Rz. 392

Freigebige Zuwendungen unter Auflage sind, soweit es sich um Schenkungen unter Auflage handelt, zivilrechtlich in den §§ 525ff. BGB geregelt und stellen eine Vollschenkung bzw. steuerrechtlich zunächst eine reine freigebige Zuwendung dar. Die Auflage kann darin bestehen, dass der Bedachte in der Verfügungsmöglichkeit über den Zuwendungsgegenstand beschränkt ist (z. B. Nießbrauch oder Wohnrecht) oder dass er eine Geldzahlung, beispielsweise ein Gleichstellungsentgelt, an eine dritte Person zu leisten hat. Insoweit wird zwischen Leistungsauflagen (Geldzahlungen) und Nutzungs- oder Duldungsauflagen (Eigentumsbeschränkungen) unterschieden. Weinmann (in M/W, § 7 Rn. 72) bezeichnet die Auflage daher zutreffend als einen "Makel", mit dem der Zuwendungsgegenstand behaftet ist. Ausgehend von dieser Betrachtung handelt es sich bei einer freigebigen Zuwendung unter Auflage um eine, wenn auch mit einem Makel versehene, unentgeltliche Vollschenkung. Eine Aufteilung in einen entgeltlichen Teil (Duldungs- oder Leistungsverpflichtung) und einen unentgeltlichen Teil (die darüber hinausgehende Substanz des Zuwendungsgegenstandes) scheidet daher bei dieser (zivilrechtlichen) Sichtweise aus.

 

Rz. 393

Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass sich eine Auflage, insbesondere eine Leistungsauflage, wirtschaftlich wie eine Gegenleistung auswirkt. So war unter der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage schwierig zu erklären, weshalb bei einer gemischt-freigebigen Zuwendung der freigebige Teil nach dem Verhältnis der Verkehrswerte von Zuwendung und Gegenleistung zu berücksichtigen ist, bei einer Schenkung unter Leistungsauflage die Leistungsauflage jedoch voll vom steuerlichen Wert des Zuwendungsgegenstands abzugsfähig sein soll. Daher hat der BFH mit Urteil vom 12.04.1989 (BStBl II 1989, 524) danach differenziert, ob eine Leistungs- oder Duldungsauflage vorliegt, und eine freigebige Zuwendung unter Leistungsauflage wie eine gemischt-freigebige Zuwendung behandelt. Hingegen ist er beim Vorliegen einer Nutzungs- oder Duldungsauflage von einer vollständigen freigebigen Zuwendung des Zuwendungsgegenstandes ausgegangen, dessen steuerlicher Wert um den Wert der Duldungsauflage zu kürzen ist. Diese Rspr. hat der BFH in weiteren Urteilen (vom 16.12.1992, BFH/NV 1993, 298; vom 08.12.1993, BFH/NV 1994, 371 und vom 13.04.2011, BStBl II 2011, 730) bestätigt. Auch die FinVerw hatte sich dieser Ansicht in Altfällen angeschlossen (R E 17 Abs. 2 und 3 ErbStR 2003).

 

Rz. 394

Mit seiner Rspr. gelang es dem BFH zum einen, wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte (gemischt-freigebige Zuwendung und freigebige Zuwendung unter Leistungsauflage) einer steuerlich gleichen Belastung zuzuführen. Zum anderen erhielt § 25 ErbStG a. F., der ansonsten keinen Anwendungsbereich mehr gehabt hätte, da alle freigebigen Zuwendungen unter Auflagen wie gemischt-freigebige Zuwendungen zu behandeln gewesen wären, wieder einen eigenen Anwendungsbereich für Duldungsauflagen.

 

Rz. 395

Typische Fälle einer Leistungsauflage sind Gleichstellungszahlungen an Erbprätendenten im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Als Leistungsauflage ist aber auch eine sog. Überlast (außergewöhnliche Unterhaltsleistungen nach den Denkmalschutzgesetzen) anzusehen (R E 28 Abs. 1 ErbStR 2003; R E 7.4 Abs. 1 ErbStR 2011). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der denkmalgeschützte Zuwendungsgegenstand bereits nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steuerfrei ist oder der Erwerber auf die Steuerfreiheit gem. § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG verzichtet hat (R E 7.4 Abs. 1 ErbStR). Typische Nutzungs- oder Duldungsauflagen sind demhingegen Nießbrauch und Wohnrecht.

 

Rz. 396

Der Zuwendende muss sich nicht mit einer einzigen Auflage begnügen. Er kann eine freigebige Zuwendung vornehmen, die sowohl unter eine Nutzungs- oder Duldungsauflage als auch unter eine Leistungsauflage gestellt ist. Auch ist denkbar, dass der Zuwendende zusätzlich zu den Auflagen noch eine Gegenleistung (gemischt-freigebige Zuwendung) erhält. Liegt eine Kombination mehrerer Auflagenarten vor, so handelt es sich um einen sog. Mischfall. Dann stellte sich unter der bis 31.12.2008 geltenden Rechtslage die Frage, ob die Nutzungs- oder Duldungsauflage um den entgeltlichen Teil des Rechtsgeschäfts, der infolge der Leistungsauflage zu ermitteln war, gekürzt werden durfte, was von der FinVerw (R E 17 Abs. 4 ErbStR 2003) mit Billigung des BFH (Urteile vom 14.12.1995, BStBl II 1996, 243; vom 17.10.2001, DStRE 2002, 171) bejaht wurde. Folge war die Erforderlichkeit eines komplizierten, mehrschrittigen Berechnungssystems (R E 17 Abs. 4 ErbStR 2003), das in gewissen Konstellationen sogar zu einer übermäßigen Gesamtbesteuerung führen konnte. Weitere Einzelheiten zur Rechtslage bis zum 31.12.2008 s. Abb. in Rn. 405 und 1. Aufl., § 7 Kap. 2.5.3.2 mit Berechnungsbeispielen.

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