Entscheidungsstichwort (Thema)
Kumulative Begründung; Fremdvergleich; Angemessenheit einer Abfindungszahlung als Betriebsausgabe; Verletzung der Amtsermittlungspflicht; Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Ist ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt worden, so muss hinsichtlich jeder, das Urteil allein tragenden Begründung mindestens ein Zulassungsgrund substanziiert dargetan werden und tatsächlich auch vorliegen.
2. Verträge zwischen nahen Angehörigen sind in der Regel der Besteuerung dann nicht zu Grunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.
3. Maßgebend ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Die Durchführung des Fremdvergleichs obliegt dem FG als Tatsacheninstanz.
4. Die revisionsrechtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgebenden Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
5. Für die Angemessenheit einer Abfindung im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs kann im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung von den Finanzgerichten auf die in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Faustformel zurückgegriffen werden, wonach ein Arbeitnehmer für jedes Beschäftigungsjahr in der Regel ein halbes Bruttomonatsgehalt als Abfindung beanspruchen kann.
6. Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht geltend gemacht, so ist insbesondere auch vorzutragen, warum der im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertretene Beteiligte nicht von sich aus von ihm als entscheidungserheblich angesehene Tatsachen vorgetragen und entsprechende Beweise vorgelegt oder Beweisanträge gestellt hat.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 295
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.04.2007; Aktenzeichen 3 K 1481/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse.
Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293; vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).
b) Die Kläger machen eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich zweier Rechtsfragen geltend: Zum einen, wann die Abfindung im Verhältnis zu den Aktivbezügen unangemessen hoch sei, zum anderen, ob bei dieser Prüfung nur das letzte Bruttomonatseinkommen heranzuziehen sei oder auch ein früheres, höheres Einkommen berücksichtigt werden dürfe.
aa) Ist ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt worden, so muss hinsichtlich jeder, das Urteil allein tragenden Begründung mindestens ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO substantiiert dargetan werden und tatsächlich auch vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. April 2006 VIII B 141/05, BFH/NV 2006, 1465; vom 27. März 2007 VIII B 25/06, juris).
Das Finanzgericht (FG) hat in dem angefochtenen Urteil (S. 6) den Abzug der Abfindungszahlungen als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus zwei Gründen steuerlich nicht anerkannt: Zum einen hat es die betriebliche Veranlassung deshalb verneint, weil die zeitlichen Umstände gegen eine Vereinbarung aufgrund der Praxisaufgabe durch den Kläger und damit für eine nicht nur unwesentliche private Veranlassung sprächen. Zum anderen hat das FG aus dem Vergleich der absoluten Höhe der Abfindung zu dem geringen, an die Klägerin gezahlten Jahresgehalt von zuletzt 8 270 DM die Abfindung als weder dem Grund noch der Höhe nach betrieblich veranlasst beurteilt.
Hinsichtlich der erstgenannten Begründung haben die Kläger indes keine Zulassungsgründe bezeichnet.
Verträge zwischen nahen Angehörigen --wie zwischen Ehegatten-- sind in der Regel der Besteuerung dann nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich). Maßgebend ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Die Durchführung des Fremdvergleichs obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Die revisionsrechtliche Überprüfung durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgebenden Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteile vom 27. Juli 2004 IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192; vom 9. Oktober 2001 VIII R 5/01, BFH/NV 2002, 334, m.umf.N.).
Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung auf eine in der zitierten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Faustformel zurückgegriffen, wonach ein Arbeitnehmer für jedes Beschäftigungsjahr ein halbes Bruttomonatsgehalt als Abfindung beanspruchen könne. Das FG Nürnberg hat in dem von den Klägern herangezogenen Urteil vom 20. November 2001 I 76/2001 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2002, 473 --nicht 479--) ebenfalls unter Bezugnahme auf eine Erhebung im Landesarbeitsgerichtsbezirk Nürnberg und den Beitrag von Hümmerich (Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht --NZA-- 1999, 342, 349) eine Abfindungsformel von 0,5 bis 1,0 Monatsgehalt zugrunde gelegt und in jenem Fall die sich in diesem Rahmen bewegende Abfindungszahlung als noch angemessen gebilligt. Erkennbar hat das FG damit aber nicht auf eine generell mit 1,0 Monatsgehalt zu bemessende Größe abgestellt, sondern lediglich im Rahmen der indiziellen Gesamtwürdigung diesen Faktor als noch nicht unangemessen gewürdigt.
Welcher Faktor im Einzelfall zugrunde zu legen bzw. noch vertretbar ist, hängt demnach von einer Vielzahl von Einzelumständen ab.
Die Kläger haben sich im Übrigen damit begnügt, lediglich geltend zu machen, es liege noch keine gesicherte Rechtsprechung des BFH vor, ohne sich indes mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum näher auseinanderzusetzen und ohne auf die Frage einzugehen, inwieweit der BFH angesichts seiner nur beschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmöglichkeiten der im Rahmen eines Indizienbeweises gewonnenen Ergebnisse abstrakt und generell verbindliche Vorgaben überhaupt entwickeln könnte.
bb) Soweit die Kläger die weitere Frage aufwerfen, ob auch an ein in früheren Jahren erzieltes höheres Bruttomonatseinkommen angeknüpft werden könne, fehlt es gleichfalls bereits an einer Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum. Vor allem aber wäre diese Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren gar nicht klärbar; denn der BFH ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG im Rahmen des § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Das FG hat jedoch die von den Klägern im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände, wonach die Klägerin bis zu der Zusatzvereinbarung im Januar 1987 ein höheres Monatseinkommen von rd. 2 000 DM bezogen haben soll, nicht festgestellt. Weder haben die Kläger einen --nur befristet zulässigen-- Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 108 Abs. 1 FGO beim FG gestellt noch haben sie insoweit schlüssige Verfahrensrügen erhoben.
cc) Soweit die Kläger meinen, das FG hätte diese Umstände von sich aus ermitteln müssen, wird damit schon deshalb keine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO bezeichnet, weil sie nicht dargetan haben, weshalb sie, obwohl sie im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertreten gewesen sind, nicht von sich aus die von ihnen als entscheidungserheblich angesehenen Tatsachen vorgetragen und entsprechende Beweise vorgelegt bzw. Beweisanträge gestellt haben (vgl. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2007 VIII B 150/05, juris; vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803).
2. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO)
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) Das FG hat auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung Bezug genommen, so auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. März 2005 2 Sa 1499/04 (Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte, § 10 KSchG Nr. 5), wonach im Regelfall pro Beschäftigungsjahr nicht ein, sondern ein halbes Bruttomonatsgehalt zugrunde gelegt werde und diese Berechnungsformel es ermögliche, zwischen kurzen und langen Arbeitsverhältnissen und nach dem Lebensalter eines Arbeitnehmers bei der Angemessenheitsprüfung zu unterscheiden. Der des Weiteren herangezogene Beitrag von Hümmerich in NZA 1999, 342 ff. stellt die arbeitsgerichtliche Abfindungspraxis dar und u.a. auch die Faustformel eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr.
Damit wird aber zugleich deutlich, dass das FG in gleicher Weise wie das FG Nürnberg an die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung anknüpft und infolgedessen im Regelfall von einem halben Bruttomonatsgehalt ausgeht, indes bei Besonderheiten im Einzelfall ein Abweichen keineswegs generell ausschließt.
Abgesehen von einer danach bereits fehlenden Divergenz zwischen dem FG Nürnberg und dem FG im angefochtenen Urteil in rechtlicher Hinsicht haben die Kläger insbesondere auch nicht die Identität in tatsächlicher Hinsicht dargetan, dass nämlich die für die Würdigung maßgebenden wesentlichen Umstände im Streitfall überhaupt mit jenen in der vermeintlichen Divergenzentscheidung des FG Nürnberg vergleichbar sind. Die Kläger haben lediglich die Anknüpfung des FG Nürnberg an das letzte, höhere Bruttomonatsgehalt der dortigen Arbeitnehmerin näher erläutert.
Fundstellen
Haufe-Index 1965305 |
BFH/NV 2008, 978 |