Ermäßigter USt-Satz für Autorenlesungen

Eine Lesung vor Publikum kann theaterähnlich sein und damit dem ermäßigten USt-Satz unterliegen.

Hintergrund

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob für Umsätze aus Autorenlesungen der ermäßigte USt-Satz Anwendung findet.

Die Schriftstellerin S führte im Streitjahr Lesungen aus ihrem zuvor erschienen Buch durch. Ihre Veranstaltungen erschöpften sich nicht in der reinen Lesung. Sie kommentierte dabei ihr eigenes Werk, erzählte Geschichten aus ihrem Leben und interagierte mit dem Publikum. Am Ende des Vortrags beantwortete sie Fragen aus dem Publikum. Das FA wich von der USt-Erklärung der S ab und unterwarf die Umsätze aus den Lesungen dem Regelsteuersatz.

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, S erbringe eine mit Theatervorführungen vergleichbare Darbietung.

Mit der Revision wandte das FA ein, nur bei einer Darbietung, die ein kulturelles Niveau aufweise, das der Gestaltungshöhe einer Theateraufführung vergleichbar sei, sei eine Steuerermäßigung gerechtfertigt. Das theaterähnliche Gepräge müsse den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmachen. S gehe es jedoch in erster Linie darum, ihr Werk durch Lesungen bekannt zu machen und zu vermarkten.

Entscheidung

Die Steuervergünstigung steht nur zu, wenn eine Vorführung zumindest als "theaterähnlich" oder "konzertähnlich" einzustufen ist und dies der Hauptbestandteil der Veranstaltung ist. "Theater" bezeichnet alle Formen szenischer Darstellung sowie die künstlerische Kommunikation zwischen Darstellern und Zuschauern. Hierzu zählt als eine Form der "Kleinkunst" auch die "Rezitation", d.h. der künstlerische Vortrag. Von Bedeutung sind Interpretationstechniken wie Atemtechnik, Stimmtechnik und Sprechtechnik. Der Vortragende transportiert mit Hilfe der Stimme, Sprache, Körperhaltung und Bewegung Emotionen und Gedanken zum Zuhörer.

Ebenso wie das bloße Abspielen eines Tonträgers kein Konzert ist, stellt das reine Vorlesen eines Autors aus seinem Buch vor Publikum weder eine Theatervorführung noch eine den Theatervorführungen vergleichbare Darbietung eines ausübenden Künstlers dar. Eine Frage- oder Autogrammstunde ist daher keine begünstigte Veranstaltung.

Hiervon ausgehend gesteht der BFH im Streitfall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zu. S veränderte bei ihren Lesungen häufig ihre Stimme zum Ausdruck besonderer Situationen oder zur Darstellung handelnder Personen und unterstrich dies mit Mimik, Körperhaltung und Bewegung, wodurch sie beim Publikum Emotionen hervorrief.     

Hinweis

Der BFH bestätigt mit dieser Entscheidung seine großzügige Beurteilung von Aufführungen vor Publikum. Ein besonderes kulturelles Niveau ist nicht erforderlich. Die Veränderung der Stimme, der Einsatz von Mimik, Körperhaltung und Bewegung sowie das Einstreuen kabarettistischer Bemerkungen genügt, um eine Darbietung über das reine Vorlesen aus einem Buch zu heben. Eine Lesung, die engagiert und lebhaft vorgetragen wird, dürfte daher regelmäßig die Kriterien des ermäßigten Steuersatzes erfüllen. Der BFH betont, dass auch das Vermarktungsinteresse des Autors bzw. des Verlags nicht gegen das Vorleigen einer theaterähnlichen Veranstaltung sprechen.

Im Übrigen verdeutlicht die Entscheidung die Schwierigkeit, mit der Revision durchzudringen, wenn das FG tatsächliche Feststellungen getroffen hat und dabei keine Verfahrensfehler begangen hat, die gegen diese Feststellungen mit der Verfahrensrevision vorgebracht werden könnten. Die Feststellungen sind dann grundsätzlich unangreifbar und für den BFH bindend. Dafür genügt es, dass die Würdigung des FG möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, d.h. logisch nachvollziehbar ist. Dass auch eine andere Würdigung möglich gewesen wäre, ist unerheblich. Daher ist, wenn die Revision angestrebt wird, wegen der Tatsachenbindung des BFH durch entsprechenden Sachvortrag dafür Sorge zu tragen, dass das FG den Sachverhalt möglichst umfassend und objektiv darstellt.

BFH, Urteil v. 25.2.2015, XI R 35/12, veröffentlicht am 10.6.2015

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