Auftrag entscheidend für Haftung wegen Beratungsfehler

Das Urteil des BGH vom 18.2.2016 ist hinsichtlich der Haftung des Steuerberaters ein Paradebeispiel für die Bedeutung des Steuerberatungsvertrags und der Nachweisbarkeit der dadurch vom Steuerberater übernommenen Pflichten.

Habe der steuerliche Berater nach dem Inhalt des Vertrags die Interessen mehrerer von seinem Mandanten beherrschter Gesellschaften zu beachten, sei im Fall der Pflichtverletzung die Schadensberechnung unter Einbeziehung der Vermögenslage dieser Unternehmen vorzunehmen (Fortführung von BGH, Urteil v. 10.12.2015, IX ZR 56/15, DB 2016, S. 523).

Die beiden Gesellschafterinnen der klagenden GmbH waren ursprünglich auch je zur Hälfte Gesellschafterinnen einer OHG. Diese war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sie ein Speditionsunternehmen betrieb. Die Gesellschafterinnen beschlossen, aus Gründen der Haftungsbeschränkung die OHG durch Verschmelzung in die klagende GmbH einzubringen. Die Verschmelzung wurde in das Handelsregister eingetragen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde im Hinblick auf die Verschmelzung Grunderwerbsteuer festgesetzt. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer hätte durch Übertragung des Grundstücks auf eine neu zu gründende OHG und Verschmelzung dieser neuen OHG auf die GmbH verhindert werden können.

Die Klägerin fordert deshalb vom beklagten Steuerberater u. a. Schadensersatz in Höhe der Grunderwerbsteuer

Der BGH verweist zunächst darauf, dass sich der Schaden grundsätzlich aus einem Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und nach dem haftungsbegründenden Ereignis ergebe. Bezugspunkt sei das Vermögen des Geschädigten, nicht das Dritter. Ausnahmsweise könne aber nach dem Inhalt des Steuerberatungsvertrags bei der Schadensbestimmung die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten geschuldet sein (konsolidierte Schadensbetrachtung). Entscheidend hierbei sei der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat: Wenn der Mandant im Rahmen einer Beratung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil v. 5.2.2015, IX ZR 167/13, WM 2015, S. 790; v. 10.12.2015, IX ZR 56/15, a. a. O.).

In ständiger Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass in einer – etwa im Interesse der Steuerersparnis – gewollten und gewünschten Vermögensübertragung zugunsten von Familienangehörigen ohne gleichwertige Gegenleistung kein Schaden im Rechtssinn und in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 20.3.2008, IX ZR 104/05, WM 2008, S. 1042; v. 5.2.2015, a. a. O. Rn. 10). Auch im Fall der Verschmelzung von zwei Gesellschaften ist – sofern es sich wirtschaftlich um dieselbe Vermögensmasse handelt, deren Bestand durch zutreffende Gestaltung der Verschmelzung gerade gesichert werden sollte – eine einheitliche Schadensbetrachtung vorzunehmen, unbeschadet der Tatsache, dass es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsträger handelt (vgl. BGH, Urteil v. 5.12.1996, IX ZR 61/96, WM 1997, S. 333; v. 10.12.2015, a. a. O. Rn. 16).

Der BGH hat die Sache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, und dabei folgende Hinweise gegeben

Da der Beklagte die Erteilung eines unbeschränkten Mandats bestreitet, müsse das Berufungsgericht die von den Beteiligten jeweils angebotenen Beweise erheben.

Sollte ein Auftrag der Klägerin an den Beklagten nicht nachweisbar sein, habe das Berufungsgericht zu prüfen, ob der Beratungsvertrag mit dem Beklagten, sei er von den Gesellschafterinnen oder der OHG geschlossen worden, die Klägerin als begünstigte Dritte i. S. d. § 328 BGB oder zumindest in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen hat.

Sei in dem Vertrag keine ausdrückliche Regelung über eine Einbeziehung der Klägerin enthalten, bedürfe es der maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrags, um festzustellen, ob ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegt.

Wenn und soweit das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung feststelle, müsse es sich mit den vom Beklagten behaupteten nachteiligen Folgen – Aufdeckung stiller Reserven mit der Folge der Pflicht, diese zu versteuern – einer Übertragung des Grundstücks auf eine neu zu gründende Personengesellschaft befassen, die ggf. schadensmindernd zu berücksichtigen sind.

Fazit: Steuerberatungsvertrag unbedingt schriftlich abfassen

In einem Steuerberatungsvertrag sollte klar geregelt sein, wer die Vertragspartner sind. Auf Seiten des Steuerberaters sind ggf. Mehrfachfunktionen zu beachten, z. B. Geschäftsführer einer GmbH und daneben Tätigkeit in einer Einzelkanzlei. Dann ist klarzustellen, in welcher Funktion der Steuerberater konkret tätig wird.

Auf Seiten der Auftraggeber ist zu unterscheiden zwischen natürlichen und juristischen Personen. Hier ist ebenso wie bei Ehegatten und Minderjährigen insbesondere auf die Vertretungsverhältnisse zu achten. Im Zweifel sollte der Steuerberater stets auf einer Vollmacht des nicht anwesenden Teils der Vertragspartner bestehen. Anderenfalls kommt der Vertrag nur mit dem anwesenden Auftraggeber zustande. 

Von entscheidender Bedeutung ist auch der Umfang des Auftrags. Daraus ergeben sich u. a. die vom Steuerberater zu erbringenden Dienstleistungen und daraus folgend seine Beratungspflichten.

Vor dem Hintergrund der Darlegungs- und Beweislast empfiehlt es sich dringend, die Verträge schriftlich abzufassen. Aus der Tatsache, dass im vorliegenden Fall offenbar nicht feststand, ob der Steuerberater von der GmbH oder von der OHG oder deren Gesellschafterinnen beauftragt wurde, lässt sich schlussfolgern, dass der Steuerberatungsvertrag – wie leider immer wieder in der Praxis anzutreffen – lediglich mündlich geschlossen wurde. Kann der Auftrag im Streitfall nicht durch Vorlage des schriftlichen Vertrags nachgewiesen werden, muss der Steuerberater auf schwächere Beweismittel ausweichen, z. B. den Zeugenbeweis oder auf die Umstände des Einzelfalls. Da in der Regel bei Auftragsannahme nur der Steuerberater und der Auftraggeber anwesend sind, steht regelmäßig Wort gegen Wort. Dann hat derjenige das Nachsehen, der seinen Sachvortrag nicht beweisen kann.

Noch schwieriger wird es, wenn es um die "ergänzende Auslegung" des Steuerberatungsvertrags geht. Diese kann bei einem nur mündlichen geschlossenen nicht auf dem expliziten Vertragstext basieren, sondern auf in der Regel auf Erinnerungen beruhenden Vortrag der Parteien und einem im Zweifel gegenüber dem Urkundsnachweis schwächeren Zeugenbeweis.

BGH, Urteil v. 18.2.2016, IX ZR 191/13


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