Ehegattensplitting ist verfassungswidrig

Die Anwendung des Ehegattensplittings auf Ehen, nicht aber auf eingetragene Lebenspartnerschaften ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Die entsprechenden Regelungen des EStG verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Rechtslage muss rückwirkend zum 1.8.2001 geändert werden, übergangsweise dürfen die bestehenden Vorschriften auch für eingetragene Lebenspartner weiter angewendet werden. Das hat das BVerfG mit Beschluss v. 7.5.2013 entschieden.

Die drei Beschwerdeführer leben in eingetragenen Lebenspartnerschaften. Sie beantragten die Zusammenveranlagung mit ihren jeweiligen Lebenspartnern und die Anwendung des Splittingtarifs. Das Finanzamt führte jedoch Einzelveranlagungen durch und wendete den Grundtarif an. Die Klagen beim FG und BFH blieben ohne Erfolg.

Die Zusammenveranlagung und das Splittingverfahren waren bisher ausschließlich Ehepartnern vorbehalten. Eingetragenen Lebenspartnern blieb der steuerliche Vorteil durch das Ehegattensplitting versagt. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungswidrig, die entsprechenden §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Aus den Gründen:

  • Es liegt eine Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung vor. Die eingetragene Lebenspartnerschaft können nur homosexuelle Paare eingehen, eine Ehe wird von heterosexuellen Paaren geschlossen. Die §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG setzen für die Zusammenveranlagung und das Splittingverfahren voraus, dass es sich um „Ehegatten“ handelt. Von eingetragenen Lebenspartnern ist nicht die Rede.
  • Mit Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG kann der Ausschluss der eingetragenen Lebenspartnerschaft vom Splittingverfahren ebenfalls nicht gerechtfertigt werden. Ehe und Familie stehen zwar nach Art. 6 Abs. 1 GG unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. Doch nicht nur die Ehe ist eine rechtlich verbindliche Lebensform; auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ist eine solche. Rechte und Pflichten der Lebenspartner sind im LPartG ähnlich den Rechten und Pflichten von Eheleuten gefasst; Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft sind also durchaus vergleichbar. Und: Auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist eine „taugliche Grundlage einer Familie“.
  • Darüber hinaus gibt es keinen hinreichend gewichtigen Sachgrund für die Besserstellung der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch das Splittingverfahren. Zweck des Splittingverfahrens ist es, Ehen bei gleichem Gesamteinkommen gleich zu besteuern, und zwar unabhängig davon, ob ein Ehegatte mehr und der andere weniger verdient oder ob beide Ehegatten gleich viel verdienen. Darin spiegelt sich der zivilrechtliche Grundgedanke wider, dass die Ehe eine „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ ist. Allerdings ist auch die eingetragene Lebenspartnerschaft als eine solche Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs ausgestaltet: Die Regelungen zum Güterstand und bei Trennung, Unterhaltsverpflichtungen und vieles mehr gelten hier genau wie bei einer Ehe. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, das Splittingverfahren nur Ehegatten zu gewähren, vielmehr ist eine steuerliche Gleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnern geboten.
  • Ob es in einer Ehe Kinder gibt oder nicht, spielt für das Splittingverfahren keine Rolle - und ist damit ebenfalls kein Grund, einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Splittingverfahren zu verweigern.

BVerfG, Pressemitteilung Nr. 41/2013 v. 6.6.2013
BVerfG Beschluss vom 07.05.2013 - 2 BvR 909/06

Praxishinweis:
Das BVerfG verlangt zwar eine rückwirkende Gesetzesänderung. In den Genuss des Splittingtarifs kommen eingetragene Lebenspartner aber nur, wenn ihre Veranlagungen noch nicht bestandskräftig sind. Nur Lebenspartner, die ihre jeweiligen Einkommensteuerbescheide im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerden offen gehalten haben, können also jetzt von dieser Entscheidung profitieren und die Zusammenveranlagung wählen.

Sind beide Steuerbescheide bereits bestandskräftig, kann für diese Jahre keine Zusammenveranlagung mehr beantragt werden.

Und wenn nur ein Steuerbescheid bestandskräftig, der des Lebenspartners aber offen ist bzw. er noch gar keine Steuererklärung abgegeben hat? Ehepartner können sich in diesem Fall bezüglich der Veranlagungsart umentscheiden und z. B. statt der getrennten Veranlagung die Zusammenveranlagung wählen. Was bei Ehepartnern möglich ist, könnte, durch die Rückwirkung der BVerfG-Entscheidung bedingt, theoretisch auch eine Option für eingetragene Lebenspartner sein. Angesichts der vom BVerfG geforderten Gleichbehandlung der Veranlagung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnern wäre es nur konsequent, auch in diesem Fall den eingetragenen Lebenspartnern die Zusammenveranlagung noch zu ermöglichen. Ob die Finanzämter hier tatsächlich mitspielen, bleibt abzuwarten.

Übrigens: Das BVerfG hat nicht das Splitting als solches kritisiert, sondern den Ausschluss der eingetragenen Lebenspartner von diesem steuerlichen Vorteil. Deshalb lautet die Aufgabenstellung des BVerfG: Der Gesetzgeber muss hier unverzüglich eine Neuregelung schaffen. Bis dahin bleiben die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG übergangsweise anwendbar - für Ehegatten und für eingetragene Lebenspartner.

Ausblick:
Erste Reaktionen der Regierungsparteien deuten darauf hin, dass es jetzt tatsächlich sehr schnell gehen wird. Noch vor der Bundestagswahl soll die steuerliche Gleichbehandlung gesetzlich geregelt werden. Ein Gesetzentwurf könnte bereits am 14. Juni in den Bundestag eingebracht und über diesen am 28. Juni endgültig abgestimmt werden.

Andrea Kutschera, Assessorin und Fachjournalistin (DFJS)