Einstweiliger Rechtsschutz bei Versagung der formellen Satzungsmäßigkeit

Hintergrund: Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen
Im Streit ist, ob der eingetragene Verein mit dem Zweck der Erforschung von Staat und Politik die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfüllt.
Der Verein beantragte auf der Grundlage einer (geänderten) Satzung aus 2019 die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO. Gegen die Ablehnung dieses Antrags legte der Verein Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte den AdV-Antrag ab.
Der sodann beim FG gestellte AdV-Antrag hatte Erfolg. Das FG entschied, der Ablehnungsbescheid sei ein der AdV zugänglicher vollziehbarer Verwaltungsakt. Bei summarischer Betrachtung sei die formelle Satzungsmäßigkeit (Gemeinnützigkeit) erfüllt.
Gegen diesen stattgebenden Beschluss legte das FA die (vom FG zugelassene) Beschwerde zum BFH ein.
Entscheidung: Vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung
Der BFH widerspricht dem FG und lehnte den AdV-Antrag des Vereins ab. Einstweiliger Rechtsschutz sei nicht durch AdV (§ 69 FGO), sondern durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück.
Verhältnis von Klageart und einstweiligem Rechtsschutz
Die Abgrenzung der beiden Rechtsschutzarten nach §§ 69, 114 FGO richtet sich danach, welche Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben wäre. Im Verfahren der Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO) ist vorläufiger Rechtsschutz durch AdV zu gewähren. Bei einer Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt 2 FGO) ist dagegen eine einstweilige Anordnung zu erlassen (BFH v. 23.4.2012, III B 183/11, BFH/NV 2012, 1173). Die Anfechtungsklage dient der Abwehr hoheitlicher Eingriffe, während die Verpflichtungsklage (auf Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts) gegenteilig darauf gerichtet ist, den eigenen Rechtskreis zu erweitern.
Einstweilige Anordnung bei erstmaliger Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Satzungsgemäßheit
Dem entsprechend ist im Streitfall einstweilige Anordnung nach § 114 FGO geboten. Denn mit dem Antrag auf Feststellung der Satzungsmäßigkeit nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen wehrt die Körperschaft keinen Eingriff in ihre Rechte ab, sondern erstrebt – wie in der Situation einer Verpflichtungsklage – eine ihr bislang nicht zustehende Begünstigung.
AdV bei Aufhebung des Feststellungsbescheids
Anders dürfte es sein, wenn es um die Aufhebung eines Feststellungsbescheids gegenüber der steuerbegünstigten Körperschaft geht. Insoweit handelt es sich wegen der Bindungswirkung für die Besteuerung der Körperschaft und die Zuwendungsgeber um ein zweistufiges Besteuerungsverfahren (§ 60a Abs. 1 Satz 2 AO). Der Feststellungsbescheid stellt einen Grundlagenbescheid dar. Nach der Rechtsprechung des BFH wird in zweistufigen Besteuerungsverfahren der vorläufige Rechtsschutz durch AdV gewährt (BFH v. 14.4.1987, GrS 2/85, BStBl II 1987, 637).
Der Verein beantragte hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung
Im Streitfall verfolgt der Verein das Ziel, einstweiligen Rechtsschutz zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen aufgrund eines nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO gestellten Antrags zu erlangen. Er begehrt somit hilfsweise eine Erweiterung seines Rechtskreises und macht ein Verpflichtungsbegehren geltend. Vorläufiger Rechtsschutz ist daher durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren. Auf die Bindungswirkung nach § 60a Abs. 1 Satz 2 AO kommt es nicht an. Denn für das bloße Begehren, Zuwendungsbestätigungen ausstellen zu dürfen, fehlt es an einem zweistufigen Besteuerungsverfahren i.S. des BFH-Beschluss v. 14.4.1987, GrS 2/85, BStBl II 1987, 637. Der AdV-Antrag ist demnach unzulässig. Allerdings ist über den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen noch nicht entschieden.
Zurückverweisung an das FG
Auf dieser Grundlage ist nunmehr über den Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden. Dies erfordert tatsächliche Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 114 FGO. Diese Feststellungen nachzuholen ist Aufgabe des FG. Der BFH verwies daher die Sache an das FG zurück. Dazu ist der BFH im Beschwerdeverfahren analog § 572 Abs. 3 ZPO befugt.
Hinweis: Klarstellung durch den BFH
Aus der Entscheidung ergibt sich somit:
- In dem der Veranlagung vorgeschalteten Feststellungsverfahren nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO kann die Körperschaft gegen die Ablehnung des Feststellungsbescheids Verpflichtungsklage erheben und im einstweiligen Rechtsschutz einstweilige Anordnung beantragen.
- Gegen die Aufhebung des Feststellungsbescheids ist Anfechtungsklage zu erheben mit der Möglichkeit der AdV.
- Ebenso ist der nachfolgende KSt-Bescheid mit der Anfechtungsklage und der Möglichkeit der AdV anfechtbar.
BFH Beschluss vom 02.12.2020 - V B 25/20 (AdV) (veröffentlicht am 04.02.2021)
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