Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Revision in einer Zwischenvermietungssache

 

Leitsatz (NV)

1. Das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist nicht nach § 74 FGO auszusetzen, wenn der Vorwurf der verfassungswidrigen Anwendung einer verfassungsgemäßen Norm durch die Gerichte erhoben wird.

2. Die Rechtsprechung des BFH zur Zwischenvermietung überschreitet nicht die der Rechtsprechung gezogenen Grenzen für eine zulässige Rechtsfortbildung.

 

Normenkette

FGO § 74; AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 12, § 9

 

Tatbestand

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarben im Rahmen eines Bauherrenmodells ein Einfamilienhaus und vermieteten es -- wie beim Kaufangebot vorgesehen -- an einen gewerblichen Zwischenvermieter. Dieser vermietete das Hausgrundstück an einen Endmieter. In den angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1982 bis 1984 versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) den Klägern den Abzug der gesondert berechneten Steuern aus der Anschaffung des Hausgrundstücks mit der Begründung, die Zwischenvermietung sei als Gestaltungs mißbrauch bei der Beurteilung der Ver wendung der Eingangsleistungen nicht zu berücksichtigen. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bestätigte unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundes finanzhofs (BFH), daß ein wirtschaftlich verständlicher Grund für die Einschaltung eines gewerblichen Zwischenvermieters nicht vorgelegen habe. Die Aussetzung des Verfahrens (§ 74 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) wegen der gegen den Beschluß des BFH vom 27. Juni 1991 V B 117/90 (BFH/NV 1992, 278) erhobenen Verfassungsbeschwerde (2 BvR 1156/91) lehnte das FG ab.

Mit der Beschwerde begehren die Kläger Zulassung der Revision wegen grundsätz licher Bedeutung der Rechtssache und wegen eines Verfahrensfehlers.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

2. Der Senat braucht das Verfahren nicht nach § 74 FGO wegen der bezeichneten Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auszusetzen. Nach § 74 FGO kann das Gericht das Verfahren u. a. aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Bestimmung ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Ein anhängiges Musterverfahren vor dem BVerfG kann ein berechtigter Grund für die Aussetzung eines Verfahrens sein, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen gesetzlichen Regelung (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641) angegriffen wird und das BVerfG darüber nach § 31 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) mit Bindungswirkung entscheidet. Dagegen ist § 74 FGO auch nicht entsprechend anwendbar, wenn -- wie im vorliegenden Verfahren -- der Vorwurf der verfassungswidrigen Anwendung einer an sich verfassungsgemäßen Norm durch die Gerichte erhoben wird (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408).

3. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Rechtsfragen, die die Kläger wegen grundsätzlicher Bedeutung als klärungsbedürftig ansehen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), sind geklärt.

Die Kläger begehren die Zulassung der Revision, damit die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Versagung des Vorsteuerabzugs wegen einer abzugsschädlichen Verwendung der Leistungsbezüge für vermietete Wohnräume (§ 15 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG -- 1980) überprüft und die regelmäßig als Gestaltungsmißbrauch nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) beurteilte Einschaltung von gewerblichen Zwischenvermietern in die Vermietung erneut beurteilt werden kann. Die Kläger sind der Ansicht, diese Rechtsprechung lege die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Wohnraumvermietung nach § 9 Abs. 1 und § 27 Abs. 5 UStG 1980 bis 1985 fehlerhaft aus, gelange dadurch zu einer -- wenn auch widerlegbaren -- Vermutung, daß die Zwischenvermietung von Wohnraum an einen gewerblichen Zwischenmieter, der den Wohnraum -- wie geplant -- an einen Endmieter weitervermiete, eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung zur Erlangung des Vorsteuerabzugs sei. Dadurch, so führen die Kläger u. a. weiter aus, werde ihnen entgegen dem Ausnahmecharakter von § 42 AO 1977 eine Darlegungs- und Beweislast auferlegt. Die Rechtsprechung überschreite die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -- GG --), verstoße gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 GG) gegen das Vertrauensschutz- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und verletze sie, die Kläger, dadurch in ihren Grundrechten nach Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG. Die Rechtsprechung greife außerdem durch Versagung des Vorsteuerabzugs in das nach Art. 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 GG geschützte Eigentumsrecht des Unternehmers ein, weil eine Inhaltsbegrenzung des Eigentums nur durch Gesetz vorgenommen werden dürfe.

Die von den Klägern herausgestellten Rechtsfragen bedürfen keiner erneuten Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie geklärt sind. Der Senat hat zuletzt in dem Urteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88 (BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931) entschieden, daß die bis zur Änderung des § 9 UStG 1980 praktizierte Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters in die Vermietung von Wohnungen aufgrund eines von vornherein vereinbarten Gesamtkonzepts grundsätzlich rechtsmißbräuchlich und der Umsatzbesteuerung nicht zugrunde zu legen ist. Der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977 ist erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d. h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das UStG geht bei Besteuerung von Wohnraum (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 UStG 1980) davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).

Dies geschieht durch die Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Vertreters (Hausverwalter) an den Wohnungs(end)mieter. Die Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980), schließt aber den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein Eigentümer der gesetzlichen Wertung des UStG bei der Wohnungsvermietung nicht gerecht, wenn er seine Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter vermietet, sofern nicht bewiesen worden ist, daß die Wohnung nicht zumutbar -- sei es auch unter Mithilfe eines Hausverwalters -- an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war. Beachtliche, die Zwischenvermietung rechtfertigende Gründe sieht der Senat als gegeben an, wenn der Eigentümer-Vermieter eigene erfolglos gebliebene Vermietungsbemühungen nachweist, die auf eine Vermietung an einen Endmieter gerichtet waren (BFH-Beschluß vom 22. Januar 1992 V B 170/91, BFH/NV 1992, 702). Derartige Gründe haben die Kläger im FG-Verfahren nicht geltend gemacht.

Ob der Eigentümer-Vermieter verständliche Gründe für eine von der gesetzlichen Wertung abweichende für ihn günstige Gestaltung des Mietverhältnisses durch Zwischenvermietung hatte, ist zunächst vom FA (§§ 85, 88, 89 AO 1977) unter Heranziehung des Steuerpflichtigen (§ 90 AO 1977) aufzuklären. Der Steuerpflichtige hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) Tatsachen substantiiert darzulegen, die ihn zu einer abweichenden Vereinbarung der Rechtsverhältnisse gegenüber der vom Gesetzgeber vorausgesetzten üblichen Gestaltung der Wohnungsvermietung veranlaßt haben. Er muß bei Zweifeln über die Richtigkeit seines Tatsachenvortrags auch Beweismittel dafür angeben (vgl. zur Darlegung von Mietausfallbefürchtungen BFH-Beschlüsse vom 11. Februar 1991 V B 175/89, BFH/NV 1991, 710; vom 20. März 1990 V B 111/89, BFH/NV 1991, 63). Ergibt sich durch Beweiswürdigung dieser Tatsachen, die sich zu einer tatsächlichen Vermutung verdichten können (vgl. dazu z. B. BFH-Urteil vom 10. Mai 1990 V R 136/85, BFH/NV 1991, 420; zur Bedeutung der tatsächlichen Vermutung bei der Würdigung von Beweisanzeichen vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II 4 b aa), daß die von dem Steuerpflichtigen angegebenen Gründe nicht vorgelegen haben, kann aufgrund des ermittelten Sachverhalts ohne die vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe entschieden werden. Ergibt sich, daß sich Zweifel nicht beseitigen lassen, ob sich die dargelegten Tatsachen ereignet haben, ist nach den Grundsätzen über die Feststellungslast zu entscheiden (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45). Aufgrund des dann als erwiesen festgestellten Sachverhalts ist zu beurteilen, welche tatsächlichen Umstände den Steuerpflichtigen bewogen haben, die Wohnungsvermietung abweichend durch Zwischenvermietung zu gestalten. Die anschließende rechtliche Beurteilung des auf diese Weise aufgeklärten Sachverhalts entscheidet darüber, ob nach den ermittelten Umständen eine Abweichung von der dem Gesetzesplan zugrunde liegenden üblichen Gestaltung zu beachten ist (vgl. dazu auch Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr. 119) oder ob eine Umgehung vorliegt (§ 42 Satz 1 AO 1977).

Eine Zwischenvermietung der Wohnung, die nicht durch beachtliche (bewiesene) Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die gesetzliche Regelung (§ 42 Satz 1 AO 1977) und ist der Beurteilung des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980) nicht zugrunde zu legen (§ 42 Satz 2 AO 1977). Aus der historischen Entwicklung des § 9 UStG 1980 ergibt sich nichts anderes, wie der Senat mehrfach entschieden hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007).

Die Rechtsprechung des Senats beruht auf der Auslegung von § 4 Nr. 12, § 9, § 27 Abs. 5 und von § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 sowie von § 42 AO 1977. Die Auslegung von Gesetzen und die Fortbildung des Rechts gehören zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte. Sie überschreiten die den Gerichten durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen nicht, wenn sie nicht allein auf allgemeinen Rechtsprinzipien beruhen, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen oder aus rechtspolitischen Erwägungen neue Regeln schaffen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Die danach zulässige Rechtsauslegung kann die Kläger nicht in den von ihnen bezeichneten Rechten verletzen und keinen Eingriff in ihr Eigentum darstellen. Ein Vorsteueranspruch, der ihnen hätte entzogen werden können, stand ihnen nicht zu. Vertrauen der Kläger auf den Abzug von Vorsteuerbeträgen ist durch die Rechtsprechung des Senats zur gewerblichen Zwischenvermietung von Wohnraum nicht erweckt und auch nicht verletzt worden.

d) Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt nicht in Betracht, weil die Kläger -- wie oben ausgeführt worden ist -- keine Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) beanspruchen konnten.

4. Die Entscheidung ergeht im übrigen ohne weitere Begründung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 360

BFH/NV 1995, 361

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