Gästehaus am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen

Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG greift nicht ein, wenn sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen befindet. Ein Betrieb des Steuerpflichtigen am Ort des Gästehauses muss nicht üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden aufgesucht werden.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG dürfen Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden, den Gewinn nicht mindern.

Sachverhalt: Aufwendungen für das Gästehaus eines Lohnsteuerhilfevereins

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren darüber, ob Aufwendungen für ein Gästehaus in X dem Abzugsverbot des § 8 Abs. 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 4 Abs. 5 EStG sowie dem Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 EStG unterliegen. Der Kläger ist ein nach dem StBerG anerkannter Lohnsteuerhilfeverein. Er unterhielt in den Streitjahren 2012 bis 2014 eine Reihe von Beratungsstellen im Sinne von § 23 StBerG, deren Leiter als freie Mitarbeiter für den Kläger tätig sind. Die Beratungsstellenleiter sind keine Arbeitnehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 LStDV und erzielen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG).

Der Kläger mietete zwei Ferienapartments in X an. Sämtliche Aufwendungen für die Apartments behandelte er als abziehbare Betriebsausgaben und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Die Apartments überließ der Kläger unentgeltlich an für ihn tätige Beratungsstellenleiter jeweils für eine Woche.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Streitjahre vertrat das FA in den Änderungsbescheiden über Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer vom 24.1.2018 u.a. die Auffassung, dass die gesamten Aufwendungen für die Apartments nicht abziehbare Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG seien und die pauschale Steuer nach § 37b EStG, die im Jahr 2014 erhoben wurde, nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen sei. Die auf die angemieteten Apartments entfallenden Vorsteuerbeträge seien folglich auch nicht abzugsfähig.

Einspruch und Klage waren erfolglos

Die Einsprüche blieben insoweit erfolglos, wobei das FA das Abzugsverbot zusätzlich auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG stützte. Dagegen erhob der Kläger Klage. Das FG wies die Klage ab. Es nahm an, die Aufwendungen für die Apartments in X seien nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Das Abzugsverbot ergebe sich zwar nicht aus § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, weil die Überlassung der Apartments nicht als Geschenk anzusehen sei. Das Abzugsverbot ergebe sich aber aus § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG. Bei den Apartments in X handele es sich um Gästehäuser, die sich außerhalb des Ortes eines Betriebs des Klägers befänden. Der Kläger habe zwar zur Überzeugung des FG nachweisen können, dass er in X im gleichen Gebäudekomplex über eine Betriebsstätte – in Gestalt eines eigenen Schulungsraums – verfügt habe. Jedoch müsse – entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung – die Betriebsstätte auch üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden aufgesucht werden. Dies sei hier nicht der Fall.

Im Ergebnis zutreffend sei daher auch die Pauschalsteuer nach § 37b EStG im Jahr der Entstehung und aufwandswirksamen Verbuchung (2014) als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe anzusehen. Das FA habe außerdem zu Recht den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG versagt, da die Vorsteuer auf Aufwendungen entfallen sei, die unter ein Abzugsverbot fielen.

Revisionsbegründung

Mit der Revision rügt der Kläger ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts in Bezug auf die Apartments in X. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG sei nicht anwendbar, weil der Kläger in X über eine Betriebsstätte verfüge. Die Nutzer des Apartments müssten nicht üblicherweise die Betriebsstätte besuchen; diese zusätzliche Anforderung aus R 4.10 Abs. 10 Satz 3 EStR finde keine Stütze im Gesetz. Die Aufwendungen seien im Streitfall auch nicht durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG vom Abzug ausgeschlossen. Die Aufwendungen seien nicht unangemessen, da die Apartments nur Aufwendungen von circa 850 EUR monatlich verursacht hätten.

Entscheidung: BFH hält die die Revision für begründet

Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Unrecht das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG für Gästehäuser auf die Apartments in X angewandt:

  • Entgegen der Auffassung des FG verlangt § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht, dass eine Stelle, eine Betriebsstätte oder ein Betrieb des Steuerpflichtigen in der räumlichen Nähe der Einrichtung auch üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden aufgesucht werden muss.
  • Der BFH hat bei der Prüfung des Merkmals, ob sich das Gästehaus "außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen" befindet, in seinem Urteil vom 20.11.2019, XI R 49/17 (BFH/NV 2020, 497, Rz. 26) auf das Vorliegen einer Betriebsstätte (§ 12 AO) abgestellt. Da sich in jenem Streitfall am Ort des Gästehauses keine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO befand, entschied der BFH, dass sich das Gästehaus außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinde.
  • Über die Tatbestandsmerkmale des § 12 AO hinausgehende Anforderungen sind an den Begriff des "Betriebs" im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht zu stellen. Insbesondere muss die Betriebsstätte nicht, wie die Finanzverwaltung in R 4.10 Abs. 10 Satz 3 EStR meint, üblicherweise von Geschäftsfreunden besucht werden.
  • Dass zusätzlich "ein" Betrieb in der räumlichen Nähe der Einrichtung auch üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden aufgesucht werden müsse, also eine "besondere Betriebsbezogenheit" vorliegen müsse, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.
  • Entgegen der Auffassung des FG befinden sich die Wohnungen in X nicht außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen. Das FG hat nach Sachverhaltsaufklärung angenommen, dass der Kläger zur Überzeugung des FG habe nachweisen können, dass er in X im gleichen Gebäudekomplex über einen eigenen Schulungsraum als Betriebsstätte verfügt habe.

BFH, Urteil v. 24.5.2023, XI R 37/20; veröffentlicht am 28.9.2023

Alle am 28.9.2023 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


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