Ausgewählte Rechtsprechung und Literaturhinweise: s. vor Rn. 448 und vor Rn. 516

 

Rz. 517

Die Ehe verstanden als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, die zugleich eine Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft darstellt, führt dazu, dass speziell zwischen Eheleuten im Lebensalltag ständig Vermögensverschiebungen stattfinden, die die Eheleute regelmäßig überhaupt nicht als Schenkungen einordnen und auch nicht als solche verstehen. Beispiele hierfür sind die Sicherung der Altersvorsorge des Ehegatten, gleichberechtigte Teilhabe beider Eheleute an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens, haftungsmäßige Organisation des Familienvermögens, Schaffung einer gemeinsamen Wohngrundlage, gemeinsame Vermögensbildung in der Ehe und Ähnliches.

 

Rz. 518

Da aber während der Ehe – abgesehen vom Güterstand der Gütergemeinschaft – jeder Ehegatte Eigentümer seines Vermögens bleibt, bestehen juristisch zwei getrennte Vermögensmassen, zwischen denen Vermögensbewegungen stattfinden können, was bei Unentgeltlichkeit zumindest den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung erfüllt. Unter zivilrechtlicher Betrachtung hat der BGH (Urteil vom 27.11.1991, NJW 1992, 564) entschieden, dass Vermögensbewegungen zwischen Eheleuten, die ohne eine Einigung über die Unentgeltlichkeit stattfinden, keine Schenkungen i. S. v. § 516 BGB darstellen, sondern sog. ehebedingte unbenannte Zuwendungen. Hingegen ist der BFH, nachdem er sich zunächst der Zivilrechtsprechung angeschlossen hatte (BFH vom 28.11.1984, BStBl II 1985, 159), mit Urteil vom 02.03.1994 (BStBl II 1994, 366) von dieser Betrachtungsweise wieder abgerückt und behandelt nunmehr ehebedingte unbenannte Zuwendungen als freigebige Zuwendungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung sei weder die Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung noch eine auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht noch ein "Wille zur schenkweisen Zuwendung" erforderlich. Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass freigebige Zuwendungen an den Ehegatten grundsätzlich steuerpflichtig sind (Einzelheiten s. Rn. 460 ff.). Die Finanzverwaltung hat sich dieser Sichtweise angeschlossen (s. R E 7.2 ErbStR).

 

Rz. 519

Gleiches gilt erst recht für Zuwendungen zwischen Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften, aber auch bei eingetragenen Partnerschaften (R E 7.2 Satz 5 ErbStR 2011; s. auch Wälzholz, ZEV 2002, 333 und Reich, ZEV 2002, 395).

 

Rz. 520

Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede unentgeltliche Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten eine freigebige Zuwendung darstellt. Erforderlich ist, dass der Zuwendungsempfänger über den Zuwendungsgegenstand auch tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (BFH vom 25.01.2001, BFH/NV 2001, 908; vom 29.06.2016, BStBl II 2016, 865). Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein Ehegatte dem anderen Ehegatten im Rahmen eines Treuhand- oder Auftragsverhältnisses Vermögen anvertraut, auch wenn Letzterer dieses mit seinem eigenen Vermögen vermischt. Dann hat zwar derjenige Ehegatte, dem das Vermögen anvertraut wurde, Eigentum daran erlangt, es besteht jedoch ein zivilrechtlicher Rückforderungsanspruch aus dem Treuhand- bzw. Auftragsverhältnis, so dass es an einer Bereicherung fehlt. Das Vorliegen eines derartigen Treuhand- oder Auftragsverhältnisses bestimmt sich nach den zivilrechtlichen Vorschriften. Eine wirtschaftliche Betrachtung i. S. d. § 39 AO, die normalerweise für die steuerliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses erforderlich ist, ist im ErbSt-Recht durch den Vorrang des Zivilrechts zurückgedrängt, so dass § 39 AO keine Anwendung findet (BFH vom 25.01.2001, BFH/NV 2001, 908; vom 23.11.2011, BStBl II 2012, 473; FG Hamburg vom 28.04.2009, EFG 2010, 340; FG München vom 24.08.2015, ZEV 2016, 156; Weinmann in M/W, § 7 Rn 131a).

 

Rz. 521

Hinsichtlich der Nachweispflichten ist allerdings zu beachten, dass derjenige, der das Vorliegen eines Treuhand- oder Auftragsverhältnisses behauptet, hierfür die objektive Beweislast trägt und insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist (§ 159 AO; BFH vom 05.03.1980 BStBl II 1980, 402; vom 18.11.2004, BFH/NV 2005, 355; vom 29.06.2016, BStBl II 2016, 865; FG Hessen vom 23.10.2008, 1 K 1923/05, ErbStB 2009, 143; FG Hamburg vom 28.04.2009, EFG 2010, 340). Aus diesem Grunde relativiert sich auch die praktische Bedeutung des BFH-Urteils vom 25.01.2001. Ein nachträgliches Korrigieren einer Schenkung bzw. einer unbenannten ehebedingten Zuwendung in ein Treuhandverhältnis wird im Regelfall nicht möglich sein. Allerdings besteht im Wege der Gestaltungsberatung die Möglichkeit, bereits anfänglich ein Treuhand- oder Auftragsverhältnis zwischen den Eheleuten zu begründen und somit die erforderliche Beweisführung vorzunehmen.

 

Rz. 522

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unbenannte ehebedingte Zuwendungen als freigebige Zuwendungen schenkungsteuerpflichtig sind. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Zuwendungsempfänger über den Zuwendungsgegenstand ...

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