Rz. 21

Für die tatsächliche Dauer der Zugewinngemeinschaft ist die fiktive Zugewinnausgleichsforderung nach den §§ 1372 ff. BGB zu ermitteln. § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ErbStG sehen für die erbschaftsteuerliche Behandlung jedoch auch punktuelle Abweichungen vor. Die Ausgleichsforderung hängt von dem Vergleich des Anfangs- und des Endvermögens der Ehegatten bzw. Lebenspartner ab. Zunächst ist für beide einzeln der Zugewinn zu ermitteln. Zugewinn jedes Ehegatten bzw. Lebenspartners ist der Betrag, um den sein Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt (§ 1373 BGB). Der Ausgleichsanspruch beläuft sich auf die Hälfte des Unterschiedsbetrags der jeweils ermittelten Zugewinne (§ 1378 Abs. 1 BGB). Falls das Endvermögen geringer als das Anfangsvermögen ist, liegt kein negativer Zugewinn, sondern ein Zugewinn i. H. v. Null vor (vgl. Münch, MittBayNot 2009, 261, 262). Dies hat zur Folge, dass Vermögensverluste eines Ehegatten nicht ausgleichspflichtig sind. Ist abzusehen, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten einschließlich etwaiger Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) die persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG) nicht überschreiten wird, kann eine Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung unterbleiben (R E 5.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR). Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten beim Eintritt des Güterstandes nach Abzug der Verbindlichkeiten gehört (§ 1374 Abs. 1 BGB). Die Verbindlichkeiten konnten bislang nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden (§ 1374 Abs. 1 HS 2 BGB a. F.). Diese Regelung hatte zur Folge, dass das Anfangsvermögen nicht negativ sein konnte. I. R.d. am 01.09.2009 in Kraft getretenen Reform des Zugewinnausgleichsrechts ist diese vielfach als ungerecht empfundene Einschränkung entfallen. § 1374 Abs. 3 BGB stellt seitdem klar, dass ein Abzug von Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Anfangsvermögens nun auch über die Höhe des Vermögens hinaus möglich ist. Dies eröffnet die Möglichkeit eines negativen Anfangsvermögens (vgl. Münch, MittBayNot 2009, 261; R E 5.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR). Eine übermäßige Belastung des Ausgleichspflichtigen wird dadurch vermieden, dass die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Nettowert des Vermögens bei Beendigung des Güterstandes begrenzt wird (§ 1378 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 22

Wenn der Ehegatte oder Lebenspartner Vermögen nach Begründung der Zugewinngemeinschaft erhält, ist dieses dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, soweit er das Vermögen von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt (§ 1374 Abs. 2 BGB). Dieser privilegierte Erwerb ist nicht ausgleichspflichtig. Das privilegierte Vermögen ist um die zugehörigen Verbindlichkeiten zu kürzen. Die früher umstrittene Frage, ob der privilegierte Zuerwerb dem nach § 1374 Abs. 1 HS 2 BGB a. F. auf Null gestellten Anfangsvermögen hinzuzurechnen (so BGH vom 03.05.1995, BGHZ 129, 311) oder mit einem negativen Anfangsvermögen zu verrechnen ist, so dass sich im Ergebnis eine Beteiligung des anderen Ehegatten am Zuerwerb erst nach Ausgleich des Defizits ergibt (s. Koch in MüKo, § 1374 Rn. 26 J. Mayer in B/R, § 1374 BGB Rn. 25; vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 19), dürfte nach der Reform des Zugewinnausgleichsrechts erledigt sein (vgl. Münch, MittBayNot 2009, 261, 262). Bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung ist dem Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB auch ein zu Lebzeiten geltend gemachter, aber letztlich nicht erfüllter Pflichtteil hinzuzurechnen (BFH vom 22.07.2020, BStBl II 2021, 617; krit. Münch, DStR 2021, 1823).

Hinweis: Wenn infolge der Reform des Zugewinnausgleichsrechts bei Überschuldung immer von einem negativen Anfangsvermögen auszugehen ist, muss auch der privilegierte Erwerb mit dem negativen Anfangsvermögen verrechnet werden. Der privilegierte Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB gilt aber immer nur für Schenkungen von dritter Seite; Schenkungen und unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten sind nicht hinzuzurechnen (BGH vom 20.05.1987, BGHZ 101, 65 und BGH vom 26.11.1981, BGHZ 82, 227; vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 19; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 142).

 

Rz. 23

Endvermögen ist Vermögen, das einem Ehegatten bzw. Lebenspartner nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch ein negatives Endvermögen war bislang ausgeschlossen, weil Verbindlichkeiten nur bis zur Höhe des Aktiv-Vermögens abgezogen werden konnten. Eine Ausnahme sah das Gesetz lediglich für den Fall vor, dass das dem Ausgleichsanspruch unterliegende Vermögen z. B. in Benachteiligungsabsicht durch unentgeltliche Zuwendungen an einen Dritten gemindert wurde. Konnte der Dritte deshalb nach § 1390 BGB in Anspruch genommen werden, waren die Verbindlichkeiten auch insoweit abzuziehen, als sie die Höhe des Vermögens überstiegen (§ 1375 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.). Seit Inkrafttreten der Reform des Zugewinnausgleichsrechts lässt das Gesetz allerdings auch ein negatives Endvermögen zu (§ 1375 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Ein Schuldenabbau wäh...

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