Passiver RAP bei immerwährender Unterlassungspflicht

Ein buchführender Landwirt, der für die zeitlich nicht begrenzte Verpflichtung zur Nichterweiterung seines Betriebs ein Entgelt erhält, hat einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

Hintergrund: Entschädigung für die Nichterweiterung des Betriebs

Zu entscheiden war, ob die zur Bildung eines passiven RAP erforderliche Gegenleistung in dem dauerhaften Unterlassen einer Betätigung bestehen kann.

Der Landwirt L, der die Erweiterung seiner Schweinehaltung erwog, verpflichtete sich gegenüber einem Zweckverband (zur Ansiedelung eines Industriebetriebs), die Schweinehaltung künftig auf den bestehenden Umfang begrenzt zu halten und keine baulichen Veränderungen vorzunehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Zweckverband im Juli 2005, an L eine einmalige Entschädigung von 600.000 EUR zu zahlen. L berücksichtigte für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 die Entschädigungsforderung zuzüglich weiterer Zahlungen (insgesamt 945.000 EUR) als außerordentlichen Ertrag und beantragte im Klageverfahren im Wege der Bilanzberichtung die Bildung eines über 25 Jahre aufzulösenden passiven RAP.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Es ging davon aus, die Zahlung habe nur i. H. v. 600.000 EUR Entschädigungscharakter für das Unterlassen der Betriebserweiterung. Der Betrag sei auf 15 Jahre zu verteilen. Da sich 40.000 EUR bereits im Wirtschaftsjahr 2005/2006 erfolgswirksam als Ertrag für die Zeit vor dem Abschlussstichtag ausgewirkt hätten, sei nur für 560.000 EUR ein passiver RAP zu bilden und über den weiteren Zeitraum von 14 Jahren aufzulösen. Der Restbetrag (345.000 EUR) betreffe einen Zuschuss (für den Bau einer Biogasanlage), der im Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend anzusetzen sei. Diese Aufteilung war unstreitig. Gegenstand des Revisionsverfahrens war nur die Entschädigungsverpflichtung von 600.000 EUR. 

Entscheidung: Passiver RAP bei gleichbleibender Dauerverpflichtung

Ebenso wie das FG bejaht auch der BFH die Bildung eines passiven RAP. Als RAP sind auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen (§ 250 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). Eine Einnahme, die die Bildung eines passiven RAP rechtfertigt, liegt nicht nur bei Bar- oder Buchgeldzahlungen, sondern auch bei einer als Ertrag gebuchten Forderung vor. Die Einnahme (Entschädigungsforderung) stellte (soweit sie nicht auf die Zeit vor dem Abschlussstichtag entfiel, also teilweise) Ertrag für eine Zeit nach dem Abschlussstichtag dar. Denn sie betraf die zeitlich unbegrenzte, durch eine Dienstbarkeit abzusichernde Verpflichtung des L zur Nichterweiterung der Schweinehaltung auf seinem Hof. Insoweit bestand eine Verpflichtung des L zu einer nach dem Bilanzstichtag (30.6.2006) zeitanteilig noch zu erbringenden Gegenleistung.

Die vom Unternehmer zu erbringende Gegenleistung kann in einem Unterlassen bestehen. Für L bestand rechtlich und wirtschaftlich eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung. Er erhielt die Entschädigung nicht für einen bloßen (vor dem Abschlussstichtag bereits erklärten) Verzicht, für den als eine bereits vollständig vollzogene Leistung kein passiver RAP gebildet werden kann, sondern für die sich kontinuierlich in der Zeit über das Wirtschaftsjahr 2005/2006 hinaus vollziehende Verpflichtung, den Betrieb nicht über den bisherigen Umfang auszudehnen.

Immerwährende Zeit als "bestimmte Zeit"

Die Einnahme stellt sich auch als Ertrag für eine "bestimmte Zeit" nach dem Abschlussstichtag dar. "Bestimmte Zeit" kann auch eine immerwährende Zeit sein, wenn der Unternehmer eine zeitlich nicht begrenzte Dauerleistung zu erbringen hat. Denn auch eine immerwährende Zeit ist bestimmt, weil feststeht, dass sie niemals enden wird. Deshalb ist auch bei einer immerwährenden Duldungs- oder Unterlassungspflicht für jedes Jahr, das der Bewilligung folgt, sicher, dass es von der Regelung erfasst wird. Damit wird das Realisationsprinzip gewahrt und ein sofortiger Erfolgsausweis verhindert.

Die Einnahme ist allerdings nicht (wie das FG angenommen hat) auf 15 Jahre, sondern – wie von L geltend gemacht – auf 25 Jahre zu verteilen. Die Höhe des RAP bemisst sich bei Vorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag nach dem Teil der Einnahme, der die nach dem Bilanzstichtag zu erbringende Gegenleistung abgilt. Die von L eingegangene Verpflichtung kann als Kapitalwert einer Jahresvergütung auf unbegrenzte Zeit aufgefasst werden. Dabei ist eine Verteilung auf 25 Jahre sachgerecht. Zur Berechnung verweist der BFH auf das Urteil vom 17.10.1968, IV 84/65 (BStBl II 1969, 180; Haufe Index 68409). Danach sind ewige Renten rechnerisch wie auf bestimmte Zeit gezahlte Renten zu behandeln. Bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 4% und Zinseszinsen und Unterstellung nachschüssiger Zahlung ist der Barwert einer ewigen Rente das 25-fache der Jahresrente.

Hinweis: Einmaliger Verzicht oder dauernde Unterlassungslast

Das FA ging davon aus, L habe einen einmaligen Verzicht auf die Ausweitung seines Betriebs erklärt und dafür eine Abfindung erhalten. In diesem Fall wäre seine Leistung bereits vor dem Abschlussstichtag vollständig vollzogen. Ein RAP wäre ausgeschlossen. Der Streitfall lag jedoch anders. Denn L ging eine Dauerverpflichtung ein, künftig den Betrieb nicht zu erweitern. Die Dauerhaftigkeit seiner Leistungen haftete den Leistungen selbst an. Sie vollziehen sich kontinuierlich. Es handelt sich um eine Unterlassungslast, die L auch über den Abschlussstichtag hinaus erfüllen musste.

Die Pflicht zur Bildung eines passiven RAP auch bei einer zeitlich nicht begrenzten Dauerleistung bzw. die Behandlung einer immerwährenden Zeit als "bestimmte Zeit" i. S. v. § 250 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist – ausgehend vom Realisationsprinzip – sachgerecht. Mit der Verteilung wird der sofortige Erfolgsausweis vermieden. Bei der Vertragsgestaltung ist somit zu beachten, ob ein sofortiger Verzicht auf ein bestehendes Recht oder eine Dauerleistung als kontinuierliches Unterlassen vereinbart ist.

Die Entscheidung wurde vom VI. Senat getroffen, auf den ab 2017 die Zuständigkeit für Einkünfte aus LuF vom bisher zuständigen IV. Senat übergegangen ist.

BFH, Urteil v. 15.2.2017, VI R 96/13, veröffentlicht am 28.6.2017

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