Refinanzierungszinsen für notleidende Gesellschafterdarlehen

Verzichtete der Gesellschafter unter der auflösenden Bedingung der Besserung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft auf sein Gesellschafterdarlehen, um die Eigenkapitalbildung und Ertragskraft zu stärken, sind bei ihm weiterhin anfallende Refinanzierungskosten nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit früheren Zinseinkünfte abziehbar.

Hintergrund: Refinanzierungskosten für Gesellschafterdarlehen bei Verzicht auf Rückzahlung und Zinsen

Die Eheleute waren in den Streitjahren 2009/2010 zu 66 % und zu 8% am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Sie hatten zur Finanzierung ihrer Stammeinlagen ein Bankdarlehen aufgenommen und in der Folgezeit seit 1997 der GmbH über mehrere Jahre verschiedene Darlehen gewährt, die sie selbst bei Banken refinanzieren mussten. Für die Streitjahre machten sie die Refinanzierungskosten sowie weitere Aufwendungen (Steuerberatungs-/Finanzierungskosten, Bankgebühren, Fachliteratur) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Bei mehreren Darlehen waren Darlehens- und Zinsverzichte gegen Besserungsschein vereinbart worden, wobei für ein Darlehen Zins gezahlt wurde, obwohl bereits zuvor ein Forderungsverzicht ausgesprochen worden war. Für ein weiteres Darlehen war ein Teilverzicht auf Rückzahlung und Zinsen ausgesprochen worden, jedoch wurden auch für den verbliebenen Teil keine Zinsen gezahlt.

Das FA versagte den Werbungskostenabzug wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht. Das FG wies die Klage unter Hinweis auf das Verbot des Werbungskostenabzugs für der Abgeltungsteuer unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen ab (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Die Voraussetzungen einer Ausnahme von dem Abzugsverbot (§ 32d Abs. 2 EStG) seien nicht gegeben.

Entscheidung: Verbot des Werbungskostenabzugs mangels Option zur Regelbesteuerung

Die Schuldzinsen für das Bankdarlehen zur Refinanzierung der Stammeinlagen fallen unter das Abzugsverbot. Denn die Eheleute wollten aus der Gesellschaft Beteiligungserträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnanteile) erzielen. Die Schuldzinsen stehen daher Zusammenhang mit Beteiligungserträgen, die der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG) unterliegen. Die Regelung (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG), nach der das Abzugsverbot für Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anzuwenden ist, wenn vom Gesellschafter ein Antrag (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG) gestellt wird, findet keine Anwendung, da die Eheleute keinen entsprechenden Antrag gestellt haben. Der Antrag hätte spätestens zusammen mit der ESt-Erklärung gestellt werden müssen (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG). Eine Nachholung des Antrags ist ausgeschlossen (BFH v. 28.7.2015, VIII R 50/14, BStBl II 2015 S. 894).

Der Verzicht führt zur Verlagerung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zu den Beteiligungserträgen

Soweit die Eheleute vollständig auf Zins- und Rückzahlung gegenüber der GmbH verzichtet haben, bestand für die Schuldzinsen kein wirtschaftlicher Zusammenhang zu (künftigen) Kapitalerträgen (Zinsen; § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG), sondern nur zu den Beteiligungserträgen aus der GmbH (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Denn aufgrund des Verzichts auf die Ansprüche aus den Gesellschafterdarlehen hat sich der ursprüngliche wirtschaftliche Zusammenhang der Refinanzierungszinsen zu den Kapitalerträgen aus den Gesellschafterdarlehen (Zinsen; § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) zu den Beteiligungserträgen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG verlagert. Denn durch den Verzicht bis zum Eintritt des Besserungsfalls sollte die Ertragslage der GmbH und die Substanz der Beteiligung gefördert werden. Mangels eines wirksamen Antrags i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG greift daher auch hier das Abzugsverbot ein. 

Kein Abzugsverbot, soweit Zinsen geschuldet, aber nicht gezahlt wurden

Hinsichtlich des Darlehens, für das die Eheleute nur einen Teilverzicht erklärt hatten mit der Folge, dass das Darlehen teilweise fortbestand, gilt das Werbungskostenabzugsverbot für die Refinanzierungskosten und die weiteren Kosten (Steuerberatungskosten usw.) nicht, soweit die Zinsen von der GmbH zivilrechtlich geschuldet wurden, auch wenn sie tatsächlich nicht gezahlt wurden. Zum einen gilt das Abzugsverbot nicht für Zinsen aus einem Gesellschafterdarlehen, wenn diese an einen Anteilseigner (hier den Ehemann) gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG). Zum anderen ist das Merkmal "gezahlt" weit auszulegen. Das Werbungskostenabzugsverbot ist daher auf die Schuldzinsen und sonstigen Kosten nicht anzuwenden, soweit sie mit dem – teilweise fortbestehenden – Gesellschafterdarlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der BFH verwies den Fall an das FG zur Feststellung des anteiligen Werbungskostenabzugs zurück.

Hinweis: Kein Abzug als nachträgliche Werbungskosten möglich

Die Schuldzinsen sind auch nicht als nachträgliche Werbungskosten, die mit den bis zum Verzicht erzielten früheren Zinseinkünften in Zusammenhang stehen, abziehbar. Durch den von den Eheleuten bis zum Eintritt des Besserungsfalls ausgesprochenen Verzicht auf Zinsen mit dem Ziel, die Beteiligung an der GmbH zu stärken, um höhere Beteiligungserträge zu erzielen, wurde der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen den Refinanzierungszinsen und den früheren Zinserträgen beendet. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang wurde durch einen neuen Veranlassungszusammenhang zu den Beteiligungserträgen ersetzt. Damit können die Grundsätze zum Abzug nachträglicher Werbungskosten nicht angewandt werden, da diese einen fortbestehenden Veranlassungszusammenhang voraussetzen (BFH v. 8.4.2014, IX R 45/13, BStBl II 2015 S. 635).

BFH, Urteil v. 24.10.2017, VIII R 19/16; veröffentlicht am 31.10.2018.