Einwendungen gegen eine tatsächliche Verständigung

Hintergrund: Einwendungen nach Bestandskraft der Änderungsbescheide
A betrieb einen Gebrauchtwagenhandel. Nach einer Betriebsprüfung einigte er sich mit dem FA auf verschiedene Besteuerungsgrundlagen. Die Ergebnisse der tatsächlichen Verständigung wurden in geänderten ESt-, USt- und GewStMB-Bescheiden vom Juli 2014 umgesetzt, gegen die A keine Einsprüche erhob und die daher bestandskräftig wurden. Im September 2014 legte A Einspruch gegen die tatsächliche Verständigung ein, den er damit begründete, von den Beamten sei ihm eine hohe Steuernachzahlung, eine Vernichtung seiner Existenz und eine Haftstrafe angedroht worden. Er sei zur Unterschrift erpresst worden. Das FA verwarf den Einspruch mangels Verwaltungsaktqualität der tatsächlichen Verständigung als unzulässig.
Mit der dagegen gerichteten Klage machte A geltend, die tatsächliche Verständigung sei infolge seiner Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Drohung (§ 123 BGB) unwirksam. Zudem komme sie zu einem völlig unzutreffenden Ergebnis. Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es hielt sowohl den auf Feststellung der Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung gerichteten Hauptantrag als auch den Hilfsantrag auf Verpflichtung, die angefochtenen Bescheide zu ändern, für unzulässig und ließ die Revision nicht zu.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrte A, die Revision wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
Entscheidung: Subsidiarität der Feststellungsklage
Der BFH wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Subsidiarität der Feststellungsklage). Das FA hat die umstrittene tatsächliche Verständigung den Änderungsbescheiden vom Juli 2014 zugrunde gelegt. Mit einer Anfechtungsklage gegen diese Bescheide hätte A sein Rechtsschutzziel, dass die tatsächliche Verständigung wegen Unwirksamkeit nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden darf, erreichen können. Denn die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung werden im Verfahren über die Anfechtung eines Bescheids inzident geprüft.
Mit der Anfechtungsklage hätte A sein Rechtsschutzziel ebenso gut oder sogar rechtsschutzintensiver verwirklichen können als mit der Feststellungsklage. Denn nur mit der Anfechtungsklage hätte er die letztlich von ihm begehrte Absenkung der festgesetzten oder festgestellten Beträge erreichen können. Die Subsidiarität der Anfechtungsklage soll die Umgehung der Sachentscheidungsvoraussetzungen der vorrangig zu erhebenden verwaltungsaktbezogenen Gestaltungsklagen unterbinden. Für die Anfechtungsklage erfüllte A die Sachentscheidungsvoraussetzungen aber nicht, weil er die Änderungsbescheide hatte bestandskräftig werden lassen.
Tatsächliche Verständigung ist kein Verwaltungsakt
Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO gilt die grundsätzlich Subsidiarität der Feststellungsklage nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird. Die Voraussetzungen der Nichtigkeitsfeststellungsklage sind jedoch nicht gegeben, da eine tatsächliche Verständigung keinen Verwaltungsakt darstellt. Ein Verwaltungsakt ist eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Behörde muss einem Rechtsunterworfenen einseitig eine Verpflichtung auferlegen. Daran fehlt es im Fall einer tatsächlichen Verständigung. Deren Verbindlichkeit ergibt sich nicht aus einer einseitigen Verpflichtungsbefugnis der Behörde, sondern aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Teils gebietet. Es fehlt an einem einseitigen Setzen einer verbindlichen Rechtsfolge und damit an einer Regelung.
Hinweis: Tatsächliche Verständigung ist nicht gesondert angreifbar
Da die tatsächliche Verständigung kein Verwaltungsakt ist und ihr Inhalt sowie ihre Wirksamkeit im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den die tatsächliche Verständigung umsetzenden Bescheid inzident geprüft werden, ist eine gesonderte Feststellungsklage gegen eine tatsächliche Verständigung grundsätzlich unzulässig. Mangels Verwaltungsaktqualität scheidet auch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage aus. Entsprechendes gilt für den Einspruch, der nach § 348 AO ebenfalls einen Verwaltungsakt voraussetzt. Sofortige Einwendungen gegen eine tatsächliche Verständigung kann das FA somit grundsätzlich mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Einspruchs und der Klage gegen den die Verständigung umsetzenden Bescheid zurückweisen. Das schließt allerdings für die Praxis nicht aus, dass sich Steuerpflichtiger/Berater und FA im Anschluss an eine bereits getroffene tatsächliche Verständigung nochmals zusammensetzen, um neue Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder Unklarheiten zu beseitigen.
BFH, Beschluss v. 12.6.2017, III B 144/16, veröffentlicht am 6.9.2017.
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