Rz. 86

Der Erlass der Steuer steht unter der auflösenden Bedingung, dass die Lohnsummenregelung sowie die Behaltefrist eingehalten werden. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen eine der beiden Regelungen sollen hinsichtlich des nach der Verschonungsbedarfsprüfung gewährten Erlasses gem. § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 ErbStG analog gelten, wenn innerhalb von zehn Jahren weitere Erwerbe verfügbaren Vermögens durch den Erwerber erfolgen.

5.1 Konzeption der auflösenden Bedingung und Kritik

 

Rz. 87

Die auflösende Bedingung ist in einem Widerrufsvorbehalt für den Verwaltungsakt des Erlasses geregelt. Dieser Widerrufsvorbehalt ist eine unselbstständige Nebenbestimmung kraft Gesetzes. Damit wird ermöglicht, bei einer Änderung der Steuerfestsetzung auch den Verwaltungsakt über den Erlass der Steuer entsprechend zu ändern. Tritt eine auflösende Bedingung i. S. d. Satz 1 ein, ist der Verwaltungsakt über den Erlass der Steuer kraft Gesetzes mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zu widerrufen. Eines gesonderten Widerrufsvorbehalts im Verwaltungsakt bedarf es daher nicht.

 

Rz. 88

Eine auflösende Bedingung wird in § 158 BGB definiert. Die auflösende Bedingung ist eine Bestimmung, die die Rechtswirkungen des Grundgeschäfts – hier des gewährten Erlasses – von einem ungewissen zukünftigen Ereignis – hier der Einhaltung der Lohnsummen- und der Behaltefristregelungen – abhängig macht. Umgekehrt heißt dies, dass der gewährte Erlass der Steuer aufgelöst bzw. widerrufen wird, sobald eine der Bedingungen nicht eingehalten wird. Darüber hinaus wirken weitere Zuwendungen durch Erbfälle oder Schenkungen im Zehnjahreszeitraum nach der Steuerentstehung, die als verfügbares Vermögen i. S. d. § 28a Abs. 2 ErbStG zu qualifizieren sind, ebenfalls als Eintritt einer auflösenden Bedingung für die gewährte Verschonung.

 

Rz. 89

Die Regelung ist bereits dafür kritisiert worden, dass sie bei jeder Schenkung ohne Berücksichtigung eines Freibetrages gelten soll (Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425, 2433; vgl. Maier, ZEV 2017, 10, 14, der eine teleologische Reduktion der Norm vorschlägt). Das bedeutet, dass auch die sonst steuerfreien Gelegenheitsgeschenke, Zuwendungen vom Familienwohnheim usw. einbezogen werden können bzw. sollen. Auch von wem die Zuwendung erfolgt, soll unbeachtlich sein, d. h. eine Beschränkung auf den Zuwender, für dessen Zuwendung § 28a ErbStG in Anspruch genommen wurde, findet nicht statt. Konsequent umgesetzt bedeutet die Regelung, dass nach jeder Zuwendung, die jeweils dem FA anzuzeigen ist, eine erneute Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt werden muss. Dies stellt sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die FinVerw aus meiner Sicht eine unzumutbare Verwaltungsbelastung dar.

 

Rz. 90

Noch schwieriger wird die Situation, wenn zunächst das Erlassmodell gewählt wurde, dies aber bei einem Nacherwerb ausgehebelt wird. Ein Wechsel in das Abschmelzungsmodell nach § 13c ErbStG ist dann nicht mehr möglich (vgl. § 13c Abs. 2 Satz 5 ErbStG), zumal der maßgebliche Steuerbescheid zum Zeitpunkt der weiteren Zuwendung bereits bestandskräftig sein dürfte. So würde zwar der Erlass mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen, dies stellt jedoch einen neuen Verwaltungsakt (Steuerbescheid) dar, der keine Auswirkung auf die Bestandskraft des ersten Bescheides haben dürfte. Dies kann dann sogar trotz Einhalten der Bedingungen Lohnsumme und Behaltefrist dazu führen, dass der Erwerber die volle Steuer von 100 % zu zahlen hat. Hier gilt es aus meiner Sicht, durch entweder klarstellende gesetzliche Änderungen oder entsprechende Verwaltungsanweisungen zu einer handhabbareren und faireren Lösung zu finden.

5.2 Lohnsummenbedingung

 

Rz. 91

Für die Einhaltung der Lohnsummenregelung gelten dieselben Voraussetzungen wie in § 13a ErbStG. Insofern wird an dieser Stelle vollumfänglich auf die Ausführungen zu § 13a Abs. 3 ff. ErbStG verwiesen (s. § 13a Rn. 37 ff.). Allerdings wird hier nicht die Lohnsummenfrist der Regelverschonung von fünf Jahren verwendet, sondern § 28a Abs. Satz 1 Nr. 1 ErbStG geht wie selbstverständlich von einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren wie bei der Optionsverschonung aus. Dies wird durch die Verweisung auf die Optionsverschonungsregelung des § 13a Abs. 10 Nr. 3 bis 5 ErbStG manifestiert. Demnach ist die Lohnsumme von 700 % nach sieben Jahres bezogen auf die Ausgangslohnsumme (Ausnahmen mit geringeren Prozentsätzen bei Betrieben mit weniger als 15 Beschäftigten, was bei Großerwerben eher selten der Fall sein dürfte) zu erreichen. Dies kann nur damit begründet werden, dass der Gesetzgeber beim Erlass die Regelungen zur Vollverschonung vor Augen hatte und diese Regelung entsprechend gestalten wollte. Dies mag für Erlasssituationen von 100 % bei einem mittellosen Erwerber zutreffend sein, trifft jedoch nicht denjenigen Erwerber, der sein bereits vorhandenes Vermögen zu 50 % einsetzen musste, oder denjenigen Erwerber, der das nicht verschonte VV zu 50 % für die Steuerzahlung liquidieren musste, die jeweils nicht einen 100 %igen Steuererlass, sondern einen weit geringeren Anteil zu erwarten ...

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