3.1 Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 ErbStG

 

Rz. 20

§ 5 Abs. 1 ErbStG betrifft insb. die Fälle, in denen es zum erbrechtlichen Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1 BGB kommt, also zur pauschalen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten. Der Anwendungsbereich des Abs. 1 ist aber nicht hierauf beschränkt. Entscheidend für die Anwendung des Abs. 1 ist, dass es zur Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Beteiligten kommt. Ferner darf es nicht zu einem güterrechtlichen Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 2 BGB kommen (hier ist der Anwendungsbereich des Abs. 2 eröffnet; s. Rn. 50 ff.). Von Abs. 1 erfasst sind danach die Fälle, in denen der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge Erbe bzw. zumindest Vermächtnisnehmer wird und er die Erbschaft bzw. das Vermächtnis nicht ausgeschlagen hat (Weinmann in M/W, § 5 Rn. 13 ff.; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 23, 25). Der Erwerb des Überlebenden ist dann im Umfang einer fiktiven Ausgleichsforderung gem. § 1371 Abs. 2 BGB befreit; auf die tatsächliche Durchführung eines erbrechtlichen Zugewinnausgleichs gem. § 1371 Abs. 1 BGB kommt es nicht an (vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 25). Die Regelung des § 5 Abs. 1 ErbStG ist hingegen nicht anwendbar, wenn der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner eine Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) erhält und zusätzlich keinen Ausgleichsanspruch geltend macht, der nur güterrechtlicher Natur sein kann. Nach § 5 Abs. 2 ErbStG ist die Abfindung aber immer dann steuerfrei, wenn sie auch den güterrechtlichen Ausgleich abgelten soll. Die Abfindung ist dafür im Verhältnis der Verkehrswerte des Erbteils und der Ausgleichsforderung aufzuteilen (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 15; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 310). Ein Verzicht auf die Zugewinnausgleichsforderung kann eine steuerbare Zuwendung an den Schuldner darstellen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), wenn die Ausgleichsforderung bereits entstanden war (vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 309).

3.2 Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung

 

Rz. 21

Für die tatsächliche Dauer der Zugewinngemeinschaft ist die fiktive Zugewinnausgleichsforderung nach den §§ 1372 ff. BGB zu ermitteln. § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ErbStG sehen für die erbschaftsteuerliche Behandlung jedoch auch punktuelle Abweichungen vor. Die Ausgleichsforderung hängt von dem Vergleich des Anfangs- und des Endvermögens der Ehegatten bzw. Lebenspartner ab. Zunächst ist für beide einzeln der Zugewinn zu ermitteln. Zugewinn jedes Ehegatten bzw. Lebenspartners ist der Betrag, um den sein Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt (§ 1373 BGB). Der Ausgleichsanspruch beläuft sich auf die Hälfte des Unterschiedsbetrags der jeweils ermittelten Zugewinne (§ 1378 Abs. 1 BGB). Falls das Endvermögen geringer als das Anfangsvermögen ist, liegt kein negativer Zugewinn, sondern ein Zugewinn i. H. v. Null vor (vgl. Münch, MittBayNot 2009, 261, 262). Dies hat zur Folge, dass Vermögensverluste eines Ehegatten nicht ausgleichspflichtig sind. Ist abzusehen, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten einschließlich etwaiger Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) die persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG) nicht überschreiten wird, kann eine Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung unterbleiben (R E 5.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR). Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten beim Eintritt des Güterstandes nach Abzug der Verbindlichkeiten gehört (§ 1374 Abs. 1 BGB). Die Verbindlichkeiten konnten bislang nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden (§ 1374 Abs. 1 HS 2 BGB a. F.). Diese Regelung hatte zur Folge, dass das Anfangsvermögen nicht negativ sein konnte. I. R.d. am 01.09.2009 in Kraft getretenen Reform des Zugewinnausgleichsrechts ist diese vielfach als ungerecht empfundene Einschränkung entfallen. § 1374 Abs. 3 BGB stellt seitdem klar, dass ein Abzug von Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Anfangsvermögens nun auch über die Höhe des Vermögens hinaus möglich ist. Dies eröffnet die Möglichkeit eines negativen Anfangsvermögens (vgl. Münch, MittBayNot 2009, 261; R E 5.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR). Eine übermäßige Belastung des Ausgleichspflichtigen wird dadurch vermieden, dass die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Nettowert des Vermögens bei Beendigung des Güterstandes begrenzt wird (§ 1378 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 22

Wenn der Ehegatte oder Lebenspartner Vermögen nach Begründung der Zugewinngemeinschaft erhält, ist dieses dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, soweit er das Vermögen von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt (§ 1374 Abs. 2 BGB). Dieser privilegierte Erwerb ist nicht ausgleichspflichtig. Das privilegierte Vermögen ist um die zugehörigen Verbindlichkeiten zu kürzen. Die früher umstrittene Frage, ob der privilegierte Zuerwerb dem nach § 1374 Abs. 1 HS 2 BGB a. F. auf Null gestellten Anfangsvermögen hinzuzurechnen (so BGH vom 03.05.1995, BGHZ 129, 311) oder mit einem negativen Anfangsvermögen zu verrechn...

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