Bürgschaftsverluste als Werbungskosten
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob Aufwendungen eines GmbH-Geschäftsführers aus Bürgschaftsinanspruchnahmen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
A war Geschäftsführer einer GmbH. Er übernahm in 2001 - allerdings nur treuhänderisch - den Geschäftsanteil eines Gesellschafters. In 2003 gewährten zwei Banken der GmbH Darlehen zur Finanzierung von Grundstückskäufen. Als Sicherheit dienten selbstschuldnerische Bürgschaften des A. Nach der Insolvenz der GmbH in 2004 wurde A aus den Bürgschaften in Anspruch genommen.
A machte seine Zahlungen in den Streitjahren 2009 bis 2011 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Er trug vor, ihm sei bei Gründung der GmbH eine Beteiligung in Aussicht gestellt worden, um ihn als Geschäftsführer zu gewinnen. Die gegen die ablehnenden ESt-Bescheide gerichtete Klage wies das FG mit der Begründung ab, die Umstände sprächen für eine überwiegende Veranlassung durch die angestrebte Beteiligung. Insoweit kämen allenfalls Anschaffungskosten in Betracht, die bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nicht zu berücksichtigen seien.
Entscheidung
Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Stehen die Aufwendungen zu mehreren Einkunftsarten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, entscheidet der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang. Die Aufwendungen sind der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkunftsarten verdrängt. Bei Bürgschaftsverlusten spricht umso mehr für eine wirtschaftliche Verbindung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung), je höher die Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers ist. Bei einem nur gering oder nicht beteiligten Arbeitnehmer ist dagegen die Bürgschaftsübernahme ein Indiz für eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis.
Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer noch nicht gesellschaftsrechtlich beteiligt ist, aber eine Beteiligung anstrebt. Denn ein Erwerbsaufwand kann auch durch eine zunächst nur angestrebte andere Erwerbstätigkeit überwiegend veranlasst und demzufolge als vorab entstandene (vorweggenommene) Werbungskosten abziehbar sein. Voraussetzung ist allerdings, dass diese künftige Erwerbstätigkeit hinreichend konkret feststeht. Liegt das nicht vor, überwiegt folglich der wirtschaftliche Zusammenhang mit der gegenwärtigen tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit, sofern die Aufwendungen nicht ausnahmsweise privat motiviert sind.
Hiervon ausgehend musste der BFH das FG-Urteil aufheben. Denn das FG hat seine Würdigung, dass die Bürgschaftsübernahme nicht maßgeblich durch die Stellung des A als Arbeitnehmer, sondern durch die angestrebte Beteiligung veranlasst gewesen sei, nicht mit hinreichenden tatsächlichen Feststellungen unterfüttert. Konkrete Befunde zum beabsichtigten Beteiligungserwerb fehlen. Der BFH verwies die Sache daher zur Nachholung der weiteren Aufklärung an das FG zurück.
Hinweis
Stehen Aufwendungen mit verschiedenen Einkunftsarten in Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart abzuziehen, zu der der engere und wirtschaftliche Zusammenhang besteht. Die anderen Einkunftsarten werden verdrängt. Eine Aufteilung scheidet aus. Anders muss es jedoch sein, wenn die Zuordnung zu verschiedenen Einkunftsarten nach objektiven Gesichtspunkten quantifizierbar ist, z.B. wenn ein sowohl selbständig als auch nichtselbständig Tätiger für Kollegen und Kunden eine beruflich veranlasste Feier durchführt.
Sind gemischte Aufwendungen bei der Einkunftsart, zu der sie in einem engeren Zusammenhang stehen, aus Rechtsgründen nicht abziehbar (Anschaffungskosten einer Beteiligung), führt dies nicht dazu, dass sie bei der anderen Einkunftsart (nichtselbständige Tätigkeit) berücksichtigt werden können. Entscheidend bleibt die tatsächlich bestehende Beziehung. Bei einer erst geplanten - aber nicht verwirklichten - Gesellschafterstellung dürfte allerdings regelmäßig davon auszugehen sein, dass der engere Zusammenhang mit der Arbeitnehmerstellung besteht. Denn ein nicht beteiligter Arbeitnehmer wird in erster Linie bestrebt sein, seine Lohneinkünfte zu sichern und zu erhalten. Durch das bloße Inaussichtstellen einer Beteiligung wird der Bezug zu der nichtselbständigen Tätigkeit nicht verdrängt.
BFH, Urteil v. 8.7.2015, VI R 77/14, veröffentlicht am 11.11.2015
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