Günstigerprüfung bei der Abgeltungsteuer

Auch bei der "Günstigerprüfung" gilt der Grundsatz, dass als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen lediglich der Sparer-Pauschbetrag abziehbar ist. Der Abzug der tatsächlichen Kosten ist ausgeschlossen.

Hintergrund

Zu entscheiden war, ob der Ausschluss des Werbungskostenabzugs in tatsächlicher Höhe bei den Kapitaleinkünften im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ab 2009 verfassungswidrig ist.

Die während des Prozesses verstorbene A erklärte für 2009 neben Renteneinkünften Einnahmen aus Kapitalvermögen von 30.238 EUR. Sie hatte im Alter von 95 Jahren die Verwaltung ihres Vermögens einem Treuhänder übertragen, der sie betreute. An diesen leistete sie in 2009 eine Vergütung von insgesamt 10.647 EUR. Davon berücksichtigte das FA den Teilbetrag von 3.549 EUR als außergewöhnliche Belastung für die allgemeine Betreuung. Den restlichen Betrag (Treuhandvergütung 7.098 EUR zuzüglich Steuerberatungskosten von 277 EUR = 7.375 EUR), der die Einnahmen aus Kapitalvermögen betraf, berücksichtigte das FA lediglich mit dem Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR. Der individuelle Steuersatz lag bei Berücksichtigung nur des Sparer-Pauschbetrags bei 14,34 %.

Das FG gab der Klage, mit der X als Rechtsnachfolger der A den Abzug von Werbungskosten in tatsächlicher Höhe (7.375 EUR) begehrte, statt. Das FG meinte, der Ausschluss des Werbungskostenabzugs in tatsächlicher Höhe verletze den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das objektive Nettoprinzip.

Entscheidung

Nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG werden auf Antrag die Kapitaleinkünfte dem regulären tariflichen  Steuersatz unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Steuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung). Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung - und damit auch im Streitfall - nach § 20 Abs. 9 EStG vorzunehmen. Damit findet auch im Falle der Günstigerprüfung die mit dem System der Abgeltungsteuer eingeführte Bruttobesteuerung Anwendung, nach der der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausgeschlossen ist und lediglich der Sparer-Pauschbetrag (801/1602 EUR) gewährt wird.

Der BFH bestätigt zunächst die bisherige Rechtsprechung, nach der das Werbungskostenabzugsverbot im Hinblick auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BFH, Urt. v. 1.7.2014, VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975). Sodann verneint der BFH einen Gleichheitsverstoß auch in Bezug auf die Fälle, in denen die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht dem Abgeltungsteuersatz unterliegen und unter Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ermittelt werden (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 4 EStG: besonderes Näheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, Versicherungsleistungen usw.). Denn die Günstigerprüfung hat weniger den Charakter einer Ausnahme von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes, sondern stellt eher eine Billigkeitsmaßnahme dar, mit der derjenige, dessen Steuersatz noch niedriger als 25 % liegt, eine weitere Begünstigung erfährt. Diese Ungleichbehandlung ist ebenfalls durch den Vereinfachungs- und Pauschalierungszweck gerechtfertigt. Dieser Zweck führt für den typischen Kleinanleger über den Abzug des Sparer-Pauschbetrags auch im Fall der Günstigerprüfung zu einer realitätsgerechten Berücksichtigung der Aufwendungen. Die vom FG vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" widerspricht somit nicht nur dem Gesetzeswortlaut, der auf § 20 Abs. 9 EStG (kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten) verweist, sondern auch den mit der Einführung der Abgeltungsteuer verfolgten gesetzgeberischen Zielen. Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und bestätigte die mit der Revision vorgetragene Auffassung des FA.

Hinweis

Im Streitfall liegt die atypische Konstellation zugrunde, dass den nicht besonders hohen Einnahmen (rund 30.000 EUR) aufgrund der Treuhandvergütung nicht unbeträchtliche Ausgaben (rund 7.400 EUR) gegenüberstanden. Für solche atypischen Fälle weist der BFH auf die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme hin. Angesichts der dem Gesetzgeber gestatteten Typisierung kommt ein Billigkeitserlass allerdings nur in atypischen Extremfällen in Betracht. An einen solchen Extremfall könnte im Streitfall bei Werbungskosten in Höhe eines Viertels der Einnahmen durchaus gedacht werden, wobei aber auch zu berücksichtigen wäre, dass die hohen Werbungskosten aufgrund eigener Gestaltung bewusst in Kauf genommen wurden. Die Billigkeitsfrage wurde vom BFH allerdings offen gelassen.

Urteil v. 28.1.2015, VIII R 13/13, veröffentlicht am 11.3.2015

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