Rz. 80

Der Rechtskomfort der Gesamtrechtsnachfolge (ein Vorgang löst den Übergang aller Wirtschaftsgüter des Übergebers aus) wurde erkannt und blieb nicht dem Übergang von Todes wegen vorbehalten. So ist durch § 2 UmwG – mit Wirkung ab 1995 – ein Instrument geschaffen worden, Unternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge privatautonom umzustrukturieren. Der Auslöser ist dabei nicht mehr der Tod des Übergebers, sondern ein registerpflichtiger Beschluss, durch den Fusionen, Spaltungen und sog. "Vermögensübertragungen" vorgenommen werden können. Dies geschieht zwischenzeitlich (seit Einführung der Societas Europaea und seit Inkrafttreten des SEStEG am 12.12.2006) im EU-Raum sogar bei grenzüberschreitenden Umwandlungen.

 

Rz. 81

Zivilrechtlich unerlässliche Voraussetzung für die Anwendung der Gesamtrechtsnachfolge ist eine gesetzliche Regelung (sog. Numerus-clausus-Prinzip). Mangels einer ausdrücklichen Gesetzesgrundlage (oder bei Fehlen mindestens einer der gesetzlichen Voraussetzungen) ist eine Übertragung nur im Wege der Einzelrechtsnachfolge möglich.

 

Rz. 82

Es existieren jedoch noch weitere Formen der (rechtsgeschäftlichen) Gesamtrechtsnachfolge:

  • Die familienrechtliche Variante der Gesamtrechtsnachfolge ist die eheliche Gütergemeinschaft. Mit der Güterstandsvereinbarung wird das Gesamtgut beider Ehepartner uno actu (s. § 1416 Abs. 2 BGB) gemeinschaftliches Vermögen. Sondergut und Vorbehaltsgut nehmen an diesem Übergang nicht teil.
  • Ein weiterer gesetzlicher Anwendungsfall liegt bei der Anwachsung/Abwachsung gem. § 738 BGB vor. Die Bedeutung der Regelung, wonach beim Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) dessen Anteil den verbleibenden Gesellschaftern zuwächst, kann gerade für Unternehmensumstrukturierungen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bei entsprechendem "Zuschnitt" der Gesellschafter wird auch vom "Anwachsungsmodell" gesprochen. Scheidet z. B. bei einer GmbH & Co. KG der "Co." (natürliche Person) aus, findet auf diese Weise – ohne Beteiligung weiterer Stellen (HR, Notar) – eine Umwandlung von einer Personengesellschaft (KG) auf eine Kapitalgesellschaft (GmbH) statt.
  • Auch bei der Erscheinungsform "Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters" wird der einschränkende Zusatz der "beschränkten Gesamtrechtsnachfolge" deutlich. Nicht alle Gegenstände des Gesellschafters wechseln bei der Anwachsung den Rechtsträger: nur die gesellschaftsrechtlich (d. h. gesamthänderisch) gebundenen Gegenstände gehen auf die verbleibenden Gesellschafter über. Der "Rechtskomfort" dieser Lösung wird besonders dann deutlich, wenn zum Gesamthandsvermögen Immobilienvermögen gehört. Ohne Auflassung kann – auch bei umfangreichem Grundbesitz der Personengesellschaft – ein Rechtsträgerwechsel stattfinden (s. aber § 1 Abs. 2a und § 6a GrEStG). Der Nachteil bei der Anwachsung besteht allerdings darin, dass für eine befreiende Schuldübernahme die Zustimmung der Gläubiger erforderlich ist.
 

Rz. 83

In zwei weiteren Bereichen wurde durch die Rechtsprechung des BGH zusätzlicher Boden für das Rechtsinstitut der Gesamtrechtsnachfolge gewonnen.

  • Nachdem die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft unter Lebenden heute als Verkehrsgeschäft zugelassen ist (bahnbrechend hierzu s. Flume, Allgemeiner Teil, 1977, § 17), fügt sich auch die weitere Vorstellung einer beschränkten Gesamtrechtsnachfolge – als Prozess und Gegenstand der Übertragung – nahtlos in das Konzept.
  • Von einer vergleichbaren Tragweite war auch das Urteil des BGH vom 09.03.1981 (NJW 1981, 1373), als mit der Identitätstheorie der nahtlose Übergang einer Vor-Kapitalgesellschaft auf die mit Handelsregister-Eintragung entstandene juristische Person (Kapitalgesellschaft) begründet wurde. In Abkehr von dem alten Verständnis des sog. "Vorbelastungsverbots" gehen nunmehr mit der HR-Eintragung alle Aktiva und Passiva trotz §§ 11 und 13 GmbHG von der Vor-GmbH auf die GmbH über. Auch wenn der BGH in der Entscheidung nicht die Formulierung "Gesamtrechtsnachfolge" gebrauchte, war (und ist) sich die Rezensionsliteratur über den Vorgang der ganzheitlichen Uno-actu-Übertragung im Klaren (s. Schmidt, NJW 1981, 1345).
 

Rz. 84–89

vorläufig frei

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