3.5.1 Zivilrechtliche Grundlagen

 

Rz. 32

Lebzeitige freiwillige Zuwendungen unter Ehegatten (Schenkungen und unbenannte Zuwendungen) werden weder nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen des begünstigten Ehegatten noch dem Endvermögen zugerechnet. Solche Zuwendungen haben deshalb keine Auswirkung auf den Zugewinn des Zuwendungsempfängers (s. BGH vom 20.05.1987, BGHZ 101, 65). Würde man aber die Zuwendung beim Anfangs- und Endvermögen berücksichtigen, soll dies rechnerisch zum selben Ergebnis führen (so Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 28, Fn. 4).

 

Rz. 33

Anders ist zu verfahren, wenn der zuwendende Ehegatte die Anrechnung der Zuwendung bestimmt hat (§ 1380 BGB). Fehlt die Bestimmung, bestimmt das Gesetz im Zweifel die Anrechnung, wenn der Wert der Zuwendung den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind (§ 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für die Anrechnung müssen sich die Ehegatten bei Zuwendung auch einig sein, dass der Zuwendung ganz oder zumindest teilweise eine Gegenleistung fehlt. Angerechnet werden können Schenkungen, ehebezogene (unbenannte) Zuwendungen, Zuwendungen, die der Altersvorsorge dienen, soweit für diese nicht die Vorschriften über den Versorgungsausgleich eingreifen (s. § 1587 Abs. 3 BGB a. F.; vgl. Rehme in Staudinger, § 1587 BGB Rn. 93 f.; BGH vom 11.03.1992, NJW 1992, 1888; OLG Köln vom 07.01.1999, NJW-RR 1999, 1162) und Unterhaltsbeiträge, die über den gesetzlich geschuldeten Unterhalt hinausgehen und nicht nach § 1360b BGB rückforderbar sind. Bei Zuwendungen, die rückgängig gemacht werden können, wie z. B. Schenkungen nach § 530 BGB, entfällt die Anrechnung (vgl. J. Mayer in B/R, § 1380 BGB Rn. 2 und Budzikiewicz in Jauernig, § 1380 BGB Rn. 6). Kommt es zur Anrechnung, so ist der Wert der Zuwendung zunächst dem Zugewinn des zuwendenden Ehegatten hinzuzurechnen (§ 1380 Abs. 2 BGB). Der Wert der Zuwendung ist anschließend beim Endvermögen des begünstigten Ehegatten abzuziehen, soweit die Zuwendung noch vorhanden ist (jedoch nicht unter den Betrag von 0; vgl. Siede in Grüneberg, § 1380 BGB Rn. 10 f.). Durch den Abzug wird die doppelte Berücksichtigung beim begünstigten Ehegatten verhindert (s. J. Mayer in B/R, § 1380 BGB Rn. 7 m. w. N. und Berechnungsbeispiel). Der Wert der Zuwendung wird dann auf die erhöhte Ausgleichsforderung angerechnet (§ 1380 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Anrechnung nach § 1380 BGB greift nur ein, wenn der Zuwendungsempfänger den Zugewinnausgleichsanspruch hat (vgl. Budzikiewicz in Jauernig, § 1380 BGB Rn. 5), der Zuwendende also den höheren Zugewinn erzielt hat. Wenn die Zuwendungen nicht nach § 1380 BGB angerechnet werden müssen, ist der Zugewinnausgleich auf Basis des tatsächlichen Endvermögens zu berechnen (Grünenwald, NJW 1988, 109; J. Mayer in B/R, § 1380 BGB Rn. 10).

 

Vereinfachtes Beispiel nach H E 5.1 Abs. 5 ErbStH:

Die Ehefrau wird Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte. Ohne Berücksichtigung von Vorschenkungen beträgt der Zugewinn des Ehemanns 2.200.000 EUR, derjenige der Ehefrau 800.000 EUR. Der verstorbene Ehemann hatte seiner Ehefrau vor einigen Jahren eine Zuwendung gemacht mit der Bestimmung, dass diese Schenkung auf die Ausgleichsforderung anzurechnen sein soll. Das übertragene Vermögen hatte zur Zeit der Zuwendung einen Verkehrswert von 300.000 EUR. Der Wert dieser Zuwendung ist im Endvermögen der Ehefrau noch vollständig vorhanden.

3.5.2 Steuerliche Behandlung

 

Rz. 34

Schenkungen und unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten bzw. Lebenspartnern unterliegen grds. bei Ausführung zu Lebzeiten der Schenkungsteuer (s. § 7 Rn. 59). Werden diese Schenkungen und Zuwendungen dann aber auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet (§ 1380 Abs. 1 BGB), muss es zur Wirksamkeit der Regelungen des § 5 ErbStG (Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs) zu einem rückwirkenden Erlöschen der Steuer kommen. Dies sieht das Gesetz in § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor. Diese Regelung gilt sowohl in den Fällen des § 5 Abs. 1 ErbStG, als auch in denen des § 5 Abs. 2 ErbStG, was der Gesetzgeber i. R.d. Erbschaftsteuerreform 2009 in § 29 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ausdrücklich festgeschrieben hat (früher R 11 Abs. 6 ErbStR 2003; vgl. jetzt R E 5.1 Abs. 6 Satz 2 ErbStR). Selbst eine bestandskräftig festgesetzte Steuer erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit die Schenkungen und Zuwendungen auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet worden sind oder zumindest zur Anrechnung bestimmt worden sind (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 31; Weinmann in M/W, § 5 Rn. 32; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 9; FG Köln vom 18.01.2018, EFG 2018, 1584 (rkr.); s. § 29 Rn. 65 ff.). Ggf. kann die gesetzliche Vermutung des § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB eingreifen. Hieraus kann sich erhebliches Gestaltungspotenzial durch den Einsatz einer Güterstandsschaukel ergeben (s. Rn. 52 ff.), wenn sich Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten nachträglich als steuerbar herausstellen (vgl. Wefers/Carlé, ErbStB 2013, 55). Umstritten ist, ob im Fall der Nichtdeklaration einer zunä...

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