5.1 Vorbemerkung

 

Rz. 75

Gibt ein Beschenkter oder ein Erbe erworbene Vermögensgegenstände innerhalb von zwei Jahren nach dem Erwerb an eine steuerbegünstigte Stiftung oder eine inländische Gebietskörperschaft weiter, erlischt die Steuer für den ursprünglichen Erwerb mit Wirkung für die Vergangenheit.

 

Rz. 76

Durch diese Bestimmung werden Erwerber ermutigt, empfangene Vermögensgegenstände zu begünstigten Zwecken weiterzugeben. Sie werden durch die Vorschrift Erwerbern gleichgestellt, die eine bindende Auflage des EL oder Schenkers zur Weitergabe des Vermögens zu begünstigten Zwecken erfüllen.

 

Rz. 77

Die Weitergabe der erworbenen Vermögensgegenstände ist selbst wiederum eine steuerpflichtige Zuwendung an die begünstigte Körperschaft. Diese ist jedoch grds. nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG bzw. nach § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG steuerbefreit.

 

Rz. 78

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 224a AO zu sehen. Nach dieser Vorschrift kann eine Tilgung der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch durch die Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlungs statt erfolgen. Hierzu ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit den FinBeh und damit die Mitwirkung der Behörden erforderlich. Die Anwendung der Vorschrift des § 224a AO ist für den Steuerpflichtigen deutlich günstiger, da sich die Steuerschuld um den Wert der zugewendeten Gegenstände vermindert. Bei Zuwendung der Gegenstände nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vermindert sich dagegen lediglich die Bemessungsgrundlage um den Wert der zugewendeten Gegenstände. Im Ergebnis kann bei einer Zuwendung von Gegenständen nach § 224a AO nicht nur der Erwerb der zugewendeten Gegenstände bei Vorliegen entsprechender Befreiungstatbestände steuerfrei erfolgen, es kann darüber hinaus auch die Steuerschuld für das übrige Vermögen getilgt werden.

 

Rz. 79

vorläufig frei

5.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 80

Im Einzelnen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, um den rückwirkenden Wegfall der Steuerlast zu erlangen:

 

Rz. 81

  • Die durch Schenkung oder Erbschaft erworbenen Vermögensgegenstände müssen weitergegeben werden. Streitig ist, ob auch die Weitergabe eines Surrogats ausreichend ist (befürwortend: Lüdicke, ZEV 2007, 254; Moench in M/W, § 29 ErbStG Rn. 16; Hannes/Holtz in M/H/H, § 29 ErbStG Rn. 19; Troll, DB 1991, 672; Jülicher in T/G/J/G, § 29 Rn. 99; Geck in K/E, § 29 Rn. 59.4).
 

Rz. 82

  • Die Weitergabe muss innerhalb einer Frist von 24 Monaten erfolgen. Für den Beginn der Frist ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach § 9 ErbStG maßgeblich. Das Motiv für die lange Frist von zwei Jahren bestand darin, auch Zuwendungen an Stiftungen zu ermöglichen, die erst noch gegründet werden müssen. Die Frist kann unter Umständen nicht eingehalten werden, wenn sich die Erteilung eines Erbscheins aufgrund von Erbstreitigkeiten verzögert oder ein Vermächtnis erst zu einem späten Zeitpunkt erfüllt wird. Hannes/Holtz in M/H/H schlagen in diesem Fall Billigkeitsmaßnahmen der FinBeh vor, wenn sich der Steuerpflichtige innerhalb der Zweijahresfrist zur Weitergabe verpflichtet, diese aber nicht mehr umgesetzt werden kann (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 29 Rn. 17).
 

Rz. 83

  • Die Weitergabe muss an eine inländische Gebietskörperschaft oder eine inländische Stiftung erfolgen. Eine inländische Gebietskörperschaft kann der Bund, ein Land oder eine Gemeinde sein. Hierdurch soll insbesondere eine Weitergabe an staatliche Museen begünstigt werden. Bei einer Übertragung an eine inländische Stiftung muss diese ausschließlich und unmittelbar als gemeinnützig anzuerkennenden steuerbegünstigten Zwecken i. S. d. §§ 52 bis 54 AO dienen. Ausgenommen sind jedoch die Zwecke nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO, also Tier- und Pflanzenzucht, Kleingärtnerei, Brauchtum, Fasching, Soldaten- und Reservistenbetreuung, Amateurfunk, Modellflug und Hundesport. Für Erwerbe bis 31.12.1999 war der Kreis der begünstigten Zwecke noch auf wissenschaftliche und kulturelle Zwecke beschränkt. Maßgeblich für die Beurteilung der verfolgten Zwecke sind die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung der Stiftung und auch ihre tatsächliche Geschäftsführung. Unerheblich ist, ob es sich um eine rechtsfähige Stiftung oder um eine nichtrechtsfähige Stiftung handelt (s. OFD München vom 07.03.2003, ZEV 2003, 239). Für die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist irrelevant, ob die Stiftung die Zuwendung nach § 62 Abs. 3 AO dauerhaft dem Vermögen zuführt und ggf. in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einsetzt oder unmittelbar i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO für steuerbegünstigte Zwecke verwendet. Da § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht auf die Verwendung beim begünstigten Empfänger abstellt, dürfte die Vorschrift auch für Zuwendungen an Verbrauchsstiftungen anwendbar sein (s. von Oertzen und Schienke-Ohletz, ZEV 2015, 609). Eine nachträgliche Aberkennung der Steuerbegünstigung der Stiftung lässt die steuererlöschende Wirkung der Zuwendung nicht entfallen, da es an einer § 13 Abs. 1 Nr. 16b Satz 3 ErbStG vergleichbaren Nachversteuerungsregelung fehlt.
 

Rz. 84

  • Die Stiftung darf nicht dazu verpflichtet werden, Leistu...

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