4.1 Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 ErbStG

 

Rz. 50

§ 5 Abs. 2 ErbStG betrifft die Fälle des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs. Im Todesfall greift dieser ein, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird (§ 1371 Abs. 2 BGB); dies umfasst auch die Fälle der Ausschlagung (§ 1371 Abs. 3 BGB; vgl. hierzu auch Tölle, NWB 2013, 148, 153 mit einem Berechnungsbeispiel zu möglichen Vorteilen der güterrechtlichen Lösung). Die Zugewinngemeinschaft kann aber nicht nur bei Tod eines Ehegatten bzw. Lebenspartners enden. Die Zugewinngemeinschaft endet zu Lebzeiten, wenn die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft geschieden oder aufgehoben oder durch Abschluss eines Ehevertrages bzw. Lebenspartnerschaftsvertrages in einen anderen Güterstand gewechselt wird. Kraft Gesetzes entsteht dann ein Anspruch auf Ausgleich des tatsächlich erzielten Zugewinns (§ 1372 BGB). Dieser Anspruch, der dem Ehepartner bzw. Lebenspartner mit geringerem Zugewinn gegenüber dem Ehepartner bzw. Lebenspartner mit höherem Zugewinn zusteht, stellt keine freigebige Zuwendung dar, ist also grds. steuerfrei. § 5 Abs. 2 ErbStG hat nur klarstellenden Charakter, soweit er die Ausgleichsforderung von § 7 ErbStG ausdrücklich freistellt (BFH vom 10.03.1993, BStBl II 1993, 510; vgl. Hannes/Holtz in M/H/H, § 5 Rn. 40; Weinmann in M/W, § 5 Rn. 54; Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 45). Anders als die erbrechtliche Ausgleichsforderung ist die güterrechtliche Ausgleichsforderung auch nicht nach dem Verhältnis des Steuerwertes zum Verkehrswert des Endvermögens zu begrenzen, weil für § 5 Abs. 2 die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG nicht anwendbar ist (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 57).

Der geltend gemachte güterrechtliche Zugewinnanspruch stellt für den hierdurch belasteten Erben eine grds. mit dem Nennwert abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 ErbStG) dar (vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 269). Wenn das Endvermögen ganz oder teilweise aus nach §§ 13, 13a ff. oder 13d ErbStG steuerbefreiten Vermögensgegenständen besteht, sollte die Zugewinnausgleichsschuld nach bisheriger Auffassung der FinVerw (vgl. FinMin Bayern vom 24.10.2014, ZEV 2015, 67) insoweit aber erbschaftsteuerlich nicht abzugsfähig sein (§ 10 Abs. 6 ErbStG; vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 270). Dem ist der BFH inzwischen entgegengetreten. Eine Zugewinnausgleichforderung ist danach mangels eines konkreten wirtschaftlichen Zusammenhangs mit bestimmten Vermögensgegenständen in voller Höhe abzugsfähig (BFH vom 22.07.2015, BStBl II 2016, 230). Die FinVerw hat sich dieser Sichtweise angeschlossen (FinMin Bayern vom 12.04.2016, DStR 2016, 1750).

4.2 Steuerliche Wirksamkeit von Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich

 

Rz. 51

Wie bei § 5 Abs. 1 ErbStG stellt sich auch bei § 5 Abs. 2 ErbStG die Frage der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Wirksamkeit von Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich. Die Einführung der Sätze 2 bis 4 in § 5 Abs. 1 ErbStG führte dazu, dass i. R.d. erbrechtlichen Zugewinnausgleichs vom Gesetz abweichende Vereinbarungen grds. unberücksichtigt bleiben müssen. Bisher wurde aber nur § 5 Abs. 1 ErbStG geändert. Der Gesetzgeber hat § 5 Abs. 2 ErbStG auch nach der Erbschaftsteuerreform 2009 und den zum 01.07.2016 in Kraft getretenen Änderungen unverändert gelassen. So gelten die Beschränkungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG weiterhin nicht für § 5 Abs. 2 ErbStG. Im Normalfall des güterrechtlichen Ausgleichs nach § 5 Abs. 2 ErbStG, der Scheidung, besteht ein natürlicher Interessengegensatz der Ehe- bzw. Lebenspartner (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 62). Dieser verhindert, dass entgegen des Regelungsgehalts des § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG der güterrechtliche Ausgleich nach § 5 Abs. 2 ErbStG zu stark zu Gunsten eines Ehe- bzw. Lebenspartners ausfällt. Bei der Gestaltungsberatung von vermögenden Paaren mit größerem Zugewinn hat allerdings die sog. Güterstandsschaukel erhebliche Bedeutung gewonnen. Dabei sind die Grundsätze des BFH (vom 12.05.1993, BStBl II 1993, 739) zur rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft und deren nachträglichen Modifikation von besonderer Relevanz (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 45).

4.3 Güterstandsschaukel

 

Rz. 52

Im Rahmen einer sog. Güterstandsschaukel vereinbaren die Ehegatten bei fortbestehender Ehe durch einen Ehevertrag die Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft (§ 1408 BGB) und begründen diesen anschließend erneut. I. R.d. Zugewinnausgleichs nach § 1372 BGB wird dann das Vermögen als Zugewinn auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen, wobei schenkungsteuerlich die Befreiung gem. § 5 Abs. 2 ErbStG eingreift (vgl. BFH vom 12.07.2005, BStBl II 2005, 843). Die FinVerw hat sich dem ausdrücklich angeschlossen (H E 5.2 ErbStH). Der BFH hat es in seiner Entscheidung vom 12.07.2005 sogar als unerheblich gewertet, dass die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und die Neubegründung in demselben Ehevertrag erfolgt sind. Gleichwohl wird empfohlen, nach Möglichkeit Aufhebung und Neubegründung in zwei getrennten Eheverträgen vorzunehmen (Wachter, FR 2020, 841 ff. m. w. N., auch zur Gegenauffassung). Mittels einer Güterstandsschaukel können verschiedene Gestal...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge