BFH: Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten

Die doppelte Beschränkung des Abzugs von Kinderbetreuungskosten auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von 4.000 EUR je Kind verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

Hintergrund

Die Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten war bis 2008 in § 4f, § 9 Abs. 5 und § 10 Abs. 1 EStG und ab 2009 in § 9c EStG geregelt. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten vereinfacht und in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ab 2012 einheitlich dem Sonderausgabenabzug zugewiesen. Die bisherige Unterscheidung zwischen erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kosten ist entfallen. Auch auf die weiteren Voraussetzungen wie Erwerbstätigkeit, Krankheit oder Behinderung kommt es nicht mehr an. Unverändert geblieben ist aber auch nach der Neuregelung die doppelte Einschränkung der Abziehbarkeit der Höhe nach auf zwei Drittel, höchstens 4.000 EUR je Kind.

Die Entscheidung ist zu § 4f EStG a.F. ergangen. Der Sohn der Eheleute besuchte 2006 einen Kindergarten. Dafür wandten sie 837 EUR auf, die das FA nur mit zwei Dritteln (= 558 EUR) berücksichtigte. Die Eheleute wandten ein, die Abzugsbeschränkung widerspreche dem objektiven Nettoprinzip. Die Kosten müssten in voller Höhe abgezogen werden. Sie seien ausschließlich beruflich veranlasst, da ihnen ohne die Kinderbetreuung eine Erwerbstätigkeit nicht möglich sei. 

Entscheidung

Mit dem FG entschied auch der BFH ablehnend. Er hält die Beschränkung des Abzugs erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten für verfassungsgemäß.

Der BFH bezieht sich auf das BVerfG. Nach dessen Rechtsprechung müssen die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein. Der Gesetzgeber kann jedoch mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festlegen, die dem typischen Fall gerecht wird. Außerdem ist die Regelung zum beschränkten Abzug der Kinderbetreuungskosten nicht isoliert zu beurteilen, sondern im Zusammenhang mit dem BEA-Freibetrag (FB für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach § 32 Abs. 6 EStG ) zu sehen. Der BEA-Freibetrag (im Streitjahr 2006: 1.080; ab 2010: 1320 EUR) erfasst nicht nur den Eigenbetreuungsbedarf, sondern auch den Fremdbetreuungsbedarf. Für die Frage der ausreichenden Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten ist daher die Entlastungswirkung beider Regelungen (Abzug als Kinderbetreuungskosten und BEA-Freibetrag) zusammenzurechnen. 

Für das Streitjahr 2006 ergibt sich somit für Eltern pro Kind eine Entlastung bis zu 6.160 EUR (doppelter BEA-Freibetrag 1.080 EUR x 2 = 2.160 EUR plus Höchstbetrag für Kinderbetreuungskosten von 4.000 EUR = zwei Drittel von 6.000 EUR). Bei typisierender Betrachtung erscheint dem BFH diese Entlastung ausreichend, um die notwendigen Kinderbetreuungskosten zu decken.

Hinweis:

Die Entscheidung ist auf die aktuelle Rechtslage übertragbar. Zwar ist die doppelte Einschränkung der Abziehbarkeit (zwei Drittel, höchstens 4.000 EUR) unverändert geblieben. Jedoch hat sich der BEA-Freibetrag ab 2010 nicht unerheblich auf 1.320 EUR erhöht.

Auch wenn die Entlastung verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen mag, bleibt doch einzuwenden, dass allein mit der steuerlichen Entlastung der tatsächlichen Belastung der Eltern kaum ausreichend Rechnung getragen wird.

Auch der Rückzug in der Argumentation auf die typisierende Betrachtung kann nicht befriedigen. Wenn erwerbstätigen Eltern Betreuungskosten entstehen, weil sie andernfalls ihren Beruf gar nicht ausüben könnten, ist der Abzug in tatsächlicher Höhe gerechtfertigt, wobei allenfalls ein Anteil des BEA-Freibetrags, soweit er Fremdbetreuungskosten abdeckt, gegenzurechnen wäre. Im Übrigen ist die Rechnung des BFH auch insoweit kritisch zu sehen, als der BEA-Freibetrag, obwohl er auch die Eigenbetreuung betrifft, voll der Fremdbetreuung zugerechnet wurde. 

BFH Urteil vom 09.02.2012 - III R 67/09 (veröffentlicht am 20.06.2012)