Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine grunderwerbsteuerfreie freigiebige Zuwendung bei Übertragung von Grundbesitz an einen gemeinnützigen Verein zum Betrieb einer Kindertagesstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

1a) Unentgeltliche Vermögensübertragungen von Trägern öffentlicher Verwaltung erfolgen regelmäßig nicht freigiebig, da davon auszugehen ist, dass sie in diesen Fällen in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben handeln.

1b) Bei der Betreuung von Kindern in Kinderkrippe, Kindergärten und Kinderhorten handelt es sich um die Erfüllung einer kommunalen Pflichtaufgabe, deren Übertragung nicht als freigiebig anzusehen ist.

2a) Ein Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben liegt vor, wenn der Übernehmende infolge organisatorischer Änderungen genau die öffentlich-rechtlichen Funktionen wahrnimmt, welche bisher der Übergebende wahrgenommen hatte

2b) Eine Gemeinde erfüllt mit dem Abschluss einer Vereinbarung über die Betriebsträgerschaft für einen Kindergarten ihre Verpflichtung aus Art. 5 Abs. 1, Art. 7 BayKiBiG, die nach dem Bedarfsplan erforderlichen Kindergärten zu errichten und erforderlichenfalls zu betreiben, so dass in diesem Fall kein Übergang öffentlicher Aufgaben vorliegt.

3. Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG gilt nur für den Erwerb durch eine "juristische Person des öffentlichen Rechts", nicht jedoch für den Erwerb durch eine rechtsfähige Körperschaft des privaten Rechts.

4. Eine Grunderwerbsteuerbefreiung kommt auch deshalb nicht in Betracht, da ein von einer Kommune betriebener Kindergarten nicht als Hoheitsbetrieb, sondern als Betrieb gewerblicher Art anzusehen ist.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 2, § 4 Nrn. 1, 9; BayKiBiG § 5 Abs. 1; BayKiBiG Art. 7

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Übertragung von Grundbesitz durch eine Gemeinde an einen gemeinnützigen Verein von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer ausgenommen ist.

Die Klägerin war Eigentümerin des in der Gemarkung A. gelegenen Grundbesitzes mit den Fl.Nrn. x und y mit einer Gesamtfläche von ca. 6.600 m². Auf einer Teilfläche hiervon mit rd. 5.000 m² (Fl.Nr. xy) betrieb die QQ seit 01.09.2009 den vor diesem Zeitpunkt gemeindlichen Kindergarten "Z" als Betriebsträger; auf den "Übergabevertrag zur Bau- u. Betriebsträgerschaft für den gemeindlichen Kindergarten Z in A. an die QQ zum 01.09.2009" vom 09.09.2009 wird verwiesen.

Mit notariellem Vertrag vom 02.12.2010 (URNr. B 1539/2010, Notar E) überließ die Klägerin der QQ den Grundbesitz mit den Fl.Nrn. xy. Beabsichtigt waren der Abriss des bestehenden Kindergartengebäudes und die Neuerrichtung einer Kindertagesstätte (Kinderkrippe, Kindergarten und Kinderhort) sowie einer gemeindlichen Bücherei auf dem Gelände durch die QQ. Nach Ziff. II 2. des notariellen Vertrages vom 02.12.2010 diente die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks an die QQ der Erfüllung einer kommunalen Pflichtaufgabe und war daher entsprechend der Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 15. Mai 1992 Nr. I B 3 – 3036 – 29/5 zulässig. Ziff. VI.1. der Urkunde erläutert, dass die QQ mit der Verpflichtung, auf dem übertragenen Grundbesitz eine Kindertagesstätte mit integrierter Bücherei zu bauen und die Kindertagesstätte zu betreiben, eine Pflichtaufgabe der Klägerin im eigenen Wirkungskreis erfülle. Die QQ verpflichtete sich zur Rückübereignung des Grundbesitzes für den Fall, dass sie die errichteten Gebäude nicht mehr als Kindertagesstätte nutzt (Ziff. VII). Nach Ziff. X. der Urkunde trug die Klägerin etwaige Erwerbsteuern samt Zuschlägen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der notariellen Urkunde vom 02.12.2010 verwiesen. Der Gemeinderat genehmigte die Überlassung am 09.02.2011.

Nach Aufforderung durch die Grunderwerbsteuerstelle stellte die Bewertungsstelle des beklagten Finanzamts am 24.05.2012 einen Grundbesitzwert auf den 02.12.2010 in Höhe von 434.000 € fest. Mit Bescheid vom 12.07.2012 setzte das beklagte Finanzamt aus dieser Bemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer in Höhe von 15.190 € fest; der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S.d. § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.

Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 12.07.2012 und die Einspruchsentscheidung hierzu vom 27.07.2012 aufzuheben.

Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen vortragen:

1. Die QQ habe die Pflichtaufgabe der Klägerin, eine Kindertagesstätte zu betreiben, übernommen. Art. 4 Abs. 3 BayKiBiG sehe vor, dass Gemeinden von eigenen Maßnahmen absehen sollen, soweit Kindertageseinrichtungen in gleichermaßen geeigneter Weise wie von einem kommunalen Träger auch von freigemeinnützigen Trägern betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können. Die Vorschrift ziele darauf ab, finanziell angespannte Gemeinden durch die Übergabe von Kindertagesstätten an freigemeinnützige Träger zu entlasten und zudem eine ideologische Vielfalt v...

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