Eindeutigkeit einer Abfindungsklausel II
Hintergrund: Verweis auf die "Rechtsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen"
Die dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH zugesagte betriebliche Altersversorgung mit Abfindungsklausel wurde in 1999 u.a. wie folgt geändert:
- "Die Kapitalabfindung ist unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen zu berechnen.
- Gilt für diesen Pensionsvertrag im Zeitpunkt einer Abfindung das Betriebsrentengesetz, so sind die im § 3 Betriebsrentengesetz genannten Abfindungsverbote zu beachten."
Das FA beanstandete die Abfindungsklausel und löste die von der GmbH zum 31.12.2007 bilanzierte Pensionsrückstellung auf. Das Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot sei nicht erfüllt, da weder der Abzinsungssatz noch die konkret anzuwendende Sterbetafel benannt seien.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. In der Versorgungszusage werde auf die Berechnungsregelung des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) Bezug genommen. Das reiche zur inhaltlichen Konkretisierung der Abfindungsleistung aus. Die von der Finanzverwaltung geforderten Bedingungen ließen sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Mit dem Bezug auf die im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen werde auf § 3 Abs. 2 BetrAVG in der im Zeitpunkt der Zusage (1999) geltende Fassung verwiesen. Daraus sei abzuleiten, dass die "Abfindung … nach dem Barwert der nach § 2 bemessenen künftigen Versorgungsleistungen im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechnet (wird)". Für das Streitjahr (2007) gelte aufgrund des Verweises in § 3 Abs. 5 BetrAVG auf § 4 Abs. 5 BetrAVG eine "Berechnung des Barwertes" unter Anwendung der "Rechnungsgrundlagen sowie … anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Hiervon ausgehend sei es unschädlich, dass ein konkreter Abzinsungssatz und die konkret anzuwendende Sterbetafel in der Versorgungszusage nicht benannt werden.
Entscheidung: Der Verweis auf die "Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen" ist nicht hinreichend konkret
Der BFH widerspricht dieser Argumentation des FG. Der Wortlaut der Versorgungszusage lässt sich nicht dahin auslegen, dass ein Verweis auf die barwertbezogenen Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG enthalten ist. Pensionszusagen sind nach der Rechtsprechung zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. vor dem StÄndG 2001 anhand der allgemeinen Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG durch das StÄndG 2001 hat daran nichts geändert. Es handelt sich nur um eine gesetzliche Klarstellung (BFH v. 22.10.2003, I R 37/02 BStBl II 2004, 121).
Es fehlt der Verweis auf die Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG
Erforderlich ist damit, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, wobei allenfalls - wie nach allgemeinen Grundsätzen - bei der Auslegung die Wortlautgrenze von ausdrücklich angeführten Regelungsinhalten zu beachten ist.
Hiervon ausgehend lässt sich – entgegen der Auffassung des FG – aus der Versorgungszusage ein Verweis auf die Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG nicht entnehmen. Als "Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen" lassen sich auch andere Berechnungs-Maßgaben heranziehen, z.B. für den Diskontierungszinssatz sowohl die handelsrechtlichen (§ 253 Abs. 2 HGB) als auch die steuerrechtlichen Rechnungsgrundlagen (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) anführen, darüber hinaus auch die aufsichtsrechtlichen Rechnungsgrundlagen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen; § 22 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds) und die des § 4 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG; sowie im Übrigen auch Zwischen- oder Durchschnittswerte. Damit besteht - entgegen der Auslegung des FG - eine "Unklarheit der Abfindungsoption", die schon die Tatbestandsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Schädlichkeit eines Vorbehalts) betrifft.
Das gesetzliche Gebot der Wertgleichheit allein genügt nicht
Auch wenn man § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG unter Hinweis auf arbeitsrechtliche Maßgaben ein "Gebot der Wertgleichheit" des Versorgungsanspruchs zur Abfindungshöhe entnehmen möchte, wird dieses Gebot jedenfalls gegenüber einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer als "unternehmerischen Versorgungsberechtigten" nicht durch sich selbst gesichert. Es muss Gegenstand der Vereinbarung sein, um eine steuerbilanzielle Erfassung der Rückstellung nach den ertragsteuerlichen Maßgaben des § 6a EStG zu ermöglichen.
Hinweis: BMF-Vorgaben zur eindeutigen Ausgestaltung von Abfindungsregelungen
Der BFH stellt klar, dass mit dem Bezug auf die "gültigen Rechtsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen" kein Verweis auf die barwertbezogenen Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG verbunden ist. Wegen verschiedener Ansatzpunkte ist dieser Verweis nicht hinreichend konkretisiert. Nach der Auffassung der Verwaltung ist die Angabe der anzuwendenden biometrischen Faktoren (Sterbetafel) und des Abzinsungssatzes zwingend erforderlich (BMF, Schreiben v. 6.4.2005, BStBl I 2005, 619, Tz. 3, mit Verweis auf BMF, Schreiben v. 28.8.2001, BStBl 2008, 594).
Dem in einem Parallelverfahren ergangenen Beschluss (BFH v. 10.07.2019, XI R 47/17) lag eine Abfindungsklausel zugrunde, in der nicht ausdrücklich auf die Sterbetafel (Heubeck-Tafeln), sondern auf die "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" verwiesen wurde. Da die Anwendung der Heubeck-Richttafeln in langjähriger Verwaltungspraxis den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" entspricht, hat der BFH im Wege der Auslegung eine Pensionsrückstellung auch ohne ausdrückliche Benennung der Sterbetafel als eindeutig bestimmt anerkannt.
BFH Urteil vom 23.07.2019 - XI R 48/17 (veröffentlicht am 04.10.2019)
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