Rz. 93

Durch die 90 %-Regelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass sogenannte "Cash-GmbHs" begünstigt übertragen werden können (s. Jülicher in T/G/J/G, ErbStG, § 13b, Rn. 235). Andernfalls wäre auch ein Unternehmen, welches nur in sehr geringem Umfang einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, z. B. durch Nutzung des Puffers gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG teilweise begünstigt gewesen (s. Jülicher in T/G/J/G, ErbStG, § 13b, Rn. 235). Die Absicht des Gesetzgebers, Cash-Gesellschaften mittels dieser Regelung zu verhindern, ist allerdings als nicht geglückt zu bezeichnen. Hierfür genügt schon die entsprechende Anordnung des Finanzmittelfreibetrages nach § 13b Abs. 4 S. 1 Nr. 5 S. 4 ErbStG (so auch Demuth in KÖSDI KSp 17, 2017, 21).

 

Rz. 94

Gem. § 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG sind als Rechengrößen fixiert:

  • der gemeine Wert des Betriebs (als positive Größe) und
  • der (um das unschädliche Verwaltungsvermögen) erhöhte Nettowert des Verwaltungsvermögens als Abzugsgröße (vom gemeinen Wert des Betriebs).

Wenn der gemeine Wert des Betriebs größer als der erhöhte Nettowert des Verwaltungsvermögens ist, kommt die Verschonung nach S. 1 zum Tragen. Es werden bei S. 1 identische Bezugsgrößen verrechnet, beim gemeinen Wert und beim Nettowert sind die Schulden abgezogen. Von der Rechtsfolge her wird die Positivaussage von S. 1 (Verschonung) mit weitgehend identischen (Verrechnungs-)Dimensionen erzielt (in beiden Fällen unter Abzug der Schulden).Nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG darf das Bruttoverwaltungsvermögen nicht mehr als 90 % des gemeinen Werts des Betriebs ausmachen. Beim Überschreiten dieser Schwelle kommt die (Regel- und Voll-)Verschonung insgesamt nicht zum Tragen. Bei der Komplettversagung hingegen werden unterschiedliche Recheneinheiten (Bruttoverwaltungsvermögen ohne Schuldenabzug und gemeinen Wert des Betriebs mit Schuldenabzug) verwendet. Die unterschiedliche Verwendung textlicher Parameter ist eine der Schwächen des § 13b Abs. 2 ErbStG. Auslegungsfehler sind vorprogrammiert und führen in der Literatur zu der Kritik einer inkonsistenten Anordnung (vgl. nur Thonemann-Micker, DB 2016, 2312 ff. und Erkis, DStR 2016, 1441 ff.).

 

Rz. 95

Weiterhin ist es nach einigen Auffassungen in der Literatur der Sache nach unverständlich, Finanzmittel pauschal als schädliches Verwaltungsvermögen zu qualifizieren (statt aller Brabender/Winter, ZEV 2017, 81 ff. (85)). Auch das FG Münster befasste sich erstmalig in einem AdV-Verfahren mit dem 90 %-(Brutto-) Verwaltungsvermögenstest und äußerte ernstliche Zweifel an der Verfassungskonformität der Norm (FG Münster vom 03.06.2019, ZEV 2019, 551), da Finanzmittel ohne Verrechnung mit Schulden in die Berechnung der 90 %-Grenze einzubeziehen sind. Dies hat sich im Hauptsacheverfahren bestätigt (FG Münster vom 24.11.2021, ZEV 2022, 110). Folglich werden Forderungen nicht mit den entsprechenden Verbindlichkeiten verrechnet, so dass häufig Handels- und Dienstleistungsunternehmen, aber auch leistungsschwache und stark fremdfinanzierte Betriebe nicht in den Genuss der Betriebsvermögensbegünstigung kommen (vgl. Herbst, DStRK 2019, 286). Dies kann sich gerade in Krisenzeiten negativ auswirken (vgl. Dörfler/Spitz, ErbStB 2020, 159 (160)).

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