Rz. 97

Auch bei der unentgeltlichen Übertragung des Bezugsrechts an einer (Lebens-)Versicherung können Zweifel am Zuwendungsgegenstand aufkommen. In Betracht kommt nämlich die Zuwendung des Bezugsrechts oder die Zuwendung der gesamten (Lebens-)Versicherung. Bedeutung erlangt diese Frage deshalb, weil die Bemessungsgrundlage der Steuer bei Übertragung der gesamten (Lebens-)Versicherung gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 4 BewG nach dem Rückkaufswert der Versicherung im Zeitpunkt der Zuwendung bemessen wird (bis zum 31.12.2008 bestand sogar die Möglichkeit, wahlweise 2/3 der eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge anzusetzen; § 12 Abs. 4 BewG a. F.). Wird hingegen lediglich die Forderung auf künftige Auszahlung der Versicherungssumme übertragen, ermittelt sich die Bemessungsgrundlage für die Steuer nach dem Nennwert im Zeitpunkt der Auszahlung (Einzelheiten hierzu s. Rn. 497 ff.; zu den erbrechtlichen Konsequenzen dieser Unterscheidung vgl. BGH vom 28.04.2010, ZEV 2010, 305; BFH vom 22.10.2014, BStBl II 2015, 239; Zehentmeier, NWB 2010, 3820; Bredemeyer, ZEV 2010, 288; Wall, ZEV 2011, 3).

 

Rz. 98

Was Zuwendungsgegenstand ist, ist anhand der Einzelheiten des konkreten Falls zu ermitteln. Tritt der Zuwendungsempfänger in die Stellung des Versicherungsnehmers ein, wozu der Zuwendende ihm alle Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag abtreten muss, so ist Zuwendungsgegenstand die Vermögensposition "Lebensversicherung". Die Bewertung erfolgt nach § 12 Abs. 4 BewG (s. Gottschalk in T/G/J/G, § 3 Rn. 295; Daragan, ZErb 1999, 85; Weinmann in M/W, § 7 Rn. 19; Griesel in D/H/R § 7 Rn 21). Anhaltspunkte dafür, dass der Bedachte in das Versicherungsverhältnis eingetreten ist, liegen dann vor, wenn er die Versicherungsprämien weiterzahlt und durch sein Verhalten die Ablaufleistung beeinflussen kann. Demgegenüber wird der Bedachte lediglich ein Forderungsrecht erhalten haben, wenn der Schenker die Prämien weiterzahlt bzw. gegenüber dem Versicherungsgeber schuldet und dieser weiterhin Einfluss auf das Versicherungsverhältnis nehmen kann, indem er z. B. noch zur Benennung des Begünstigten berechtigt bleibt (vgl. FG Hessen vom 02.04.2009, DStRE 2009, 1387, allerdings zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG; Fromm, DStR 2005, 1465). Wird lediglich das Forderungsrecht gegenüber der Versicherung übertragen, so ist dieses auf den Auszahlungszeitpunkt aufschiebend bedingt, die Steuer fällt daher gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG erst mit Auszahlung der Versicherungssumme an (BFH vom 30.06.1999, BStBl II 1999, 742).

 

Rz. 99

Hat der Bezugsberechtigte die Versicherungsbeiträge für den Versicherungsnehmer bezahlt, so ist er bei einer späteren Zuwendung des Bezugsrechts insoweit nicht bereichert, wie er die Versicherungsprämien beglichen hat (vgl. auch zur ähnlich gelagerten Konstellation, dass bei Eintritt des Versicherungsfalls Teile der Beiträge an den Erben der versicherten Person, der die Beiträge gezahlt hat, rückerstattet werden, BFH vom 18.09.2013, ZEV 2014, 112). Die Versicherungsleistung ist dann nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer und den Bezugsberechtigten geleisteten Prämien aufzuteilen (gleichlautende Erlasse vom 23.02.2010, DStR 2010, 1238). Zahlt hingegen ein Dritter, der nicht bezugsberechtigt ist, die Versicherungsbeiträge, so stellen die Zahlungen keine mittelbare Schenkung des Lebensversicherungsanspruchs dar, sondern Geldzuwendungen, die mit dem Nennwert zu bewerten sind (BFH vom 22.10.2014, BStBl II 2015, 239).

 

Rz. 100

Ähnliches gilt für die unentgeltliche Übertragung eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen (z. B. Rentenzahlungen). Erforderlich ist hier wie beim Bezugsrecht einer Lebensversicherung, dass das Rentenstammrecht übertragen wird. Mit dessen Übertragung ist die freigebige Zuwendung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt (BFH vom 28.11.1967, BStBl II 1968, 239; vom 23.06.1971, BStBl II 1972, 43). Gem. § 23 ErbStG steht dem Rentenberechtigten sodann ein Wahlrecht zwischen der Einmalbesteuerung unter Zugrundelegung des nach §§ 13 bis 16 BewG ermittelten Kapitalwerts oder der fortlaufenden jährlichen Besteuerung nach dem Jahreswert zu (Einzelheiten s. § 23 Rn. 2, 6 ff.).

 

Rz. 101

Besteht die Zuwendung nicht im Rentenstammrecht, sondern in den einzelnen Rentenbeträgen, so stellen diese den Zuwendungsgegenstand dar. Die Steuer entsteht dann erst mit der jeweiligen Rentenzahlung. Für die Abgrenzung des Zuwendungsgegenstandes (Rentenstammrecht oder Rentenzahlung) gelten die gleichen Abgrenzungskriterien wie bei Bezugsrechten von Lebensversicherungen.

 

Rz. 102–105

vorläufig frei

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