Rz. 10

Bei Unternehmen, die z. B. durch Umwandlung einer PersG oder einer Einzelfirma oder i. R. einer Betriebsaufspaltung aus einem bestehenden Unternehmen entstanden sind, sind der Ermittlung des Durchschnittsertrags die früheren Betriebsergebnisse des Vorgängerunternehmens zugrunde zu legen (s. § 201 Abs. 3 Satz 2 BewG). Soweit sich die Änderung der Rechtsform auf die Ertragsaussichten auswirkt, sind die früheren Betriebsergebnisse entsprechend zu berichtigen (s. § 201 Abs. 3 Satz 3 BewG). Es ist davon auszugehen, dass hier nur strukturelle Änderungen innerhalb des Dreijahreszeitraumes gemeint sind (so auch: K/S/S, § 201 Rn. 4), eine Ausführung dazu im Gesetz fehlt jedoch (s. Eisele in R/T, § 201, Rn. 6).

 

Rz. 11

 
Praxis-Beispiel

Innerhalb des Referenzzeitraums ist in einer KapG mit einem durchschnittlichen Jahresertrag von 200.000 EUR drei Monate vor der Schenkung ein weiterer Betrieb i. R. einer Verschmelzung dazugekommen. Der durchschnittliche Jahresertrag des hinzugekommenen Betriebs betrug 100.000 EUR.

Maßgeblich ist ein Durchschnittsertrag i. H. v. 300.000 EUR (vgl. Eisele in R/T, § 201 Rn. 6).

 

Rz. 12

Umfasst der dreijährige Ermittlungszeitraum bei einer Neugründung zu Beginn ein Rumpfwirtschaftsjahr, ist nach R B 201 Abs. 4 ErbStR regelmäßig nicht das Betriebsergebnis des Rumpfwirtschaftsjahrs, sondern das volle Betriebsergebnis des letzten, noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres einzubeziehen. Ein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip liegt nicht vor, weil das (noch nicht abgelaufene) Wirtschaftsjahr einerseits bereits vor dem Bewertungsstichtag begonnen hat und andererseits für die Prognose des zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahreswerts von Bedeutung ist. Liegt außer zu Beginn des dreijährigen Ermittlungszeitraums ein Rumpfwirtschaftsjahr im Ermittlungszeitraum vor, so ist das Betriebsergebnis des Rumpfwirtschaftsjahres in die Ermittlung des Durchschnittsertrages zu übernehmen. Dabei ist der Durchschnittsertrag aus dem verkürzten Zeitraum zu ermitteln und in einen entsprechenden Jahresbetrag umzurechnen (s. R B 201 Abs. 4 Satz 3 und 4 ErbStR).

 

Rz. 13

 

Beispiel – Jahresertrag bei einem Rumpfwirtschaftsjahr

 
Bewertungsstichtag 16.09.2019
Gründungsdatum 01.05.2016
Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr  

Der Ermittlungszeitraum umfasst die Wirtschaftsjahre 2017, 2018 und 2019. Eine Berücksichtigung des Rumpfwirtschaftsjahres (1.5.2016 bis 31.12.2016) erfolgt nicht (s. H B 201 ErbStH u. Eisele in R/T, § 201 Rn. 3).

Einzelheiten zur Ermittlung des Jahresertrags regelt R B 201 ErbStR i. V. m. H B 201 ErbStH.

 

Rz. 14

Steht zum Bewertungsstichtag fest, dass der künftige Jahresertrag durch bekannte objektive Umstände, wie beispielsweise wegen des Todes des Unternehmers, sich nachhaltig verändert, muss dies bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags entsprechend berücksichtigt werden (s. R B 201 Abs. 5 ErbStR). Hierbei geht die FinVerw über den Gesetzeswortlaut hinaus. In Bezug auf das Bereicherungsprinzip der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dieser Regelung zuzustimmen. Es handelt sich hier um Umstände, die bereits am Bewertungsstichtag eingetreten oder zumindest konkret abzusehen sind und die noch keinen Einfluss auf die vergangenheitsbezogenen Bewertungsgrundlagen hatten (s. Eisele in R/T, § 201 Rn. 3). Problematisch ist jedoch, dass die Erbschaftsteuerrichtlinien nicht auch den Schenkungsfall als objektiven Umstand erwähnen, da es in diesem Fall genauso zu einer Minderung des zukünftigen Ertrags kommen kann (s. Erb/Regierer/Vosseler, Kap. 3 Rn. 227). Ein pauschaler Bewertungsabschlag aufgrund einer geringen Fungibilität der Unternehmensanteile, wie sie gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen oft der Fall ist, ist nicht möglich (s. Erb/Regierer/Vosseler, Kap. 3 Rn. 232).

 

Rz. 15

Grds. trägt der beschenkte Steuerpflichtige die Feststellungslast für Tatsachen, die eine objektive Wertminderung am Bewertungsstichtag begründen können (s. FG Hamburg vom 28.04.2009, EFG 2010, 103). In der Praxis ist es aber unwahrscheinlich, dass ein derartiger Bewertungsabschlag tatsächlich vorgenommen wird. Da die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens oft mit vielen Unsicherheiten behaftet ist, ist es im Einzelfall schwer, die Wirkung, die die relevanten objektiven Umstände auf das Unternehmen haben, für die FinVerw überzeugend zu belegen.

 

Rz. 16

 

Beispiel (in Anlehnung an Grootens in L/S, § 201 Rn. 3):

Ein verstorbener Professor war Spezialist auf seinem Fachgebiet und besaß 100 Prozent der Anteile an einer GmbH, die er zur Vermarktung seiner Vortragstätigkeit nutzte. Die Gesellschaft hatte keine weiteren Angestellten. Da die GmbH ohne ihren bisherigen Alleingesellschafter wertlos ist, kann der Unternehmenswert nicht aus Ergebnissen der Vergangenheit abgeleitet werden.

 

Rz. 17

Im Zuge der Coronapandemie werden sich viele Steuerpflichtige die Frage stellen, wie der aus der globalen Pandemie resultierende plötzliche Konjunktureinbruch bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden kann. Eine Möglichkeit ist, auf den verkürzten...

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