Keine Berichtigung der Bemessungsgrundlage bei Insolvenz der "Zahlstelle"
Der Umstand, dass die Zahlstelle den vereinnahmten Betrag nicht an den leistenden Unternehmer weiterleitet, führt nicht dazu, dass sich die Bemessungsgrundlage für die vom Unternehmer an die Leistungsempfänger erbrachten Leistungen mindert.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Ist das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden, kommt es gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu einer sinngemäßen Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG. Aufgrund dieses Verweises hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag bei Uneinbringlichkeit zu berichtigen.
Dem Rechtsstreit liegt verkürzt dargestellt folgender Sachverhalt zugrunde:
- Der Kläger betreibt eine Apotheke. Im Streitjahr 2020 erbrachte er umsatzsteuerpflichtige Lieferungen von Arznei- und Heilmitteln unter anderem an gesetzliche Krankenkassen. Er berechnete die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten.
- Die Abrechnung mit den Krankenkassen übertrug der Kläger im Sinne von § 300 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vertraglich der X GmbH (Rechenzentrum). Nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Rechenzentrum standen dem Kläger im Wesentlichen Abschlagszahlungen und dem Rechenzentrum im Gegenzug Vergütungsansprüche zu.
- Die Einziehung der Forderungen erfolgte im Namen des Rechenzentrums, aber für Rechnung des Klägers.
- Die Apotheke trat ihre gegenwertigen und zukünftigen Forderungen gegenüber den Kostenträgern an das Rechenzentrum ab.
- Das Rechenzentrum trat gegenüber den Krankenkassen für Rechnung des Klägers auf. Es vereinnahmte die Zahlungen der Krankenkassen, die diese auf die Lieferungen des Klägers geleistet hatten.
- Über das Vermögen des Rechenzentrums wurde im Jahr 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet.
- In seinen beim FA eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 2020, die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden (§ 168 AO), errechnete der Kläger die Umsatzsteuer auf 10.262,49 EUR beziehungsweise 10.952,47 EUR.
Unter dem 3.11.2020 legte der Kläger gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldungen jeweils Einspruch ein. Er machte geltend, die Umsatzsteuer sei nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen, da Restzahlungen des insolventen Rechenzentrums, an welches er seine Zahlungsansprüche gegen die Krankenkassen abgetreten habe, in Höhe von 20.233,28 EUR (August 2020) und 24.318,15 EUR (September 2020) ausgeblieben seien. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Entscheidung: Keine Berichtigungsmöglichkeit nach § 17 UStG
Zwar ist das Urteil des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision des Klägers ist aber in der Sache unbegründet; sie ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FGO), dass die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Rechenzentrums als "Zahlstelle" des Klägers
Für die Bestimmung des der Umsatzsteuer unterliegenden Entgelts kommt es allein auf das Rechtsverhältnis des Klägers zu den Krankenkassen als Leistungsempfängern an. Der Umstand, dass die Entgeltansprüche an ein Rechenzentrum zum Forderungseinzug abgetreten und nach dortigem Zahlungseingang teilweise nicht an den Kläger weitergeleitet wurden, hat keine Auswirkungen auf die streitige Steuerfestsetzung.
Der Umstand, dass das Rechenzentrum wegen des im September 2020 eröffneten vorläufigen Insolvenzverfahrens – mit gleichzeitiger Anordnung, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind – Zahlungen in Höhe von 20.233,28 EUR und 24.318,15 EUR, die es für Rechnung des Klägers von den Krankenkassen vereinnahmt hatte, in den Streitzeiträumen nicht an den Kläger weiterleitete, führt zu keiner Berichtigung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG.
Der Kläger hat mit dem Rechenzentrum ein eigenständiges – und von den vertraglichen Beziehungen zu den Krankenkassen losgelöstes – Rechtsverhältnis eingegangen, bei dem einerseits das Rechenzentrum die Abrechnung mit den Krankenkassen vorzunehmen und die Forderungen für Rechnung des Klägers einzuziehen, andererseits der Kläger hierfür ein Entgelt zu entrichten hatte. Das Rechenzentrum ist "Zahlstelle" des Klägers; dieser hatte die Krankenkasse ausdrücklich aufgefordert, an das Rechenzentrum zu leisten. Dementsprechend ist zivilrechtlich mit der Zahlung der Krankenkasse auf das ihr benannte Konto die Entgeltforderung des Klägers gegen die Krankenkassen erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
Zahlungsausfall betrifft nicht die Leistung an die Krankenkasse
Umsatzsteuerrechtlich "erhielt" der Kläger den von den Leistungsempfängern an das Rechenzentrum als Zahlstelle entrichteten Betrag für die von ihm erbrachten Leistungen. Eine Uneinbringlichkeit des Entgelts scheidet demnach aus.
Der insolvenzbedingte Zahlungsausfall, das heißt die Nichtweiterleitung der für den Kläger vereinnahmten Zahlungen an den Kläger, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Rechenzentrum. Einbehalte oder Zahlungsausfälle in jenem gesondert zu betrachtenden Rechtsverhältnis können die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen des Klägers an die Krankenkassen nicht berühren. Auch unionsrechtlich kommt es insoweit darauf an, ob der Leistende das Entgelt erhalten hat. Dies ist im Streitfall zu bejahen. Die Krankenkassen haben das Entgelt auf Geheiß des Klägers in voller Höhe an das Rechenzentrum gezahlt. Die Entscheidung des FG steht mit unionsrechtlichen Maßstäben in Einklang.
Hinweis: Grundsätze gelten nicht nur bei Insolvenz
Das BFH-Urteil hat nicht nur Bedeutung für „Insolvenz-Fälle“, sondern auch für andere Fälle, in denen es bei der “Zahlstelle“ zu Zahlungsausfällen kommt.
BFH, Urteil v. 30.4.2025, XI R 15/22; veröffentlicht am 10.7.2025
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