Auswärtstätigkeit bei "Expats"
Hintergrund
Hier geht es um einen "Expatriate", kurz "Expat", d.h. um eine Fachkraft, die von einem international tätigen Unternehmen für einen längeren Zeitraum an eine ausländische Zweigstelle oder ein Tochterunternehmen entsandt wird.
A wurde von April 2006 bis Dezember 2011 von seiner deutschen Arbeitgeberin, einer AG, zu ihrer ausländischen Tochtergesellschaft (T) nach Übersee entsandt. Der Entsendezeitraum war ursprünglich auf drei Jahre befristet und musste wegen ungeplanter Verzögerungen dreimal verlängert werden. Ab 1.1.2012 wurde A wieder wie vorher in der AG eingesetzt. Neben dem Entsendungsvertrag zwischen A und der AG schloss A zusätzlich einen befristeten Arbeitsvertrag mit T ab. Das von T gezahlte ausländische Gehalt rechnete die AG auf das deutsche Gehalt an und zahlte A sein insoweit gekürztes inländisches Gehalt aus. Zum April 2006 gründete A zusammen mit seiner Ehefrau und zwei schulpflichtigen Kindern einen Wohnsitz in X in einer Entfernung zu T von rund 50 km. Die Kinder besuchten dort die deutsche Schule. Die Kosten des Hin- und Rückumzugs wurden von der AG getragen. Die Wohnung im Inland behielten die Eheleute bei und benutzten sie während der ausländischen Schulferien rund zwei bis drei Wochen im Jahr.
Das FA lehnte den Werbungskostenabzug der Mietaufwendungen für die ausländische Wohnung ab und berücksichtigte die Fahrten zwischen der Wohnung in X und der Arbeitsstätte bei T lediglich mit der Entfernungspauschale. Ebenso entschied das FG. Denn durch die Entsendung sei eine regelmäßige Arbeitsstätte des A bei T begründet worden.
Entscheidung
Der BFH verweist auf seine Grundsatzentscheidungen aus 2013, wonach bei einer auf vier Jahre befristeten Abordnung oder einer wiederholten Kettenabordnung an einen anderen Betriebsteil dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründet wird (Urteile v. 8.8.2013, VI R 72/12 und VI R 59/12). Der Bezug einer Unterkunft am auswärtigen Tätigkeitsort führt dementsprechend nicht zu einer doppelten Haushaltsführung. Vielmehr liegt eine Auswärtstätigkeit vor, für die die Kosten nach Dienstreisegrundsätzen mit den tatsächlichen Kosten abziehbar sind.
Im Streitfall war A zunächst für drei Jahre und mit dreimaliger Verlängerung weitere zweieinhalb Jahre ins Ausland entsandt. Aufgrund der Befristung in dem Entsendevertrag und des Fortbestehens des inländischen Arbeitsverhältnisses war er jedoch dort nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend tätig und begründete bei T, auch wenn er mit dieser einen zusätzlichen Arbeitsvertrag geschlossen hatte, keine regelmäßige Arbeitsstätte. Damit sind die Fahrten zwischen X und T nicht mit der Entfernungspauschale, sondern mit den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Die Übernachtungskosten sind allerdings nur insoweit abziehbar, als sie beruflich veranlasst sind. Soweit diese Kosten dadurch veranlasst sind, dass A von seiner Familie begleitet wurde, fehlt es an einem Erwerbsbezug.
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat die Übernachtungskosten - notfalls durch Schätzung - in einen beruflich anzuerkennenden und einen nicht abziehbaren privaten Anteil aufzuteilen.
Hinweis
Die Rechtslage bis 2013 gab keine zeitliche Obergrenze für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vor. Entscheidend war nur, ob der Arbeitnehmer auf den Zeitpunkt der Abordnung/Entsendung bezogen voraussichtlich an seine bisherige Arbeitsstätte zurückkehren wird, wobei der BFH von einem Zeitraum bis zu vier Jahren ausging.
Ab 2014 wurde der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt. In Umsetzung der neueren BFH-Rechtsprechung geht das Gesetz von einer dauerhaften Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte insbesondere dann aus, wenn der Arbeitnehmer unbefristet oder länger als 48 Monate einer Einrichtung ... zugeordnet ist. Dabei kommt es für die Prognose einer dauerhaften Zuordnung auf den Beginn der Tätigkeit an. Bei einer Verlängerung einer auf weniger als 48 Monate vorgesehenen Auswärtstätigkeit ist daher entscheidend, ob vom Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung an noch mit einem Einsatz von länger als 48 Monaten gerechnet werden kann. Bei einer Kettenabordnung ist sonach keine dauerhafte Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte gegeben, wenn die einzelne Abordnung jeweils weniger als 48 Monate umfasst. Auch nach neuem Recht wäre der Fall somit im Sinne des Revisionsurteils zu lösen. Denn der ursprünglich auf drei Jahre befristete Entsendevertrag wurde dreimal um insgesamt zweieinhalb Jahre verlängert.
Urteil v. 10.4.2014, VI R 11/13, veröffentlicht am 16.7.2014
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