Rz. 467

Da in subjektiver Hinsicht der Wille zur Unentgeltlichkeit der Vermögenshingabe vorliegen muss, ist erforderlich, dass der Zuwendende sich den Tatsachen, die die objektive Unentgeltlichkeit ausmachen, bewusst ist. Dies erfordert die Kenntnis, dass die Vermögenshingabe weder mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck rechtlich verknüpft ist noch der Erfüllung einer aus einem anderen Rechtsgrund bestehenden Verbindlichkeit dient. Ausreichend ist hierbei die Kenntnis der Unentgeltlichkeit "nach Laienart"; eine "Parallelwertung in der Laiensphäre" ist ausreichend (Mößlang, NWB Fach 10, 479; BFH vom 02.03.1994, BStBl II 1994, 366). Daraus folgt, dass ein Irrtum über die Unentgeltlichkeit (Tatsachenirrtum) das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes und damit eine freigebige Zuwendung ausschließen kann. Liegt hingegen ein Rechtsfolgeirrtum vor, so ist dieser unbeachtlich. Gleiches gilt im Regelfall für einen Subsumtionsirrtum. Erforderlich für einen beachtlichen Tatsachenirrtum ist, dass dieser sich auf den konkreten Sachverhalt bezieht, durch den der objektive Zuwendungstatbestand verwirklicht wird.

 

Rz. 468

Das Zusammenspiel soll an den nachfolgenden Beispielen verdeutlicht werden:

 

Beispiel 1:

A unterstützt seinen entfernten Verwandten B, der sich in einer Notlage befindet, mit monatlichen Geldzahlungen. A meint zum einen, zu derartigen Zuwendungen sittlich verpflichtet zu sein und zum anderen, dass eine sittliche Verpflichtung die Unentgeltlichkeit im schenkungsteuerlichen Sinne ausschließt.

Lösung:

A irrt sowohl über den Ausschluss der Unentgeltlichkeit infolge einer sittlichen Verpflichtung als auch über das Bestehen einer sittlichen Verpflichtung. Ersteres stellt einen reinen Subsumtionsirrtum dar, da er sich auf eine Fehlvorstellung der rechtlichen Tatsachen bezieht und ist insoweit unbeachtlich. Der zweite Irrtum, nämlich das Bestehen einer sittlichen Verpflichtung, stellt einen Tatsachenirrtum dar. Aber auch dieser ist irrelevant. Im konkreten Fall wäre nämlich die (irrige) Annahme des A, sittlich zur Zahlung verpflichtet zu sein, für das rechtliche Ergebnis unerheblich, da unabhängig des Bestehens einer sittlichen Verpflichtung eine unentgeltliche Zuwendung gegeben wäre. Im konkreten Fall liegt also Unentgeltlichkeit selbst unter Zugrundelegung der Annahme des A vor. Der Irrtum des A über die Tatsache der sittlichen Verpflichtung ist daher unbeachtlich, da selbst dann, wenn seine (irrige) Annahme zuträfe, die Unentgeltlichkeit gegeben wäre.

 

Beispiel 2:

A zahlt seiner geschiedenen Ehefrau B monatlich 2.000 EUR Unterhalt in der irrigen Ansicht, hierzu verpflichtet zu sein, obwohl im Scheidungsurteil ein Unterhaltsanspruch der B von lediglich 1.500 EUR festgelegt ist.

Lösung:

Hier liegt ein beachtlicher Tatsachenirrtum vor. A irrt über die Tatsache, zur Zahlung von 2.000 EUR monatlich verpflichtet zu sein. Wäre seine Annahme zutreffend, läge keine Unentgeltlichkeit vor. Die objektive Unentgeltlichkeit des den im Scheidungsurteil festgelegten Betrag von 1.500 EUR übersteigenden Anteils spiegelt sich daher nicht im Bewusstsein des A wider, hierzu tatsächlich nicht verpflichtet zu sein. Im Unterschied zu Beispiel 1 liegt hier unter Zugrundelegung der (irrigen) Annahme des A eine Verpflichtung zur Zahlung von 2.000 EUR monatlich vor. Der Irrtum des A ist daher beachtlich. Zu überlegen wäre allenfalls, ob bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre ein derartiger Irrtum vorstellbar ist. Dies betrifft jedoch eine Frage des Nachweises (hierzu s. Rn. 479 ff.).

 

Rz. 469

vorläufig frei

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