Keine Anwesenheit Dritter bei der Beratung der Prüfungskommission
Hintergrund
Dieses Grundsatzurteil beschäftigt sich ausnahmsweise einmal nicht mit der Besteuerung, sondern mit der Steuerberaterprüfung als Voraussetzung für die Berufsausübung. Die Steuerberaterprüfung gilt als eine der anspruchsvollsten Prüfungen. Sie wird allgemein für schwerer als das juristische Staatsexamen gehalten. Dementsprechend ist die Durchfallquote außerordentlich hoch. Sie betrug z.B. in Berlin 2003/2004 79,7 %! Im Durchschnitt liegt sie bei rund 50 %. Eine Folge der hohen Durchfallquote ist, dass gegen die Prüfungsentscheidung nicht selten der Rechtsweg beschritten wird. Zuständig dafür sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung die Finanzgerichte und der BFH.
Der Kandidat K rasselte 1999 durch die Prüfung. Mit seiner Klage rügte er neben der Bewertung der schriftlichen Arbeiten, dass bei der Notenvergabe für den mündlichen Prüfungsteil ein Herr X zugegen war, der nicht Mitglied des Prüfungsausschusses war. Der Prüfungsausschuss besteht aus 6 Prüfern (drei Beamte des höheren Dienstes, davon einer als Vorsitzender, sowie drei Steuerberater oder zwei Steuerberater und ein Vertreter der Wirtschaft). X war - entsprechend der bisherigen Verwaltungspraxis in Sachsen - als Hospitant und Protokollführer zugegen. Er war zwar nicht Mitglied des konkreten Prüfungsausschusses, aber allgemein neu als Prüfer bestellt und sollte Einblick in das Prüfungsverfahren bekommen, um sich auf seinen künftigen Einsatz als Prüfer vorzubereiten.
Das FG hob die Entscheidung des Staatsministeriums über das Nichtbestehen der Prüfung auf und verpflichtete das Ministerium, für K erneut eine mündliche Prüfung durchzuführen.
Entscheidung
Der BFH bestätigt das FG. Mit dem "Prüfungsausschuss" ist nicht die Gesamtheit der berufenen Prüfer gemeint, sondern das Gremium, das das konkrete Prüfungsgespräch führt. Da X diesem Gremium nicht angehörte, stellt seine Anwesenheit einen Verfahrensfehler dar. Denn die Anwesenheit eines Dritten birgt immer die Gefahr, dass die Unbefangenheit der stimmberechtigten Mitglieder beeinflusst wird.
Dieser Verfahrensfehler kann nicht dadurch geheilt werden, dass die Beratung über das Ergebnis der mündlichen Prüfung (in der korrekten Besetzung) wiederholt wird. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beeinflussung des Prüfungsausschusses bei der erneuten Beratung eliminieren ließe. Jedenfalls müsste eine erneute Beratung zeitnah erfolgen und dürfte nicht - wie nach Einleitung eines Klageverfahrens - erst nach Jahren erfolgen.
Hinweis
Der BFH räumt mit der offenbar verbreiteten Praxis auf, dass neu bestellte Prüfer als Protokollführer an der mündlichen Prüfung teilnehmen, um sie bei dieser Gelegenheit mit der Prüfungspraxis vertraut zu machen. An der Prüfung können zwar Vertreter des Ministeriums und des Vorstands der Steuerberaterkammer teilnehmen. Darüber hinaus kann der Vorsitzende anderen Personen die Anwesenheit gestatten. Davon wird jedoch lediglich die Anwesenheit während des Prüfungsgesprächs umfasst, nicht auch die Teilnahme an der Beratung.
Der BFH lehnt auch - als fernliegend - die Heranziehung der Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz ab, die den am Gericht beschäftigten Rechtsreferendaren und den wissenschaftlichen Mitarbeitern die Anwesenheit bei der Beratung gestattet.
Urteil v. 18.9.2012, VII R 41/11, veröffentlicht am 30.1.2013
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