Bewertung eines KG-Anteils
Hintergrund: Positiver Anteilswert bei negativen Kapitalkonten
X ist Alleinerbin nach dem in 2014 verstorbenen Erblasser E. Dieser war Kommanditist einer KG. Weitere Kommanditisten waren A und B. Am Todestag des E war noch positives und negatives Betriebsvermögen der KG vorhanden. Das Kapitalkonto des E wies einen positiven Wert auf. Die Kapitalkonten von A und B waren negativ.
X ermittelte in der Feststellungserklärung für den geerbten KG-Anteil einen negativen Wert, indem sie das positive Kapitalkonto des E mit den negativen Kapitalkonten der anderen Kommanditisten verrechnete.
Das FA lehnte die Verrechnung ab und stellte dementsprechend einen positiven Wert fest. Dem folgte das FG und wies die Klage unter Hinweis auf § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a BewG ab.
Entscheidung: Keine Verrechnung positiver und negativer Kapitalkonten
Nach den Vorgaben des § 97 Abs. 1a BewG ist der gemeine Wert des Anteils an einer Personengesellschaft schematisch in mehreren Schritten zu ermitteln und aufzuteilen:
- Zunächst wird der gemeine Wert des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft insgesamt ermittelt.
- Sodann wird der so ermittelte gemeine Wert auf den zu bewertenden Anteil und die übrigen Anteile aufgeteilt. Dies erfolgt dadurch, dass die Kapitalkonten den jeweiligen Gesellschaftern vorweg zuzurechnen sind (§ 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a BewG).
- Danach wird der verbleibende Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft und der Summe der Kapitalkonten (verbleibender Wert des Betriebsvermögens) nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt, wobei Vorabgewinnanteile nicht berücksichtigt werden (anteiliger verbleibender gemeiner Wert des Betriebsvermögens, § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b BewG).
- Anschließend werden für die aktiven Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens die gemeinen Werte ermittelt und den Gesellschaftern getrennt zugerechnet (§ 97 Abs. 1a Nr. 2 BewG).
- Sodann ergibt sich der Wert des Anteils aus einer Addition des ermittelten Werts des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen und des Werts des ihm zuzurechnenden Sonderbetriebsvermögens (§ 97 Abs. 1a Nr. 3 BewG).
Abweichung vom gemeinen Wert
Dieses Aufteilungsschema gilt auch dann, wenn im Einzelfall der danach ermittelte Wert vom gemeinen Wert abweicht. Denn § 97 Abs. 1a BewG enthält eine typisierende und generalisierende Methode zu einer einfachen und schematischen Wertermittlung. Es genügt, dass damit die alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden (BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192). Unterschiede zwischen dem nach dem BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert sind typisierend hinzunehmen. Darin liegt keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Das gilt für die Ermittlung der Bereicherung bei einer Schenkung (BFH v. 5.7.2018, II B 122/17, BStBl II 2018, 660, Rz 19) und ist ebenso auf einen Erwerb von Todes wegen zu übertragen.
Positiver Anteilswert trotz negativen Betriebsvermögens
Das typisierende Aufteilungsschema kann im Einzelfall zu einem positiven Wert des Anteils und daher zu einer Bereicherung bei der ErbSt führen, auch wenn bei der Gesellschaft tatsächlich kein Vermögen mehr vorhanden ist. Das kann eintreten, wenn das Betriebsvermögen der Gesellschaft negativ ist und der Anteil eines Gesellschafters mit einem positiven Kapitalkonto zu bewerten ist, während die Kapitalkonten der anderen Gesellschafter negativ sind. Die Vorwegzurechnung des positiven Kapitalkontos nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a BewG führt – wie im Streitfall – zu einem positiven Wert des Anteils, wenn der Wert des positiven Kapitalkontos den verbleibenden Wert des Betriebsvermögens nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b BewG übersteigt und Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens nicht zuzurechnen sind. Die typisierende Aufteilung mit der Vorwegzurechnung des positiven Kapitalkontos stellt nicht darauf ab, ob ein Auszahlungsanspruch in Höhe des positiven Kapitalkontos tatsächlich besteht oder realisiert werden kann.
Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts
Erscheint der nach § 97 Abs. 1a BewG schematisch ermittelte Wert zu hoch, kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts erbracht werden. Dieser kann am treffendsten aus einem zeitnahen Verkauf abgeleitet werden. Liegt ein solcher nicht vor, kann der Wert durch ein Gutachten (eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen) nachgewiesen werden. In einem solchen Fall ist eine Aufteilung nach § 97 Abs. 1a BewG nicht vorzunehmen. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. R B 97.4 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStR 2019). Der BFH schließt sich dieser Auffassung an. Er verweist insoweit auf die verfassungsrechtlichen Erwägungen in dem BFH-Urteil v. 30.1.2019, II R 9/16 (BStBl II 2019, 599).
Hinweis: Kein Bewertungsabschlag wegen negativer Kapitalkonten
§ 97 Abs. 1a BewG ist mit Wirkung ab 1.1.2009 neu gefasst worden. Die Neuregelung trug den Vorgaben des BVerfG Rechnung, von der bisherigen Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte für erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtliche Zwecke abzurücken und nunmehr den gemeinen Wert zum generellen Bewertungsmaßstab zu erheben (BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192). Angesichts der unmissverständlichen Berechnungsvorschrift des § 97 Abs. 1a BewG, die keine Ausnahme zulässt, anerkennt der BFH keinen Abschlag für eine wegen negativer Kapitalkonten anderer Gesellschafter fehlende Werthaltigkeit des positiven Kapitalkontos. Allerdings berücksichtigt der Ansatz des erzielbaren Kaufpreises bzw. des von einem Gutachter ermittelten Werts nach Abschn. R B 97.4 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStR 2019 das Gebot der Orientierung am gemeinen Wert.
BFH Urteil vom 17.06.2020 - II R 43/17 (veröffentlicht am 19.11.2020)
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