe letztlich 10 Seiten auf einen Sachverhalt verwendet, der sich so nie zugetragen habe.

21. Das FG führe auf Seite 19 aus:"

Diese Vereinbarung ist zwar nicht unterschrieben, jedoch trugen die Beteiligten des landgerichtlichen Verfahrens, die Klägerin B unter anderem in Schriftsätzen vom 15. 10. 1984 und vom 15. Juli 1985 sowie die Beklagte in Schriftsätzen vom 24. 9. 1984, 27. 6. 1985 unbestritten vor, daß die Vereinbarung so abgeschlossen und durchgeführt wurde."

Diese Ausführungen seien unrichtig, weil die Vereinbarungen nicht so abgeschlossen und durchgeführt wurden. Deshalb sei auch der im Urkundenprozeß geltend gemachte Anspruch gescheitert. Dies habe das FG offensichtlich noch gar nicht wahrgenommen. Unzutreffend sei auch, daß gleich zeitig zwischen A und O ein Wertausgleich hätte erfolgen sollen. Es gebe auch keine Vereinbarung vom 22. August 1980.

22. Es sei falsch, wenn das FG auf Seite 20 ausführe: "Ein Betrag von ... DM zuzüglich 6,5 v. H. Umsatzsteuer = ... DM wurde am 12. 12. 1980 von der Fa. F-GmbH als Anwaltshonorar an A bezahlt."

23. Die B habe kein Interesse gehabt, der F- GmbH ein Betreuungshonorar zu bezahlen, wenn diese der B einen Verlust erwirtschafte. Das Betreuungshonorar habe deshalb unter dem Vorbehalt gestanden, daß die B einen Gewinn von mindestens ... DM erzielen würde.

24. Das FG habe auch den Vertrag vom 15. Oktober 1980 zwischen der Klägerin und der F-GmbH unzutreffend wiedergegeben. In der Besprechung vom 15. Oktober 1980 sei die Honorarvereinbarung mit der B-GmbH vom 22. August 1980 abgeändert worden. Die Klägerin habe aus der Vereinbarung vom 15. Oktober 1980 der F- GmbH kein Honorar gezahlt. Die F-GmbH habe die im Vertrag versprochenen Leistungen nicht erbracht. Sie habe ihre Tätigkeit Mitte 1983 eingestellt.

25. Das FG sei davon ausgegangen, daß das Landgericht die Vereinbarung vom 22. August 1980 als abstraktes Schuldanerkenntnis gewertet habe. Tatsächlich habe das Landgericht die Vereinbarung nur als Schuldversprechen gewertet.

26. Das FG spreche auf Seite 24 von Körperschaftsteuerstreitigkeiten, die 1982 bestanden hätten. Es hätte ihm gut zu Gesicht gestanden, wenn es dazu im einzelnen Ausführungen gemacht hätte.

27. Wenn das FG auf den Seiten 24 bis 26 glaube, Ausführungen über eine erfolglose Pfändung machen zu müssen, so müsse es sich fragen lassen, was eine erfolglose Pfändung mit dem Streitgegenstand dieses Rechtsstreits gemeinsam habe und welcher Zusammenhang bestehe.

28. Auf Seite 25 mache das FG Ausführungen über eine eidesstattliche Versicherung, die A wahrheitsgemäß abgegeben habe. Wenn das FG auf den Seiten 27 ff. Ausführungen über ein gegen A gerichtetes Ermittlungs- und Strafverfahren mache, so müsse es sich fragen lassen, was diese Verfahren mit dem anhängigen Finanzgerichtsprozeß zu tun hätten.

29. Die Klägerin stellt noch einmal klar, welcher Sachverhalt dem Darlehensvertrag vom 21. Dezember 1981 zugrunde gelegen habe. Sie erhebt dabei den Vorwurf, das FG wiederhole auf über 15 Seiten zum Teil unsinnige, widersprüchliche und un verständliche Ausführungen der Staatsanwaltschaft, der Betriebsprüfung und des Sachverständigen P. Es übersehe, daß das Darlehen in Höhe von ... DM lediglich als Sicherheit gegeben worden sei. Als Sicherheitsleistung hätte das Darlehen nicht verbucht werden dürfen.

30. Wenn das FG auf Seite 27 ausführe, daß "im Rahmen dieser Bp auch das streitgegenständliche Darlehen geprüft wurde", so zeige dies, daß dem FG nach über 3 1/2 Jahren Prozeßdauer noch immer nicht klar sei, daß Streitgegenstand des Rechtsstreits kein Darlehen, sondern die steuerliche Anerkennung einer Ausgleichsforderung gemäß § 722 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei.

31. Wenn das FG auf Seite 27 über die am 16. März 1987 begonnene Betriebsprüfung ausführe, in ihr sei festgestellt worden, daß die behauptete Darlehensforderung in Höhe von ca. ... DM nicht bestanden haben könne, da sie aus der Buchführung und den Bilanzen nicht nachvollziehbar sei, so finde man eine entsprechende Feststellung im Betriebsprüfungsbericht vom 3. Juli 1989 trotz eifrigsten Suchens nicht. Das FG habe die Feststellung der Klägerin nicht zugänglich gemacht.

32. Einem zentralen Thema des Rechtsstreits, nämlich der Berechnung der Ausgleichsforderung der B-GmbH gegen die Klägerin widme das FG im Tatbestand dagegen nicht einmal eine Seite.

33. Über die Verrechnung der Ausgleichsforderung B-GmbH gegen die Klägerin, die unstreitig sei, mache das FG Ausführungen auf den Seiten 29 bis 34. Es verweise bezüglich der Buchungen auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Dieser Hinweis sei angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes, der im finanzgerichtlichen Verfahren gelte, unverständlich.

34. Die Darstellung der Forderungsentwicklung der Klägerin gegen die K-GmbH auf Seite 29 des Tatbestandes gehöre nicht zum Streitgegenstand.

35. Das Verrechnungskonto A habe mit dem Streitgegenstand nichts zu tun (vgl. Seite 30 des Tatbestandes).

36. Auf Seite 31 des Tatbestandes mache das FG Ausführungen zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft auf Grund der Ermittlungsergebnisse. Unzutreffenderweise werde dort von einer Anklageerhebung wegen Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren gesprochen. Im übrigen gebe das FG "juristischen Blödsinn" der Staatsanwaltschaft wieder, obwohl er nicht zum Streitgegenstand des Rechtsstreits gehöre.

37. Das FG erwähne in seinem Tatbestand mit keinem Wort, daß in der Zeit vom 21. Februar 1984 bis zum 28. Dezember 1984 bei der Klägerin und der B-GmbH abgekürzte Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien. Das FG gebe den klägerischen Vortrag nur teilweise und dies auch noch falsch wieder. Das FG verschweige vor allem, daß die Verträge vom FA steuerlich anerkannt worden seien.

38. Auf Seite 40 seines Tatbestandes erweke das FG den Eindruck, als ob die zusätzliche verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von ... DM nicht zum Streitgegenstand gehöre. Tatsächlich sei jedoch der Körperschaftsteuerbescheid in vollem Umfang angefochten.

39. Das FG erwähne auf Seite 35 seines Tatbestandes eine Aufrechnung der B-GmbH mit einer Forderung von ... DM gegen die Darlehensforderung der Klägerin in Höhe von rd. ... DM. Es verschweige jedoch, daß A die Aufrechnungserklärung für blödsinnig erklärt habe. Auch müsse sich das FG fragen lassen, was die Aufrechnungserklärung mit dem Streitgegenstand zu tun habe.

40. Die Ausführungen des FG auf Seite 47 zu Forderungen über ... DM, ... DM und ... DM seien irreführend. Das FG habe insbesondere das Gutachten P nicht sorgfältig durchgelesen.

41. Die Ausführungen des FG auf Seite 50 seien völlig unverständlich. Es sei doch nicht wahr, daß es unstreitig sei, daß "die Aufrechnungsforderung der B-GmbH nicht zustehe, weil die B-GmbH in Wahrheit keinen Verlust erlitten, sondern einen Gewinn in Höhe von ... DM erzielt habe". Das Gegenteil sei der Fall.

42. Der Hinweis des FG, daß A schwer herzkrank sei, sei für die Entscheidung völlig unerheblich.

43. Wenn das FG auf Seite 60 ausführe, auch bei der Anwendung der Grundsätze der §§ 812 ff. BGB habe die B-GmbH gegenüber der Klägerin einen Bereicherungsanspruch in Höhe von mindestens ... DM gehabt, so seien diese Ausführungen falsch und unvollständig.

Die Klägerin moniert zusätzlich das Verhalten der von ihr abgelehnten Richter in der Zeit nach dem 15. Januar 1994. Die Richter hätten an ihren Sachverhaltsverfälschungen festgehalten. Sie hätten den Prozeß am 24. März 1994 fortsetzen wollen. Sie hätten insbesondere die Auffassung vertreten, daß die Sachverhaltsverfälschungen keine Befangenheit eines Richters begründeten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des FG vom 2. März 1994 das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.

Das FA hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Befangenheit des Richters ist anzunehmen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555; Zöller/ Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 42 Rz. 9). Unerheblich ist, ob die künftige Entscheidung des Richters tatsächlich von Voreingenommenheit beeinflußt wird. Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei der Auslegung eines objektiven Maßstabes Anlaß hat, Voreingenommenheit zu befürchten (parteiobjektiver Maßstab). Eine rein subjektive, unvernünftige Vorstellung eines Beteiligten kann dagegen nicht die Befangenheit eines Richters begründen.

2. Eine Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme hat, der Richter werde sich aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH/NV 1987, 653). Dazu weist der Streitfall die Besonderheit auf, daß die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch nicht auf persönliche Beziehungen, auf allgemeine Äußerungen oder auf das sonstige Verhalten der von ihr abgelehnten Richter stützt. Das Ablehnungsgesuch betrifft vielmehr in seinem Kern einen "vorbereitenden Urteilstatbestand", den der Berichterstatter für eine vorgesehene mündliche Verhandlung entworfen hatte und den der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG zusammen mit der Ladung den Beteiligten zusandte, damit diese Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten. Die Beteiligten wurden ausdrücklich gebeten, sie möchten Wünsche auf Ergänzungen oder Änderungen des Tatbestandes noch vor der mündlichen Verhandlung mitteilen. Die äußeren Umstände, aus denen die Klägerin primär die behauptete Befangenheit der abgelehnten Richter ableitet, betreffen deshalb einerseits mögliche Rechtsverstöße einer erst künftig zu treffenden Entscheidung. Andererseits sind sie aber auch einer Vorbereitungsphase zuzuordnen, in der das Gericht noch keine Entscheidung getroffen hat. Der Vorsitzende hat die Beteiligten ausdrücklich gebeten, Wünsche zur Änderung oder Ergänzung des Tatbestandes noch vor der mündlichen Verhandlung mitzuteilen. Dies signalisiert seine grundsätzliche Bereitschaft, auf Änderungs- und Ergänzungswünsche der Beteiligten auch tatsächlich einzugehen. Es kommt hinzu, daß der endgültige Tatbestand erst nach der Beratung durch das Gericht abschließend abgefaßt werden kann, weil dann erst dem das Urteil absetzenden Berichterstatter der Sachverhalt bekannt sein kann, von dem das Gericht als Ganzes bei seiner Entscheidung ausgegangen ist. So gesehen muß ein vorbereitender Tatbestand sehr viel umfassender sein. Er muß alles wiedergeben, was aus der Sicht des Berichterstatters theoretisch erheblich werden könnte. Aus einem entsprechend umfassend abgefaßten Tatbestand darf deshalb nicht rückgeschlossen werden, daß jede in ihm mitgeteilte Tatsache letztlich für die vom Gericht zu treffende Entscheidung erheblich sein wird. Es ist die Sache des Gerichts, erst in oder nach der Beratung den umfassend abgefaßten Tatbestand so zu kürzen, daß er dem § 105 Abs. 3 FGO entspricht.

3. Das Verfahren nach §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 ff. ZPO darf nicht zu einem Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache umfunktioniert werden. So gesehen ist es nicht sein Sinn, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, Einfluß auf die Besetzung der Richterbank nur wegen einer von ihnen befürchteten fehlerhaften Entscheidung zu nehmen. Auch ist zu beachten, daß der BFH als Revisionsgericht in den Grenzen des § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden ist. Das FG soll sich nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO seine freie Überzeugung bilden, die allerdings aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen sein muß. Es kann deshalb nicht der Sinn des Verfahrens nach §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 ff. ZPO sein, daß das Revisionsgericht schon im Vorbereitungsstadium eines Urteils die Überzeugungsbildung durch das FG rechtlich überprüft und im Beschwerdeverfahren darüber entscheidet, welcher Sachverhalt dem Urteil zugrunde zu legen ist und welche Umstände entscheidungsunerheblich sind. Ein Ablehnungs gesuch ist deshalb stets dann unschlüssig begründet, wenn der Befangenheitsgrund ausschließlich aus der (behaupteten) Fehlerhaftigkeit des von dem Richter gewählten Verfahrens oder einer von ihm getroffenen Entscheidung abgeleitet wird. Es müssen Gründe dargelegt werden, die über die (behauptete) Fehlerhaftigkeit des richterlichen Handelns hinaus auf eine unsachliche Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten schließen lassen.

4. Hiervon ausgehend durfte der Senat in dem anhängigen Beschwerdeverfahren nicht die Richtigkeit oder die Fehlerhaftigkeit des mit der Ladung übersandten "Tatbestandes" in jedem einzelnen der von der Klägerin gerügten 43 Punkte prüfen. Er mußte die Prüfung darauf beschränken, ob sich bei einer Gesamtschau der 43 Punkte Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung der Richter gegenüber der Klägerin ergeben. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

a) Mit der Übersendung des "Tatbestandes" hat das FG die Feststellung des Sachverhaltes und die Würdigung der Beweise noch nicht abgeschlossen. Mit dem Hinweis, Wünsche zur Änderung oder Ergänzung des Tatbestandes zu äußern, hat es gegenüber den Beteiligten seine Bereitschaft zu erkennen gegeben, entsprechenden Anregungen nachzugehen. Dann aber ist es Sache der Klägerin, die vermeintlichen Fehler im Tatbestand dem FG gegenüber geltend zu machen und dessen abschließende Würdigung abzuwarten.

b) Die Vielzahl der gerügten Fehler besagt für sich genommen nichts über eine unsachliche Einstellung der zur Entscheidung berufenen Richter. Es gibt keinen Grundsatz, daß ein Richter ab einer bestimmten Zahl von Fehlern als befangen gilt. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als eine Vielzahl der gerügten Fehler letztlich auf Formulierungsfragen von untergeordneter Bedeutung beruht (vgl. Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 10, 11, 12, 17, 22, 25 und 30). Soweit die Klägerin die fehlende Entscheidungserheblichkeit von Punkten rügt (vgl. Nrn. 4, 7, 19, 21, 27, 28, 34, 35, 39, 42), haben die Richter allenfalls konkludent erklärt, daß die Punkte im weitesten Sinne in einem Zusammenhang zu dem Sachverhalt stehen, der mutmaßlich der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Es bleibt abzuwarten, ob das FG nicht den entscheidungserheblichen Tatbestand kürzt und auf welchen Sachverhalt es seine Entscheidung letztlich stützt. Die Klägerin hat das Recht, auf die Entscheidungsunerheblichkeit der Punkte hinzuweisen. Ihre Erfassung in einem vorbereitenden Tatbestand gibt jedoch keine Veranlassung zur Annahme einer Voreingenommenheit der betroffenen Richter. Soweit die Klägerin eine unvollständige oder unverständliche Sachverhaltswiedergabe rügt (vgl. z. B. Nrn. 6, 13, 14, 15, 16, 19, 20, 21, 26, 29, 30, 32, 37, 38, 39, 40 und 41), kann auch daraus nicht auf eine unsachliche Haltung der Richter geschlossen werden. Die Klägerin ist gehalten, ihre Rügen zunächst in das finanzgerichtliche Verfahren einfließen zu lassen und die Entscheidung des FG ab zuwarten. Was schließlich die angebliche Tilgung von Forderungen der Klägerin gegenüber der B-GmbH in Höhe von ... DM anbelangt, so ist es die Aufgabe des FG, sich seine freie Überzeugung von dem maßgeblichen Sachverhalt zu bilden und denselben steuerlich zu würdigen. Der erkennende Senat darf in die Überzeugungsbildung des FG nicht eingreifen. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung nicht dargelegt, daß die abgelehnten Richter insoweit willkürlich verfahren seien.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 1065

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