Richtlinien:
R E 15.2 bis 15.4 ErbStR.
Hinweise:
H E 15.1 bis 15.3 ErbStH.
1 Die Steuerklassen
1.1 Allgemeines
Rz. 1
Der Erblasser kann durch eine Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) den Erben bestimmen. Diese sog. gewillkürte Erbfolge hat Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Als gesetzliche Erben kommen in Betracht: der Ehegatte/Lebenspartner des Erblassers, die Verwandten und der Staat. Der Staat erbt nur, wenn kein Ehepartner und keine Verwandten mehr leben oder wenn die Erben die Erbschaft ausschlagen.
Übersicht Gesetzliche Erbfolge
Verwandte (§§ 1924–1930 BGB; s. a. § 1589 BGB) | Reihenfolge richtet sich nach Ordnungen:
|
Ehegatte (§ 1931 BGB) | Wird neben Verwandten der 1. oder 2. Ordnung oder Großeltern Miterbe. Ansonsten ist er Alleinerbe. |
Staat (§ 1936 BGB) | Zwangserbschaft |
Rz. 2
vorläufig frei
Rz. 3
Mit dem Erbrecht steht der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie in engem Zusammenhang. Das bürgerliche Recht vollzieht dies in der nach Verwandtschaftsnähe abgestuften gesetzlichen Erbfolge. Das Erbschaftsteuerrecht respektiert diese Rechtsordnung und legt für die Steuerklasseneinteilung grundsätzlich das nach bürgerlichem Recht bestehende Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnis zugrunde.
Rz. 4
Der Gesetzgeber geht von dem Prinzip aus, dass für die Höhe der Steuer neben dem Wert des stpfl. Erwerbs vor allem das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen dem Erblasser oder Schenker und dem Erwerber maßgebend sein soll. Auch die Freibeträge nach § 16 ErbStG und die Steuersätze nach § 19 ErbStG sind abhängig von der Steuerklasse. Die Steuerbelastung ist somit einerseits nach der Verwandtschaftsnähe/Ehe und andererseits innerhalb der Steuerklasse nach der durch die Höhe des Erwerbs eingetretenen besonderen steuerlichen Leistungsfähigkeit abgestuft. Zusätzlich differenzieren persönliche und sachliche Freibeträge, Freigrenzen und Befreiungen die tarifliche Steuerbelastung.
1.2 Bestimmung der Steuerklasse
Rz. 5
Es werden nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker drei Steuerklassen unterschieden.
Der Steuerklasse I gehören neben dem Ehegatten alle Abkömmlinge in gerader Linie an (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Übersicht Steuerklasse I
Ehegatten und Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft | bei einer im Zeitpunkt der Steuerentstehung wirksamen Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft i. S. d. § 1 LPartG. |
Kinder | Eheliche, nichteheliche, Adoptiv- und Stiefkinder |
Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder | Enkel, Urenkel usw., auch die eines adoptierten Kindes oder Stiefkindes |
Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen |
Rz. 6
Von Steuerklasse II werden folgende Erwerber erfasst:
Übersicht Steuerklasse II
Verwandte in gerader Linie | Eltern und Voreltern bei Schenkung |
Verwandte in der Seitenlinie (§ 1589 Abs. 1 Satz 2 BGB) |
Geschwister: vollgebürtige, halbgebürtige (nur ein gemeinsamer Elternteil) und adoptierte Geschwister. Kinder von Geschwistern: Neffen und Nichten. |
nicht Verwandte | Stiefeltern, Schwiegerkinder und Schwiegereltern, geschiedene Ehegatten |
Rz. 7
Die Steuerklasse III erfasst alle übrigen Erwerber, z. B. Pflegekinder und Pflegeeltern, Verlobte, Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften.
Rz. 8–9
vorläufig frei
Es soll ein Geldbetrag von 455.000 EUR im Wege einer Schenkung zugewendet werden.
Lösung:
Je nach der Steuerklasse ergibt sich folgende Steuer:
Erwerber | Steuerklasse, § 15 ErbStG |
Persönlicher Freibetrag, § 16 ErbStG |
Steuersatz, § 19 ErbStG |
Schenkungsteuer |
---|---|---|---|---|
Ehegatte | I | 500.000 EUR | - | - |
Kind | I | 400.000 EUR | 7 % | 5.140 EUR |
Enkel | I | 200.000 EUR | 11 % | 28.050 EUR |
Neffe | II | 20.000 EUR | 25 % | 108.750 EUR |
nichtehelicher Partner | III | 20.000 EUR | 30 % | 130.500 EUR |
Das Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber die Erwerber der Steuerklasse I begünstigt, die der Steuerklasse II und III in der Gesamtschau von Freibetrag und Tarif benachteiligt.
Rz. 10
Mit der Besserstellung von Erwerbern der Steuerklasse I begünstigt § 15 Abs. 1 ErbStG die Weitergabe von Familienvermögen an Ehegatten sowie an vorhergehende und nachfolgende Generationen. Die Begünstigung dient dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und verwirklicht das Familienprinzip als Grenze für das Maß der Steuerbelastung. Danach ist die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser oder Schenker erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen. Der steuerliche Zugriff ist bei Familienangehörigen derart zu mäßigen, dass diesen der Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugutekommt.
Rz. 11
Auch wenn diese Abstufung der Steu...
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